Genau wie Ska-Punk ist auch Folk-Punk nicht jedermanns Sache, aber wer einmal Ivo K’Nivo, dem Drummer der Münsteraner Band MR. IRISH BASTARD auf der Bühne zugesehen hat, weiß wenigstens, wie viel Spaß man bei dieser Musik haben kann. Ivo ist nun schon über zehn Jahre in der Band. Sowohl live als auch auf Platte ist er immer ein Garant für abwechslungsreiches, kraftvolles Drumming. Wir trafen den gebürtigen Bulgaren auf dem Rockharz Festival, wo er mit MR. IRISH BASTARD zwischen all den Metallbands für Abwechslung und großartige Stimmung sorgte.
Ivo, hast du als kleiner Junge schon regelmäßig auf den Kochtöpfen deiner Eltern getrommelt?
Ganz bestimmt, obwohl es da nicht wirklich viele Geschichten gibt, die meine Eltern mir zu diesem Thema erzählt haben. Es gab aber bei uns gegenüber ein Jugendzentrum, in dem sehr viele Konzerte stattfanden, und mein Vater hat mich schon als kleiner Junge sehr gern mit auf Konzerte genommen, so dass ich frühzeitig mit Musik in Berührung kam. Ich habe also Live-Musik kennen gelernt, bevor ich die Schallplattensammlung meiner Eltern für mich entdeckte.
Kommst du aus einer musikalischen Familie?
Nein, überhaupt nicht. Bei uns zu Hause wurde zwar sehr viel Musik gehört, aber irgendwelche Instrumente hat bei uns niemand gespielt. Meine Mutter wollte aber gern, dass ich Klavier spielen lerne, und dann bin ich mit elf Jahren das erste Mal zum Klavierunterricht gegangen. Meine erste Klavierlehrerin war jung und hübsch und ich war so verliebt, dass ich natürlich auch den Unterricht toll fand. Leider ist sie dann ein paar Wochen später nach Südafrika ausgewandert, so dass mein Spaß an der Sache nur von kurzer Dauer war. Meine zweite Klavierlehrerin war sehr streng und nach zwei Jahren hatte ich dann endgültig keine Lust mehr und habe das Klavierspielen sein lassen.
Wie bist du dann zum Schlagzeugspielen gekommen?
Eigentlich habe ich mich immer für Rockmusik interessiert und schuld war wohl das DEEP PURPLE-Album „Stormbringer“. Gleich beim ersten Song „Stormbringer“ hat mich mich Ian Paice am Schlagzeug so umgehauen, dass ich das unbedingt auch lernen wollte. Gitarre und Gesang haben mich nicht interessiert, aber dieser Beat, der ja eigentlich recht primitiv ist, hat mich so begeistert, dass ich gleich Gänsehaut bekam. Mit 13 habe ich dann meine erste Band gegründet und wir haben zunächst bei uns im Wohnzimmer gejammt. Als wir nach zwei Wochen immer noch nicht aufgegeben hatten, war klar, dass mein Vater den Keller aufräumen musste, damit wir dauerhaft einen vernünftigen Proberaum hatten. Da haben wir wirklich jahrelang geprobt und glücklicherweise haben auch die Nachbarn immer gut mitgespielt und sich nicht beschwert.
Wie bist du an dein erstes Schlagzeug gekommen?
Ich hatte eine kaputte Snare bei uns in der Schule gefunden und die durfte ich dann mit nach Hause nehmen, wo mein Vater sie repariert hat. Und weil eine Snare auf Dauer zu wenig war, hat mein Vater mir für wenig Geld noch ein kaputtes Schlagzeug dazugekauft. Wir hatten damals bei uns in Bulgarien nicht viel Geld. Auch meine Freunde hatten ihre ersten Instrumente billig erworben oder irgendwelche kaputten Instrumente nach Hause geschleppt, wo wir dann alles repariert und neu zusammengebastelt haben.
Wer waren für dich über die Jahre die großen Vorbilder?
Neben dem schon genannten Ian Paice fand ich Roger Taylor von QUEEN großartig und später Chad Smith von den RED HOT CHILI PEPPERS. Stewart Copeland von THE POLICE ist auch sehr stark, weil er diese unglaubliche Lebendigkeit und Lockerheit hat. Aber es gibt so viele gute Drummer, dass ich die gar nicht alle aufzählen kann.
Bist du Autodidakt oder hast du auch Schlagzeugunterricht gehabt?
Zunächst war ich Autodidakt und habe mit meinen Freunden zusammen geübt, aber irgendwann war mir das nicht mehr genug und ich wollte unbedingt besser werden. Also bin ich mit 15 Jahren zum Schlagzeugunterricht gegangen und habe bei meinem ersten Lehrer ganz klassisch Notenlesen gelernt und viele Technikübungen gemacht. Zu dieser Zeit waren wir auch schon mit unserer Band aktiv und hatten bei uns im Jugendzentrum die ersten eigenen Konzerte gespielt, so dass ich immer viel Übung hatte. Eigentlich habe ich selten für mich allein geprobt, sondern meistens mit den Kumpels zusammen.
