Adam Alive, neben seiner Verlobten Jenna Betreiber des in Südkalifornien ansässigen It's Alive-Labels - den meisten außer dem Verfasser wird der RAMONES-Bezug aufgefallen sein - hört Weihnachtslieder mit Vorliebe im Hochsommer. Er wurde beim Julklapp des Stardumb Records-Messageboards Will DeNiro von den TUNGSTEN TIPS zugelost. Diese nahmen ein Band mit personalisierten Weihnachtsliedern auf, für das sich Adam jedoch erst diesen Juli bedankte. Mit Pop-Punk, dem vorherrschenden Stil seines Labels, verbindet Adam eine Art Hassliebe: Als Elfjähriger wurde er Ende der 80er Jahre per Skateboarding durch den ursprünglichen Punkrock sozialisiert, weswegen ihm jegliche Sympathie für die Banalitäten des Genres fehlt. Den liebevoll gestalteten und ausgestatteten 7"s seines Vinyl-only-Labels, etwa der APERS, TEENAGE BOTTLEROCKET, PROTOTIPES, POPSTERS, VARSITY WEIRDOS und SONIC DOLLS, sieht man die Gratwanderung zwischen Genre-Identifikation und -flucht an. Die Detailfreude regte Fragen nach einem Manifest an.
Ich habe mich immer nach den Gründen, ein Label gründen zu wollen, gefragt. Das verführerischste Moment scheint mir dabei der Entwurf eigener Plattenhüllen zu sein.
Das ist bestimmt ein Aspekt. Ich hatte immer daran gedacht, eine eigene Band zu gründen, um mich über den Besuch von Shows hinaus stärker engagieren zu können. Nach Jahren der fruchtlosen Suche nach Mitstreitern war ich alt genug, um den Mut für eine Labelgründung aufzubringen. Mut, weil es Zeit und Mittel verlangt. Vor fünf Jahren lernte ich, Grafiken am Rechner zu entwerfen, ohne eine Plattform zu haben, so ergab es sich, beides zu vereinen und selbst aktiv zu werden. Von unseren neun Veröffentlichungen wurden zwei von Dritten entworfen. KITTY AND THE MANGES von deren Bassisten Massimo und die erste Pressung unserer zweiten COPYRIGHTS-Single von Lew Houston vom Blurt-Fanzine.
Dem Wust an Veröffentlichungen weitere hinzuzufügen, käme für mich nicht in Frage, aber Teil des kreativen Prozesses zu werden, klingt verlockend. Weniger, um Teil der Band zu werden oder sie zu lenken, sondern weil die Musik schlicht inspirierend sein kann.
Ich versuche immer etwas zu finden, was der Musik schmeichelt, und richte mich auch nach den Wünschen der Bands. Überraschenderweise haben diese, so kreativ sie sein mögen, häufig keine begleitenden visuellen Vorstellungen, wohingegen mir mein Kunstverständnis ein Vorstellungsvermögen verleiht, das das Tonale total überlagert. Ich bin zu betriebsblind, um zu erkennen, ob ich einen eigenen Stil entwickelt habe, fände es aber gut, so unverwechselbar zu sein wie Stardumb Records mit diesem einzigartigen Bildmaterial von Stefan Tijs. Meine eigenen Sachen gefallen mir aber nie, bis ich mich nach einiger Zeit an sie gewöhne.
Pop-Punk verlangt häufig einen gewissen Stil: Comic-Figuren, plakative Farben und die "ligne claire": Treten Erwartungen an deine Entwürfe auf?
Ich schätze schon. Science Fiction-Design der 50er Jahre fiele mir noch ein. Unsere Platten sind aber eher im alt hergebrachten RAMONES-Stil gehalten: Schwarz/weiß mit einer zusätzlichen Farbe und einem Bandfoto.
Könnte dieser Look, meinetwegen anderer Labels, ein Parameter zur Identifikation sein? Dass man mit einem Blick weiß, was einen erwartet?
Ich liebe Pop-Punk, doch die meisten Bands sind unerträglich. Auch wenn es mir gefällt, ein gewisses Profil zu haben, betrachte ich uns nicht als genretypisch. Unser Markenzeichen ist mehr, als nur Vinyl zu liefern. Nämlich hochwertige Drucke, Poster, Textblatt, Aufkleber und die optionale CD-R. Mir gegenüber wird immer wieder betont, wie beeindruckt die Leute von unseren Sammlerstücken sind.
It's Alive-Platten eignen sich perfekt dafür, sie an die Wand zu hängen. Ist dies, neben der Tatsache, dass viele junge Leute gar keinen Plattenspieler besitzen, der Grund für die CD-Rs?
