In dieser Rubrik befragen wir Menschen aus der Szene zu ihrer Nutzung von (nicht nur) sozialen Medien. Die bestimmen unser aller Leben, aber es wird erstaunlich wenig darüber geredet, wer was wie nutzt. Diesmal beantwortete Ingo von den DONOTS unsere Fragen.
Bitte verrate uns, welche Social-Media-Plattformen du privat und geschäftlich nutzt, in welchem täglichen zeitlichen Umfang, und warum diese und warum jene kaum oder nicht.
Ich glaube, ich bin ganz grundsätzlich viel zu oft und lang und quasi mit Standleitung im Netz. Wenn du dein eigenes Label betreibst, ist irgendwie nie so ganz Feierabend und man denkt eigentlich immer: Ach komm, die zwei Mails kannste noch beantworten. Oder halt: Ey, eigentlich müssten wir noch ein Posting zu dieser oder jener Veröffentlichung machen und aktuellen Kram anschieben, auf Festival XY hinweisen, gute Kampagnen supporten oder Touren ankündigen. Ergo: Natürlich verbringen wir mit den DONOTS und unserem Label Solitary Man Records die meiste Zeit auf den klassischen Social-Media-Plattformen – und die sind natürlich auch immer ein Barometer für das, was wie läuft, und eine gute Art, sich über andere Bands, Shows, Zines, gute NGOs oder auch Katzen-Memes zu informieren. Ich vertrödle dann auch gern Zeit damit, befreundeten Künstler:innen irgendwelchen Quatsch in deren Timeline zu posten oder Kontakte zu pflegen. Aber was man wirklich, glaube ich, wertfrei sagen muss, ist, dass wir DONOTS sehr schnell und ich glaube echt ganz gut darin sind, das Netz positiv für uns zu nutzen – und die Leute draußen sehr nah, absolut ehrlich und unprätentiös up to date zu halten und für das, was wir tun, zu begeistern. Und das muss eben nicht dicke Hose oder teuer sein. Als Band und Label sollte man wirklich so viel wie möglich DIY tun: Man weiß schließlich immer noch am allerbesten, wie man präsentiert und/oder repräsentiert werden möchte. Es gibt kaum was Schlimmeres als Seiten, die danach riechen, dass jemand eine Agentur engagiert hat, um Content zu generieren. Da ist sogar der Weltspartag noch spannender am Ende.
Welche Quellen nutzt du, um dich musikalisch zu informieren?
Bei musikbezogenen Themen interessieren mich vor allem die klassischen Punk-Portale von hier, aber auch weltweit. Brooklyn Vegan, Punknews.org etc. machen mich da ebenso glücklich wie das Ox, Visions, Plastic Bomb – da schwingt dann immer wunderbar viel Nostalgie mit, weil ich damals neben den besagten Zines oder so Sachen wie Trust, Hullabaloo, Blurr und Co. auch immer Flipside oder Maximum Rocknroll gelesen habe. Aber das ist für mich alles trotzdem mehr als nur Western von gestern: Über die ganzen Portale, klein wie groß, bleibt man eben auch up to date, kriegt neue Bands mit, weiß, was die alten Helden so treiben, wer wann auf Tour kommt und so. Egal, wo ich bin, höre ich immer Musik: Auf Tour, beim Joggen, beim Einkaufen, beim Gassi gehen – einfach immer. Meistens streame ich dann via Spotify – und ja, oft sind’s dann doch all die Platten, die man schon seit Jahren in Dauerschleife hört –, weil’s eben einfach und bequem ist. Hin und wieder lasse ich mir aber auch mal Playlists oder neue Bands vorschlagen und klicke mich durch die klassische Empfehlung: „Könnte dir auch gefallen ...“ Tja, und hin und wieder gibt’s das dann ja auch noch, dass gewisse Alben nicht auf den Streaming-Portalen zu finden sind. Und dann freue ich mich immer, wenn jemand diese illegal bei YouTube in Gänze hochgeladen hat, haha ...
