Die postmoderne Kunst stellt per Definition die Ideen von Freiheit, Originalität und Authentizität in Frage, setzt bewusste Zitate anderer Künstler ein und verbindet verschiedene Stile. "Bound For The Shine", das dritte Album der spanischen "All-Star Band" IT'S NOT NOT, klingt manchmal wie die Blaupause für eine ganze Epoche. Die vierzehn neuen Songs pendeln zwischen Dance-Wave-Punk-Irgendwas, Indiepop und - na, da schau her - Oldschool-Hardcore. Die Band aus Barcelona vereint dies jedoch nicht in einem einzelnen Song, sondern lässt es sich nicht nehmen, jedem Stil einen Song zu widmen und ihm dabei scheinbar kinderleicht ihr Markenzeichen aufzudrücken. IT'S NOT NOT, das ist der eine Fuß, den man schon auf der Tanzfläche hat, obwohl er da manchmal gar nicht hingehört. Gitarrist Rubén hat mir per E-Mail auf sympathische Art ein paar Fragen beantwortet.
Wenn ich über eure Musik nachdenke, entsteht bei mir immer der Eindruck, dass ihr eure Musik als Kunstobjekt anseht, das zwar in die Beine, aber auch durch den Kopf gehen soll. Kennt ihr den kürzlich verstorbenen Komponisten Karlheinz Stockhausen? Von dem stammt das Dogma: "Suchen, Finden, Erfinden", das meiner Meinung nach auch gut auf euch zutrifft.
Stockhausen, Cage und einige andere Musiker haben im 20. Jahrhundert etwas ganz Neues in die klassische Musik eingebracht, so dass es sie auch nachhaltig verändert hat. Das ist wirklich bemerkenswert, wenn du mal darüber nachdenkst, dass diese Art von Musik schon Hunderte Jahre alt ist. Vielleicht kann man mit Stockhausens Dogma den Prozess beschreiben, wenn unsere Songs entstehen, jedoch ohne dass wir etwas erfinden. Stattdessen versuchen wir, unseren eigenen Sound zu finden. Das ist schon schwierig genug, wenn man vier verschiedene Geschmäcker unter einen Hut bekommen will.
Euer neues Album "Bound For The Shine" ist vielseitig und unberechenbar. Es scheint so, als ob ihr diesmal schlichtweg ein Best-Of von all euren Lieblingssongs machen wolltet.
Ich denke, das ist eine gute Umschreibung für das, was wir erreichen wollten. Wir hatten vor, unsere Bemühungen dahingehend zu lenken, dass wir nur gute Songs machen, egal, ob sie sich untereinander zusammenfügen lassen oder ergänzen. Dieses Mal wollten wir auch einfach das weite Spektrum der Musik, die wir selben hören, ohne irgendwelche Barrieren auf einem Album unterbringen. Das Beste an der ganzen Sache ist nun, dass sich "Bound For The Shine" nicht anhört wie eine Compilation, sondern wie eine Kollektion von Songs, die etwas haben, was sie miteinander verbindet. So etwas nenne ich "Our Particular Sound".
Trotz der unterschiedlichen Stile, die ihr auf dem Album vereint, habe ich das Gefühl, dass sich ein roter Faden durch "Bound For The Shine" zieht. Habt ihr irgendwann während des Songschreibens den Plan gefasst, ein Konzeptalbum zu schaffen?
Keinesfalls! Bei "No Time For Jokes", unserem letzten Album, ist uns das passiert und das war damals auch gut für uns. Für das neue Album haben wir uns aber individuell auf jeden Song fokussiert. Am Anfang hatten wir auch Angst, dass das Ganze für die Hörer zu chaotisch klingen würde. Aber ich denke, dass sich die Leute da schnell darauf einlassen werden, wenn sie sich mit "Bound For The Shine" beschäftigen ...
Es war ja zwei Jahre sehr ruhig um IT'S NOT NOT. Hat sich in der letzten Zeit irgendwas in eurem Leben verändert?