Die Idee ist eigentlich nicht von mir. Whoa Oh Records boten das gegen einen Aufschlag von einem Dollar in ihrem Mailorder an. Während ich Vinyl und insbesondere das 7"-Format liebe, ist die Vinylschallplatte einer Mobilitätsuntauglichkeit unterworfen: Man kann sie nicht im Auto oder auf der Arbeitsstelle hören. Deswegen gefiel mir die Idee. Ich führte sie aber noch einen Schritt weiter, indem ich sie mit einem Cover versah und mir einen Labeldrucker kaufte, was bedeutend ordentlicher aussieht als ein Klebeetikett oder Filzstift. Wir bieten sie nicht ohne 7" an, da ich CD-Rs nicht als offizielle Veröffentlichung erachte. Sie mögen sich als Demos eignen, eine Veröffentlichung aber erfordert einen Präsentationsstandard. Ginge es ausschließlich um die Musik, könnte man alles auch am Computer machen und von dort aus verschicken.
Du hast Stardumb und Whoa Oh erwähnt. Gibt es so etwas wie eine Zusammenarbeit oder eine gewisse Label-Szene?
Ja, die gibt es. Ich betrachte die sehr kleine Pop-Punk-Szene in den USA immer noch als "Underground". In den frühen 90er Jahren gab es den Lookout-Boom mit Bands wie den QUEERS, SCREECHING WEASEL, MR. T EXPERIENCE und den HI-FIVES. Aus diesem Boom resultierte ein Label aus Oregon, Mutant Pop. Die haben Platten sehr schwankender Qualität herausgebracht, waren aber konsequent, was Aufmachung und Veröffentlichungsterminierung anging. Die Empfänger ihrer Vertriebsliste bildeten eine Gemeinde und bezogen von dort die Inspiration, selbst Labels zu gründen. Die meisten, Knock Knock, Whoa Oh und Insubordination, sind an der Ostküste zu Hause, aber wir kennen uns daher. Zunächst nur postalisch, dann, als die Computer aufkamen, auch durch elektronische Depeschen. Aus Freunden wurden Partner und wir helfen uns heute mit Druckaufträgen oder Designaufgaben, um unsere Szene zu dokumentieren, das "Wort" zu verbreiten und Bands ein Forum zu bieten.
Wer hatte die Idee zur Akustik-Split-7" der ZATOPEKS mit den COPYRIGHTS?
Viele sind skeptisch und erwarten Heulsusen-Musik, doch das könnte mein persönlicher Favorit werden. Punkrock gilt als unmittelbare, nackte Form des Rock'n'Roll, akustisch geht das aber noch viel weiter. Bevor man auftritt, werden die meisten Lieder akustisch in einem Schlafzimmer oder mit Freunden auf der Veranda gespielt. Deshalb klingen akustische Lieder sehr ursprünglich und insbesondere die ZATOPEKS kompensieren den Mangel an Verzerrung und Lautstärke gut. Ihr Trommler Pete Sematary schlägt während der beiden Lieder auf mindestens zehn verschiedene Sachen ein, haha. Es ist nicht nachgiebig und gesetzt, sondern wild und lustig.
In Köln wurde Pete von einer Zugabe überrascht und trommelte mit bloßen Händen weiter.
Hahahaha, er ist einfach beeindruckend kreativ. Dasselbe gilt für die COPYRIGHTS. Statt Gitarrenspiel wird das Thema gepfiffen, statt die Trommel zu rühren, wird in die Hände geklatscht. Ich hoffe, es wird die Leute von Akustikplatten überzeugen und falls nicht: Es sind schöne Lieder, mit denen sich das Label schmücken kann.
Du verachtest die meisten Bands des Genres, aber manche berühren einen. Was ist das Geheimnis der COPYRIGHTS?
Ich vermag das nicht genau zu sagen. Die meisten Bands schreiben über dummes Zeug: Bubblegum, Mädchen, Videospiele - das tun die COPYRIGHTS auch, aber selbst wenn sie über Videospiele singen, ist das nicht notwendigerweise der Inhalt. Sie füllen ihre eigene Nische und waren unsere erste Band. Wir veröffentlichten sie, ohne einen Gedanken an die Kosten zu verschwenden. Ich glaube, dass sie auch vielen Leuten außerhalb des Pop-Punk gefallen könnten. In naher Zukunft ist unsere erste LP geplant, die Vinylausgabe ihrer "Mutiny Pop". Ferner hoffen wir, das neue MANGES-Album koproduzieren zu dürfen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #70 Februar/März 2007 und Walmaul