War es damals in Bulgarien einfach für euch, als junge Band Konzerte zu spielen?
In den ersten Jahren schon, da durften wir im Jugendzentrum gegenüber häufiger spielen, aber später wurde es von Jahr zu Jahr schlimmer. Zunächst hieß es „Ihr seid zu laut“ und die Leute wollten uns nicht mehr auftreten lassen. Später wurde aus dem Jugendzentrum ein Striptease-Club. Da war es mit der Jugendarbeit vorbei und wir wurden einfach auf die Straße gesetzt. Die Sache wurde so schlimm, dass ich mit zwanzig Jahren ganz aufhörte, Musik zu machen, denn mittlerweile hatte die Mafia das ganze Land verwüstet und Rockmusik war überhaupt nicht mehr angesagt. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin von Bulgarien nach Münster gezogen, wo ich relativ schnell Anschluss gefunden habe. Ich lernte dort zwischen 2003 und 2005 viele Musiker kennen und wurde Schlagzeuger der Band GREEN BOX.
Was hast du nach deinem Umzug beruflich gemacht, um dich in Münster finanziell über Wasser halten zu können?
Ich habe in verschiedenen Bands gespielt und durfte ab 2005 am Institut für Musikpädagogik an der Universität Münster studieren. Mein Hauptinstrument war dort tatsächlich Schlagzeug und klassisches Schlagwerk. Als ich das Studium abgeschlossen hatte, musste ich natürlich Geld verdienen. Nur von Auftritten mit Bands konnte ich natürlich nicht leben, aber ich habe schon 2006 angefangen, als Schlagzeuglehrer zu arbeiten, und biete seitdem Kurse von musikalischer Früherziehung bis zum Schlagzeug für Fortgeschrittene an. Damit war und bin ich wohl recht erfolgreich und komme so ganz gut über die Runden.
Wie bist du zu MR. IRISH BASTARD gekommen?
Ich hatte zwar immer schon Verbindungen zur Punk- und Hardcore-Szene, aber MR. IRISH BASTARD kannte ich nicht, obwohl sie ja auch aus Münster kommen. Irgendwann wollte ich mich musikalisch verändern und suchte neue Herausforderungen. Ich wollte gern auf Tour gehen und die Welt sehen, und 2008 habe ich dann diese Kleinanzeige „Drummer gesucht“ in einer Zeitung gelesen. Die Band war MR. IRISH BASTARD und ich habe sie mir dann erst einmal in Münster bei einem Gig live angesehen. Die waren total betrunken, und ich konnte gar nicht glauben, was da auf der Bühne so abging, aber ich dachte mir, dass ein Versuch ja nicht schaden könnte. Die haben mich dann auch zur Probe eingeladen und nachdem wir zweimal zusammen geprobt hatten, hat mir die Band verraten, dass sie jemanden suchten, der bereits zwei Wochen später mit ihnen auf große Tour gehen kann. Die Termine waren bereits gebucht und so fuhr ich tatsächlich direkt im großen Nightliner auf Tour, als MR. IRISH BASTARD im Vorprogramm von FIDDLER’S GREEN unterwegs waren. Das war ein so großartiges Erlebnis, dass ich gern bei der Band bleiben wollte, und wir hatten so viele Gemeinsamkeiten, dass die Band mich mit offenen Armen empfangen hat.
Bist du auch in das Songwriting der Band involviert?
Nein, eigentlich nicht, aber ich habe immer die Freiheit, den Song so zu spielen, wie ich es für passend erachte, und da redet mir meistens auch niemand rein. Wenn man es genau nimmt, spielen wir ja doch pure Tanzmusik und da bin ich eigentlich immer bestrebt, die Rhythmen simpel zu halten, damit der Beat gut nach vorne losgeht.
Gibt es unter den Alben, die du als Schlagzeuger aufgenommen hast, eines, das dir besonders am Herzen liegt?
Das ist für mich auf alle Fälle „A Fistful Of Dirt“. Nicht wegen der Songs oder des Drumsounds, sondern weil meine Lebenssituation damals so schwierig war. Ich war mit dem Studium fertig und hatte keine Arbeit, nur die Band. Und dass wir in dieser Situation das Album trotz – oder gerade wegen – dieser beschissenen Situation so gut hinbekommen haben, war für mich extrem wichtig.
Bist du mit dem Dasein als Drummer am hinteren Bühnenrand zufrieden oder hätte aus dir auch ein Sänger werden können, der im Mittelpunkt steht?
Nein, ich bin mit meinem Part als Drummer völlig zufrieden. Mein Ziel ist es nie gewesen, im Rampenlicht zu stehen und die ganze Aufmerksamkeit zu bekommen.
Hast du bei deiner musikalischen Vielseitigkeit außer MR. IRISH BASTARD noch andere Projekte am Start?
Nein, zur Zeit nicht. Ich habe zwei Kinder zu Hause, mit denen ich viel Zeit verbringen möchte, und zusammen mit der Band bin ich da sehr gut ausgelastet.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #147 Dezember/Januar 2019 und Christoph Lampert