Am 10.11.05 fand im Kölner Gloria der "Geilste Abend des Jahres" statt. Eine quasi Allstar-Band mit Leuten aus dem Golden Pudel Club-Umfeld ging auf Tour, bestehend aus der BOYGROUP, mit den Mitgliedern Maurice "Love" Summen, Viktor Marek und Christian Harder, außerdem Rocko Schamoni sowie Jacques Palminger und Schorsch Kamerun von den GOLDENEN ZITRONEN. Da ich ein - leider fast schon zwanghafter - Verehrer bin von allen geistigen Ergüssen, die aus dem Umfeld dieses beschissenen Köters kommen, war geplant, zusammen mit David Hasert von Roland Rock eine Videodokumentation mit Live-Bildern und Interviews zu machen.
Da durch Tölpelhafigkeit und Mangel an Zeit leider nur das Rocko Schamoni-Interview seinen Weg ins Web-TV bei triggerfish.de gefunden hat, war es zum Release des neuen Albums "Lenin" der Zitronen, dann doch noch Zeit, das Interview mit Jacques Palminger, Mitglied bei STUDIO BRAUN, genialer Literat, Musiker und Hamburgs Sexsymbol Nummer eins, und Schorsch Kamerun abzutippen.
Wie wichtig ist Selbstverliebtheit für euch?
Jacques: Also ich bin ein durch und durch egozentrischer und egomanischer Mensch ... Ich finde das ganz schrecklich belastend und es ist der falsche Weg.
Schorsch: Also, ich hab damit Probleme, mache deswegen eine Therapie und komme da nicht von weg. Das ist für mich wie für andere das täglich' Brot. Und es ist für mich auch eine große Schwierigkeit, es ist mit anderen Worten aber auch sehr, sehr wichtig für uns beide, oder?
Jacques: Hmm.
Habt ihr deswegen denn mehr Schlag bei den Frauen?
Jacques: Hmm ... mehr Schlag? Also wenn man selbstverliebt ist, hat man mehr Schlag, oder wie? Also, das verstehe ich von der Idee her, aber das interessiert mich nicht. Frauen ... kriegen wir Frauen?
Schorsch: Nee, das geht nicht. Man sieht ja auch wesentlich schlechter aus, da man immer so gehetzt ist. Dadurch hat man ja noch größere Probleme und deswegen werden Frauen immer weniger zu ... keinem Thema.
Wie reagiert ihr denn darauf, wenn ihr ständig in diesem Intellektuellen-Kontext wahrgenommen werdet?
Schorsch: Ich finde das nur richtig, und auf solchen Gleisen wollen wir ja auch laufen ... das ist unser Zug, der da fährt. Da sind wir auch ganz klar der Meinung, dass das die Charakteristik von unserem Laden ist und jetzt auch von unserer Tournee. Wir sind alles andere als intellektuellenfeindlich. Ganz im Gegenteil, wir wollen da selber ran.
Warum ist heute Abend der geilste Abend des Jahres für euch?
Jacques: Also, das musst du dir selber ansehen, denn das muss man einfach gesehen haben.
Schorsch: Wir haben gestern Abend schon gespielt und da kam eine Dame und hat gesagt, dass es der schönste Abend des Jahres für sie gewesen wäre. Das hat mich dann schon irgendwie getroffen, denn das heißt, dass wir insofern unser Ziel verfehlt haben. Da müssen wir heute noch einen drauflegen, aber gestern war das schon ein psychedelisches und wunderbares Fest.
Erzählt mal etwas über den Golden Pudel Club. Ist es ein normaler Laden oder ist es schon eine Erfahrung, wenn man dort einen Abend verbringt?
Jacques: Also, es kommt ja darauf an, was man da macht. Wenn man die Anlage so annimmt, wie sie sich darbietet, und dann auch das Letzte rausprügelt aus so einer Nacht, dann kann man da spitzenmäßige Abende haben, die auch mehr sind als das Rumhängen vor irgendeinem Tresen.
Wann wurdet ihr eigentlich zuletzt ausgebuht?
Jacques: Vorvorgestern.
Schorsch: Ja, da war einer gar nicht einverstanden ...
Jacques: Da gab es ein tierisches Geschreie, auch von mir, denn ich war total sauer, weil ich halt ein selbstverliebter Typ bin. Da hat sich doch tatsächlich jemand im Publikum unterhalten und da bin ich ausgeflippt. Ich fand das so was von ... Wenn der eine Band gründet, und sich auf die Bühne stellt, dann komm ich doch auch, stell mich hin und hör ihm zu, was er zu sagen hat.
Schorsch: Ich glaube aber auch, dass das Studenten waren.
Jacques: Au ja!
Schorsch: Ich hab da auch mal Erlebnis gehabt mit unserer Band, als wir in den USA gespielt haben. Das war in so einem Kaff in Arizona. Die Leute da mochten uns gar nicht sehen und fanden uns nicht gut. Die haben sich dann überlegt: "Wir zeigen der Band jetzt eine ?Fuck-Wall'." Und dann haben sich alle Leute mit dem Rücken zu uns gedreht und eine "Fuck-Wall" nach hinten gemacht. Das war von der Bühne aus gesehen ein ganz beeindruckendes Bild. So gesehen war das ja eine Art von Ausbuhen.
