ISOLATED

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Die netteste Band im Hardcore-Punk-Zirkus

Es gibt Bands, die sind uns bislang bei Interviews irgendwie durchgerutscht. Eine davon sind ISOLATED aus Quedlinburg, die in gut zwei Jahren bereits ihr dreißigjähriges Bandjubiläum feiern werden. Für das erste Interview im Ox konfrontieren wir Sänger Borstel mit einigen Textzeilen, die vom letzten Album „25 Years Strong“ stammen, um mehr über die Botschaft dahinter zu erfahren sowie weitere spannende Dinge über eine der dienstältesten Hardcore-Kapellen Ostdeutschlands.

Euer Album beginnt mit dem Stück „We are Isolated“. Klär uns doch mal ein wenig über eure Geschichte auf.

Im Jahr 1993 traf ich meinen alten Kumpel Andreas „Fuxer“ Fuchs, und der fragte mich, ob ich nicht Bock hätte, in seiner Band zu singen. Er wusste, dass ich vorher schon in einer Punkband gesungen hatte. SHAKESBEER hießen wir und uns gab es ungefähr von 1987 bis 1990. Wir hatten auch mal einen Auftritt im Jugendzentrum Reichenstraße, dem linken Treffpunkt hier in Quedlinburg. Musikalisch gibt es von dieser Zeit leider nichts auf Band. So fing ich also an, bei ISOLATED zu singen. Damals war es noch mit zwei Sängern, aber das wurde bald reduziert. Wir traten überall auf, wo man uns sehen wollte. Wir spielten fast jedes Wochenende, obwohl es noch kein Internet gab und wir noch Briefe schreiben mussten, um mit den Veranstaltern Kontakt aufzunehmen. Das ist heute kaum noch vorstellbar. Ich mochte diese Anfangsjahre nach der Wende. Es war alles ein kleines bisschen anarchisch. Und dazu die Freiheiten, die man plötzlich hatte. Ich denke gern daran zurück. Zu dem Zeitpunkt hätte ich nicht gedacht, dass ich 27 Jahre später immer noch mit ISOLATED unterwegs bin. Von unserer Urbesetzung sind auch nur noch Fuxer und ich dabei. Unsere aktuelle Besetzung besteht aus Lukas an den Drums, Fuxer an der Gitarre, Thomas am Bass und ich am Mikro. Unser zweiter Gitarrist Rüdiger nimmt sich aus persönlichen Gründen gerade eine Auszeit.

In „My life“ singst du: „Das ist mein verdammtes Leben / Sag mir nicht, wie ich es leb“. Als alter DDR-Punker hast du dahingehend sicherlich eine Menge erlebt. Erzähl doch mal einige Anekdoten von damals, vielleicht auch wie du zum Hardcore gekommen bist.
Alles fing bei mir so um 1983 an mit dem Film „Rock’n’Roll High School“ über die RAMONES. Das hat mich so angefixt. Dann ging’s weiter mit Billy Idol und ich war damals auch großer DEPECHE MODE-, THE CURE- und SISTERS OF MERCY-Fan, bis heute übrigens. Ich war also Grufti, wie man es früher im Volksmund nannte. Dazu hörte ich aber da schon Punk und ein bisschen Metal, DEAD KENNEDYS, SLIME, INFERNO, MOTÖRHEAD ... Ich glaube, die Polen-Pressung von der DEAD KENNEDYS-Platte „Fresh Fruit For Rotting Vegetables“ hatte damals jeder. Und da gab es eine Kassette, die bei uns im Harz auch jeder hatte: einen Punk-Sampler mit Bands aus Bremen namens „Unser Sämbpler No. 1“, ein in miesester Qualität aufgenommenes Teil. So ungefähr 1987 bekam ich dann von einem Kumpel eine Kassette mit MISFITS, NEGATION und ich glaube AGNOSTIC FRONT. Von dem Tag an war es um mich geschehen. Ich tauchte immer mehr in diese Hardcore-Punk-Geschichte ein. Irgendwann traten dann auch SUICIDAL TENDENCIES – bis heute meine Lieblingsband – in mein Leben, anfangs nur auf einem Plakat, aber wir alle wollten natürlich auch so aussehen wie Mike Muir und Co. Also besorgten wir uns karierte Hemden, Fußballstutzen, bastelten uns Bandanas aus abgeschnittenen T-Shirt-Ärmeln und rannten los. Und brachten damit natürlich auch unsere Volkspolizisten durcheinander. Punks mussten damals wie Punks aussehen, also mit Lederjacke, Iro und so weiter. Unseren neuen Look verstanden sie nicht ganz.