... und welche für politische und gesellschaftliche Themen?
Egal, was ich im Netz tue: Ich versuche immer, möglichst mehrere Quellen zu egal welchem Thema zu lesen, um ein transparentes Bild zu bekommen. Quellen zu checken, macht politisch natürlich absoluten Sinn – und eben auch verschiedene Seiten zu hören. Wenn ich was Spannendes oder Brandaktuelles auf Spiegel-Online, beispielsweise zur US-Wahl, lese, dann will ich natürlich auch ein Gefühl dafür bekommen, wie in den Staaten darüber berichtet wird, gut wie schlecht – von CNN oder New York Times über irgendwelche Punk-Sources bis hin zu fürchterlichen Plattformen wie FOX News ist es dann aufklärend bis erschütternd, wie da was in der Berichterstattung eingefärbt ist. Um sich dann zwischendurch mal wieder zu erden bei all der Gesamtscheiße, hilft dann eine gute Schippe Zynismus via Titanic Magazin oder The Hard Times. Sonst dreht man irgendwann echt durch ...
Und wie sieht es mit Printmedien aus?
Ich habe früher weit mehr Printmedien daheim gehabt. Das hat sich wirklich, wie für die meisten Leute da draußen, in Richtung Netz bei mir gewandelt. Ich mag’s immer noch, wenn mir Printzines in die Hände fallen oder ich zum Beispiel euer tolles Zine im Briefkasten habe. Zu Printmedien zähle ich aber in gewisser Weise auch Booklets von Alben. Lyrics und Linernotes lese ich wirklich immer noch wahnsinnig gern in Ruhe und eben mit dieser schönen Oldschool-Haptik.
Welches Nutzungsverhalten hast du bei dir selbst beobachtet über die Jahre?
Ich bemerke hin und wieder, dass ich mich auf den Social-Media-Plattformen zu sehr berieseln lasse und verliere dadurch ein wenig den Fokus für das, was ich eigentlich manchmal tun oder erledigen sollte. Aber hey: Eine gute Meme-Page ist eine gute Meme-Page, haha! Ansonsten gilt wahrscheinlich: zu oft, zu viel ...
Deine Prognose: Wohin geht die Reise in Sachen Informationsquellen?
Das ist eine gute Frage. Allerdings beunruhigt mich sehr, dass mittlerweile die Überschriften so viel wichtiger geworden sind als die Inhalte. Ich glaube, das ist eine ungute Strömung, weil Leute so viel zu schnell unreflektiert und wahrscheinlich nur halb informiert oder komplett falsch informiert einfach schlucken, was sie da (über)lesen. Das macht es, glaube ich, auf Dauer den wirklich gut recherchierenden Seiten schwer, gegen die tendenziöse oder clickbaitende Yellow-Press-Berichterstattung anzukommen. Und das wiederum hilft den Faschos, den Rückwärtsgewandten, den Konservativen, den Angstmachern da draußen. Es bleibt dabei: Knowledge is a weapon. Arm yourself!
Zum Schluss: Wo vertrödelst du gerne deine Onlinezeit ganz sinnfrei und rein zum Spaß?
Ich bin für immer absoluter Musiknerd und Core-Gamer. Daher geht neben den Quatsch-Memes viel Zeit bei mir für YouTube drauf, wo ich zum Beispiel nach Mitschnitten alter Shows suche, auf denen ich mal war. Neulich habe ich das AT THE DRIVE-IN-Konzert damals in der Kornstraße in Hannover wiedergefunden, das zu den Top-Ten-Shows aller Zeiten bei mir gehört. Und ansonsten schaue ich mir viele aktuelle Game-Trailer an, Rankings der besten Videospiele, auch auf Metacritic, oder wirklich komplette Walkthroughs von alten C64-Klassiker-Games. Bei 8Bit-Gebritzel kann ich ganz hervorragend relaxen.