Wann würdet ihr anfangen, euch für eure Fans zu schämen?
Jacques: Also, ich trete nicht so nah an die Leute ran.
Schorsch: Ja, vor allem muss man sich ja für sich selber schämen, wenn da Menschen kommen, die man eigentlich gar nicht da haben will. Das ist ja nicht deren Problem, sondern eher das eigene.
Ein Kollege hat erzählt, er wäre vor Jahren in der KuFa in Krefeld bei einem GOLDENE ZITRONEN-Konzert gewesen, und meinte, ihr wärt da nur beschmissen worden.
Schorsch: Ja, das war krass.
Das war wohl zur Zeit von "Ein bisschen Totschlag".
Schorsch: Das war schon etwas später, aber die Leute haben da schon auf etwas ganz anderes Lust gehabt und das war wirklich ziemlich extrem. Nicht jetzt nur auf die Bühnensituation bezogen, sondern auch danach. Mit diesen Vögeln haben wir uns danach noch länger unterhalten und die waren so festgelegt auf: "Wir wollen ganz genau das hören, was wir wollen, und alles andere kommt gar nicht in Frage." Mit Argumenten, dass das aber gar kein punkiger Gedanke wäre, konnten die dann aber auch letztendlich gar nichts anfangen. Da war absolut nichts zu holen, was einerseits ganz spannend war, aber da fand ich die "Fuck-Wall" wesentlich amüsanter, da wir mit den Typen in Arizona später wirklich noch gut klar kamen. Die kamen da noch an und meinten: "Leute, cool, wie ihr das noch durchgezogen habt." Die fanden uns nachher sogar noch ganz gut, aber diese Punker da in Krefeld ... das ging ja überhaupt nicht klar und ich hoffe, dass du mir nachher eine Telefonnummer von den Schweinen geben kannst.
Du trägst ja auch ab und zu Frauenkleider auf der Bühne. Würdest du deswegen schon mal doof angemacht oder siehst du das auch nur in einem Kunstkontext?
Schorsch: Weiß ich nicht. Das klingt jetzt auch wieder so negativ. Ist an "Kunstkontext" irgendwas Schlechtes? Vorhin schon die Frage nach dem "intellektuell sein". Ich verstehe das nicht so ganz. Was gibt es da auszuschließen?
Es geht ja darum, wie du dich selber siehst. Meinst du das dann nur als Provokation?
Schorsch: Ich sehe mich offen und das hat gar nichts mit Provokation zu tun. Das ist ja nun durch, denn es gibt keine Provokation mehr. Probier doch mal, den "Wiener Aktionismus" zu toppen. Das schaffst du einfach nicht ... Richtig provozieren ist nicht mehr angebracht, weder im Rockkontext noch auf Theaterbühnen. Da gibt's ja nichts mehr zu holen, denn das ist ja alles schon gewesen. Es sei denn, man bringt sich um. Wie soll man denn bitte GG Allin toppen? Ich glaube nicht an Provokation, aber ich finde, dass man verschiedene Mittel ausprobieren sollte, da man das Ganze auch nicht aushält. Ich stehe ja schon seit über 20 Jahren auf der Bühne und es ist einfach öde, wenn man da immer dasselbe macht. Zu den Kleidern muss ich sagen, dass die einfach ganz bequem sind.
Musikalisch gesehen habt ihr ja verschiedene Einflüsse. Welche Musik könnt ihr überhaupt nicht ertragen?
Jacques: So richtig hassen kann ich eigentlich so gar nichts mehr, weil ich sogar fast dem letzten Schrott noch etwas abgewinnen kann. Auch bei so einem Euro-Technotune ballert halt der Bass oder die Textzeile ist herrlich daneben ...
Schorsch: Zum Beispiel beginnt die letzte Single von SCOOTER mit dem Satz "I am the horseman". Ich finde, dass das ein wirklich gutes Statement ist. Ich meine, einen Satz mit "Ich bin der Pferdemann" zu beginnen, das muss man erstmal bringen. Das ist ein Beispiel, an dem man sehen kann, wie so was auch super laufen kann. Das geht dann in die Richtung, wo man denkt, dass die Band sich für sich und ihr Publikum schämen sollte. Trotzdem hat das auch wieder was. SCOOTER, als Beispiel, haben eigentlich schon ein paar ganz ordentliche Texte abgeliefert ... also so Phrasen und Fragmente, die gar nicht so übel sind.
Wie "How much is the fish", ja?
Schorsch: Das ist ein gern genanntes Beispiel.
Warum ist Heinz Strunk heute Abend nicht dabei?
Jacques: Keine Ahnung. Er wird vielleicht in der Badewanne liegen oder in der Kneipe sitzen, aber ich denke, dass er zu Hause ist ... normal, so wie alle anderen auch. Wir können den nicht bei allen Sachen mitnehmen. Das wäre halt zu anstrengend, denn der Typ ist auch einfach wahnsinnig anstrengend. Der darf manchmal mitkommen, aber er muss auch tierisch oft zu Hause bleiben. Es ist schwierig mit dem Mann ... egal!
Timbo Jones
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #66 Juni/Juli 2006 und