Die Textzeile „Habe einen Traum von dieser Welt, in der Tiere nicht sinnlos sterben müssen“ wird die Ox-Redaktion, besonders Joachim und Uschi, sicher freuen. Kann man daraus schließen, dass du Vegetarier bist?
Ja, das bin ich seit 1995. Damals wohnte ich mit meiner Freundin in einer WG mit noch einem anderen Pärchen. Wir waren alle in der Punk-Szene involviert und beschlossen einfach, vegetarisch zu leben, unser persönlicher Protest gegen die Massentierhaltung. Zu dem Zeitpunkt war es nicht ganz so komfortabel, Vegetarier zu sein. Heute gehe ich in einen Bio-Markt und kann mich super vegetarisch oder sogar vegan ernähren. Ich mache aber auch viel selber, da ich sehr gerne koche. Das entspannt mich einfach. Dazu hole ich mir meine Inspirationen, welch’ Wunder, auch aus den Ox-Kochbüchern, hahaha. Die meisten Menschen in unserer „zivilisierten“ Gesellschaft wissen ihre Nahrung gar nicht mehr zu schätzen und wissen auch nicht, in was für Verhältnissen ihr Fleisch „produziert“ wird. Alle sollten mal über ihr Verbraucherverhalten nachdenken, vor allem wo die Produkte herkommen und wie sie hergestellt werden. Und damit meine ich alle, auch mich als Vegetarier. Einfach versuchen, alles bewusster wahrzunehmen und vielleicht auch mehr regional einzukaufen.

Für mich hörte sich die Zeile „Ich seh mich um und seh Nazis marschieren“ aus „Benutz dein Kopf“ zunächst etwas antiquiert an, aber in Anbetracht der Erfolge der AfD sowie der verschiedenen Vorkommnisse mit Rechtsradikalen seid ihr auch dahingehend aktueller denn je. Wie sieht es mit solchen Gruppierungen in eurer Hometown Quedlinburg aus?
Um diese Frage zu beantworten, muss ich etwas ausholen. Die Songs auf „25 Years Strong“ sind zu verstehen als eine Hommage an uns selbst. Das sind alles alte Stücke, die vorher fast alle auf Englisch geschrieben und nun auf Deutsch neu eingespielt wurden. Deswegen klingt manches vielleicht noch etwas hölzern. Der Song, über den du sprichst, stammt von unserer Platte „10 Years Of Fun“. Zurück zum Thema: Ja, das rechte Lager ist hier ganz gut vertreten. Nicht nur in Quedlinburg, sondern im ganzen Harz. Nazis sind hier seit Anfang der Neunziger aktiv und, leider, auch gut vernetzt. Die schlimmsten Zeiten bei uns sind – zum Glück – aber vorbei. Stellenweise konnten wir damals abends nicht alleine nach Hause gehen, ohne zusammengeschlagen zu werden. Solche Aktionen sind heute sehr selten geworden. Das heißt natürlich nicht, dass es keine Gewalt mehr gibt. Durch die AfD, die auch bei uns im Landtag vertreten ist, wird das rechte Gedankengut wieder stärker in die Mitte der Gesellschaft getragen und salonfähig gemacht. Menschen, die sich dagegenstellen, werden als „Gutmenschen“ bezeichnet oder als Antifaschisten an den Pranger gestellt. Das hatten wir alles schon einmal. Und diese sechs Jahre in unserer Geschichte als Vogelschiss zu bezeichnen, ist schon sehr dumm. Ich hoffe, dass die nächsten Landtagswahlen besser ausgehen werden. Aber seit diesem Jahr ist Sachsen-Anhalt ein antifaschistisches Land, das wurde als Staatsziel in der Verfassung verankert. Ein guter Anfang, wie ich denke. Und wir als Band haben Faschismus und Rassismus schon immer angeprangert und uns dagegengestellt.

Der Song „Kopfsalat“ startet mit den Worten: „Auf der Suche nach ’nem Sinn“. Diesen kann man bei euch insofern finden, als dass ihr immer wieder Benefizveranstaltungen organisiert.
Unsere Release-Partys sind immer Benefizveranstaltungen. Wir selber nehmen da nie Gage und ein Teil der Einnahmen geht an verschiedene Einrichtungen oder Organisationen. Letztens hat die Gedenkstätte vom KZ Langenstein-Zwieberge davon profitiert. Der Verein dort hat eine Aktion namens „Noten für Namen“. Da wird bei Musik- und Kunstveranstaltungen Geld gesammelt, das dann für Namensschilder für die Massengräber verwendet wird, damit die Leute, die dort begraben wurden, nicht anonym bleiben und ihre Identität wieder bekommen. Außerdem sind wir auch noch Pate der Initiative „Schule mit Courage, Schule ohne Rassismus“ bei uns im Nachbarort.