Auf jeden Fall nichts Dramatisches. Raul und ich sind immer noch mit TOKYO SEX DESTRUCTION beschäftigt und touren so viel wir können. Piti ist immer noch bei STANDSTILL und Joel ist immer noch der "King of the Nightlife" in Barcelona.
Eure Musik ist ja, wie gesagt, sehr abgefahren. Über welchen Trip singt ihr in eurem Song "Outerspace"?
Also, um das klarzustellen: Wir nehmen keine Drogen, wir sind nur sozusagen mental gehandicapt. Deshalb handelt der Song statt von Drogen oder so was auch nur von einer "Krankheit".
Wo wir schon mal bei den Lyrics sind: Erzähl mir doch bitte, wovon eure sehr abstrakten Songs handeln?
Im Grunde handeln die Lyrics von uns. Meistens dreht es sich um Dinge, die wir auf Tour erlebt haben oder wenn wir betrunken sind und Party machen. Wir sind Hedonisten und mögen es, über all die Dinge zu singen, die sich im Zuge dessen ergeben. Natürlich von den Metaphysischen abgesehen.
Erzähl mir mehr über den für euch sehr speziellen Oldschool-Hardcore-Track "Fucking bullshit"! Ist dieser Song ein Statement in dem Sinne, dass ihr zwar keine Hardcore-Band seid, es jedoch scheinbar einfach schafft, einen solchen Song zu schreiben und ihn zu veröffentlichen?
Wir sind eine Hardcore-Band! Genauso, wie wir eine Pop-, Punk- oder Rockband sind. Deshalb fühlt es sich für uns auch nicht seltsam an, wenn wir diesen Song spielen. Wie schon vorher erwähnt, gab es für uns keine Barrieren, als es um das Songschreiben für "Bound For The Shine" ging. Jede Musikrichtung, die wir mögen, ist in unseren Songs willkommen und Oldschool HC ist nun mal eine davon.
Kennt ihr denn euer Publikum ein wenig oder wisst ihr, was für Leute eure Musik richtig gut finden?
Ja. Da wir sehr freundliche Leute sind, die es mögen, nach Konzerten mit den Leuten zu reden und Party zu machen, lernen wir sie auch kennen. Im Grunde geht es doch nur darum, Liebe und gute Laune zu verbreiten. Die Meinung der Leute hat jedoch keinen Einfluss auf unsere Musik. Eigentlich machen wir unsere Musik ja nur für uns selbst, aber irgendwie scheinen die Leute dazu zu neigen, die Sachen zu mögen. Das macht uns glücklich und gibt uns einen Grund, zu Touren und Alben aufzunehmen.
Vor ein paar Jahren waren es Hamsterkostüme, die ihr bei euren Konzerten anhattet. Was habt ihr für die kommenden Konzerte geplant?
Dieses Mal bringen wir nun unsere hässlichen Visagen mit. Das tut mir Leid für euch, da wir nun eine seriöse Band sind ... Aber keine Sorge: seriös heißt bei uns nicht langweilig.
Die europäische Indie-Szene ist außerhalb Englands sehr überschaubar. Um es Leuten, die euch bis jetzt noch nicht gehört haben, einfach zu machen: Mit wem würdest du IT'S NOT NOT vergleichen?
Ich würde den Leuten sagen, dass wir die europäische Antwort auf CRADLE OF FILTH wären, wenn die nicht selber schon Europäer wären. Auf jeden Fall sind wir nicht so "Fashion-Magazin-orientiert" und konzentrieren uns stattdessen mehr auf Satan.
Manche Menschen denken, dass Musik die höchste aller Künste und somit wichtiger als andere sei. Was hältst du davon?
Ich kann mir schon denken, dass diese Aussage von Musikabhängigen stammt. Wahrscheinlich sieht jeder Künstler, der malt, oder auch jeder Architekt seine jeweilige Kunst als das Höchstmaß von allem an. So gesehen ist das alles sehr subjektiv. Auf der anderen Seite gibt es da aber auch die Meinung der Industrie, Musik ist die Profitabelste aller Künste. Mich interessiert so was jedoch nicht.
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