INGESTED

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Klangreisen

INGESTED stehen seit Jahren für guten Death Metal. Diesen Status untermauern die drei Briten mit ihrem neuen Album „The Tide Of Death And Fractured Dreams“ einmal mehr. Wir sprechen mit dem super aufgelegten Fronter Jason Evans über das siebte Album der Band.

Jason, ich war überrascht, dass es schon wieder ein neues Album von euch gibt. Wie alt ist das Material?

Wir arbeiten normalerweise ein Jahr im Voraus. Nur vier Wochen nach der Veröffentlichung von „Ashes Lie Still“ im Dezember 2022, gingen wir für das neue Album ins Studio. Wir haben also über ein Jahr daran gearbeitet. Dadurch hatten wir auch ein ganzes Jahr Zeit, uns um das ganze Drumherum zu kümmern. Die Videos, das Artwork, Merch, wie das Album visuell umgesetzt werden soll. Wir konnten uns Zeit lassen und mussten nicht wie kopflose Hühner durch die Gegend rennen.

Ich habe gelesen, dass ihr für dieses Album auf die die besten Song-Skelette, die ihr zu diesem Zeitpunkt parat hattet, zurückgegriffen habt. Wie muss man sich das vorstellen?
Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass ein Album einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben muss. Genau wie ein Film oder ein Buch. Es muss eine Geschichte erzählen. Natürlich könnten wir auch einfach alle Banger auf eine Platte packen. Aber dann ist das Werk unvollständig, eine Sammlung von Songs ist kein Album. Uns geht es um die Reise, die Höhen und Tiefen. Deshalb brauchen wir oft Monate, um die richtige Reihenfolge zu finden. Wir haben immer einen Haufen unfertiger Songs herumliegen. Wenn dann ein Album ansteht, versuchen wir die auszuwählen, die am besten zusammenpassen. Sie müssen nicht unbedingt einen Handlungsstrang ergeben, nur miteinander harmonieren.

Hat sich diese Herangehensweise im Laufe der Jahre verändert? Vor allem eure ersten Releases entsprachen nicht wirklich dem, was du mir gerade als eure Vorstellung von einem richtigen Album beschrieben hast.
Das ist richtig. Am Anfang waren wir einfach kompromisslos. Aber das war Absicht. Wir wollten am kompromisslosesten, brutalsten und schnellsten sein. Aber mit der Zeit sind wir als Menschen und Musiker gewachsen. Wir haben gelernt, dass man auch mal den Fuß vom Gaspedal nehmen muss. Manchmal ist weniger doch mehr. Wenn man danach wieder Gas gibt, ist der Effekt umso größer. Genau diese Reise wollen wir jetzt darstellen. Aber wer weiß, vielleicht wollen wir in ein paar Jahren wieder die ganze Zeit auf dem Gaspedal stehen. Das liegt immer an uns. Für uns geht es in erster Linie darum, die Musik zu machen, auf die wir gerade Lust haben. Wenn sie dann gleichzeitig noch jemand anderem gefällt, super. Wenn nicht, auch okay.

Was ist aktuell deine Rolle beim Songwriting?
Sean und ich teilen uns das Schreiben der Texte. Es hängt immer davon ab, wer eine Idee zu einem Lied hat. Manchmal arbeiten wir auch gemeinsam an einem Text, wenn wir beide Einfälle zu einem Song haben. Meine Rolle beschränkt sich auch auf die Lyrics und Vocal Patterns. Ich kann weder Gitarre noch Schlagzeug spielen, ich kann also diesbezüglich nicht weiterhelfen, haha. Ich entwickle die Gesangsideen und je nachdem müssen die Schlagzeugarrangements dann vielleicht noch mal angepasst werden.

Sprechen wir über den Gesang, denn der wird über die letzten Alben gesehen immer dominanter – und ich meine nicht die Growls oder Shouts. Gerade bei dem letzten Track ist Seans Stimme wirklich sehr dominant. Würde man euch etwas Böses wollen, könnte man fast von einer Halbballade sprechen.
Schon auf „Ashes Lies Still“ haben wir mit semi-klaren Vocals experimentiert. Aber mein Gesang ist etwas rauer. Er erinnert vielleicht ein bisschen an Kirk Weinstein von CROWBAR. „Shadows in time“ ist ein gutes Beispiel dafür. Für dieses Album hatte Sean ein Demo für den letzten Track geschrieben. Aber er fand, dass es ein bisschen „out there“ war. Also nahm er die Idee auf und schickte uns das Demo. Wir hatten ihn noch nie zuvor singen gehört. Er ahnte nicht einmal, dass sein Gesang so gut ist. Er hat uns wirklich 18 Jahre lang nicht verraten, dass er singen kann. Lyn und ich waren uns schnell einig, dass er diese Passagen auch in der endgültigen Fassung singen sollte. Hätte ich die übernommen, hätte das die ganze Tonalität des Songs verändert. Eines Tages schlich er sich ins Studio, als wir gerade beim Abendessen waren, und nahm heimlich seine Spuren auf. Er wollte nicht, dass wir ihn dabei beobachten, haha. Und es klingt einfach fantastisch und anders als alles, was wir bisher gemacht haben.

Was mir auch super gefällt, ist die Tatsache, dass ihr Mark Hunter wieder ausgegraben habt. Gerade „The Impossibility Of Reason“ war ein super wichtiges Album für mich.
Eines der besten Alben überhaupt. Es ist so perfekt, weil es den Hörer auf eine Reise mitnimmt. CHIMAIRA waren für Sean und mich immer eine besondere Band und hatten einen großen Einfluss auf uns als Jugendliche. Aber wir hatten bisher nie Kontakt zu ihnen. Als wir „The Tide Of Death And Fractured Dreams“ aufnahmen, war Sean eines Tages am Telefon und sprang plötzlich auf. Mark Hunter hatte gerade etwas über uns oder einen Song, den wir veröffentlicht hatten, geschrieben. Sean hat sich dann bei ihm für das Feedback bedankt. Ein paar Tage später habe ich die Vocals für „In nothingness“ aufgenommen, danach saßen wir zusammen und hatten alle das Gefühl, dass etwas fehlt. Ich meinte dann, dass wir Mark Hunter fragen sollten. Er kann höchstens nein sagen. Also versuchten wir es und ein paar Tage später hatten wir seine Tracks. Ganz im CHIMAIRA-Stil, mit den Cleans und der aggressiven Stimme. Wir waren total aus dem Häuschen!