In „Media Hype“ singst du: „Folgt nicht jedem Scheiß und schaltet endlich ab“. Trotzdem seid ihr auf den bekannten Social-Media-Kanälen zu finden. Wie passt das zusammen?
Ja, da hast du recht. Wie passt das zusammen? Ich finde ja, wenn man das alles ausgewogen nutzt, ist das schon in Ordnung. Als Band heutzutage ist das natürlich eine klasse Sache, schnell in Kontakt zu kommen, so wie bei uns beiden gerade. Sicher hängt man manchmal viel zu viel an seinem Handy oder Computer, da nehme ich mich gar nicht aus, vor allem bei meinem Tattoostudio laufen viele Sachen über Social Media. Aber sein Leben sollte man nicht an Likes bei Facebook oder Instagram oder wie sie alle heißen ausrichten. Unsere Likes oder Dislikes holen wir uns im realen Leben. Es ist, glaube ich, auch viel spannender, mit jemandem persönlich zu reden oder zu diskutieren, da hat man dann auch Emotionen. Ansonsten geht’s in dem Song um Leute, die für Geld oder ihre 15 Minuten Ruhm jeden Scheiß im Fernsehen oder eben auf den Social-Media-Seiten mitmachen würden. Uns werden jeden Tag so viele schreckliche Sachen gezeigt, so viele Meinungen eingetrichtert, dass man gar nicht mehr weiß, was man glauben soll. Deswegen einfach mal abschalten und in die Natur gehen, sich mit Freunden treffen und Spaß haben.

Bei diesem Song singt Mike von PUNISHABLE ACT mit. Wie kam es zur Zusammenarbeit und wen habt ihr noch auf dem Album zu Gast?
Mit PUNISHABLE ACT verbindet uns eine lange Freundschaft und die sind nach uns die netteste Band im Hardcore-Punk-Zirkus, hahaha. Und da lag es nah, dass wir Mike fragen, ob er Lust hat, bei einem Song mitzusingen. Ansonsten ist noch Aggi aus Rostock dabei, früher bei CRUSHING CASPARS und TRICKY LOBSTERS. Er singt mit bei „Für immer“.

Am Anfang von „Tod regiert unsere Menschheit permanent“, abgekürzt „T.R.U.M.P.“ machst du mit „Einreise nicht für dich“ sofort klar, dass er eine „persona non grata“ darstellt. Oder ist das anders zu verstehen?
Ja, genau darum geht es. Unsere „zivilisierten“ Gesellschaften zerstören Länder, beuten diese aus und fragen sich dann, warum so viele Leute flüchten. Unser Wohlstand ist auf dem Rücken dieser Menschen aufgebaut. Und dann sehen manche dieser wohlgenährten Menschen ihren Wohlstand bedroht. Das macht mich sehr traurig, da vor dreißig Jahren auch Landsleute von mir aus wirtschaftlichen Gründen in den anderen Teil Deutschlands geflüchtet sind. Das ist in meinen Augen nichts anderes. Dass die Leute im Osten sich besonders bedroht fühlen, kann ich nicht nachvollziehen. Ich versuche in unseren Songs immer auf solche sozialen und globalen Probleme aufmerksam zu machen. Deswegen schreibe ich mittlerweile sehr viele Texte auf Deutsch, damit es auch verstanden wird.

Die Zeile „Denke, morgen ist auch noch ein Tag“ aus „Mit dem Kopf durch die Wand“ könnte gut als Appell in den Corona-Zeiten durchgehen. Was habt ihr während des Lockdowns gemacht und wie hat das Virus euch als Band behindert beziehungsweise eingeschränkt?
Die größte Einschränkung ist natürlich, dass wir nicht live spielen können. In dieser Beziehung ist man zum Nichtstun verdammt. Ansonsten sind wir gerade dabei, neue Songs zu schreiben für unsere nächste Platte, die wir zu unserem nächsten Jubiläum im Jahr 2023 rausbringen werden. Zwischendurch kommt vielleicht noch eine 7“. Außerdem werden wir bald ein neues Video zu einem brandneuen Song veröffentlichen. Es wird uns also nicht langweilig. Aber wir lassen uns überraschen.