THE ICE sind eigentlich keine Neulinge in der deutschen Hardcore-Szene, haben aber – wenn man die Vinylversion des zweiten Demos nicht mitzählt – erst Ende 2009 ihre Debütplatte veröffentlicht. Und diese hat wahrscheinlich einige überrascht, da hier neben Hardcore der New Yorker Schule, welcher auf dem Demo noch maßgeblicher Einfluss war, eine deutlichere Rock-Kante zu hören ist. Zeit also, sich Gitarrist Michael, ehemals unter anderem Basser bei CHEAP THRILLS, mal vorzuknöpfen und nachzuhorchen, was man nach dieser Weiterentwicklung von den Jungs noch zu erwarten hat.
Warum hat es vom zweiten Demo bis zu einer 7-Song-Platte drei Jahre gebraucht?
Du hast vollkommen Recht, mit der neuen EP haben wir uns in der Tat recht viel Zeit gelassen. Das hatte mehrere Gründe: Erstens gab es eine Reihe von Line-up-Wechseln in der Band, zweitens haben wir recht ausgedehnte Prerecording-Sessions gemacht und drittens haben wir wirklich versucht, auf viele Details acht zu geben. besonders bei der abschließenden Arbeit im Studio.
Und die CD ist jetzt auf Countdown, einem italienischen Label. Wie kam das?
Eigentlich lief alles ziemlich normal ab. Wir haben die Aufnahmen beendet, Promopakete gemacht, Labels angeschrieben, beziehungsweise sind wir von Labels angesprochen worden, haben die Deals gegeneinander abgewogen und uns für Luca entschieden. Er war der Einzige, der den Mut hatte. ein Digipak zu produzieren und noch einiges mehr an Goodies wie Poster, Flyer, Postkarten oder Shirts. Der Vertrieb von Countdown Records ist zudem sehr ansehnlich. Also sind wir jetzt quasi alle so halbe Mafiosi.
Wie wichtig war euch das Layout dabei? Und welche Rolle haben Drogen bei der Auswahl gespielt?
Haha, zuerst einmal möchte ich sagen, dass unser Layoutkonzept eine Menge Staub aufgewirbelt hat. Du bist nicht der Erste, der uns darauf anspricht. Das Layout war uns sehr wichtig, da wir bei dieser EP, wie auch bei allen Sachen, die wir vorher gemacht haben, darauf geachtet haben, dass das Produkt am Ende ganzheitlich stimmig wirkt. Von daher gab es bereits zu Beginn der Arbeit an der EP einige Gespräche zum Konzept der ganzen Sache inklusive des Layouts. Dabei wurden natürlich, wie bei allen Bandmeetings, eine Menge halluzinogener Drogen konsumiert ...
Apropos Drogen, du bist ja der Einzige in der Band, der Straight Edge ist. Wie findest du da die Entwicklung, dass immer mehr Leute droppen?
Ich finde das ganz gut. Weed out the weak! Und ich kann dann von den Leuten günstig Straight-Edge-Memorabilia, Platten und so abgreifen, haha. Aber im Ernst, das sollte jeder machen, wie er meint. Ich sehe das mit mittlerweile 32 Jahren etwas entspannter als die Jüngeren, glaube ich.
Auch wenn THE ICE keine Vollzeit-Band ist, wie siehst du die Entwicklung, dass immer mehr Großkonzerne versuchen, im Punk/Hardcore-Bereich Fuß zu fassen, und die Bands da mitspielen, um in Zeiten schrumpfender Verkaufszahlen bestehen zu können?
Also grundsätzlich sollte man bei solchen Sachen versuchen, so objektiv wie möglich an die Sache ranzugehen. Große Firmen bedeuten große Budgets, also besser organisierte Events. Aber darunter leidet natürlich auch der Spirit beziehungsweise die Grundidee des D.I.Y. in der Szene. Als Musiker darf ich sicherlich sagen, dass es nett ist, auf einer Show zu spielen, auf der eine super PA steht, der Bühnensound stimmt, die Organisation gut geplant ist und es eine Menge leckerer Sachen backstage gibt. Dies ist auf größeren Events wie den angesprochenen schon häufiger der Fall. Als Hardcore-Kid denke ich aber: warum soll ich so viel Kohle für ein Konzert zahlen, wo dann Barrieren vor der Bühne stehen und sowieso immer dieselben vier Ami-Bands rübergeholt werden. Aber zu Modelabels wie Vans zum Beispiel, die Bands sponsern haben wir mit THE ICE ohnehin ein gespaltenes Verhältnis, da wir gewissermaßen gebrannte Kinder sind. Wir wurden vor einer Weile von einer Modefirma aus Düsseldorf angesprochen, zwecks einer Zusammenarbeit. Ich möchte keinen Namen nennen an dieser Stelle, aber die Marke positioniert sich im Skate/Streetstyle-Bereich. Nun ja, nachdem uns eine Zusammenarbeit in Aussicht gestellt worden war, kam heraus, dass es der Marke nur darum ging, sich selbst durch die Band ein Image beziehungsweise einen gewissen Ruf anzueignen. Es ging ihnen also nicht um eine Förderung der Band an sich. Davon haben wir uns dann distanziert! Wenn es um ein Sponsoring der Band und ihrer Musik an sich ginge, okay. Wenn es darum geht, sich der Band zu bedienen, dann hat das nichts mehr mit Hardcore zu tun, sondern hieße Sellout.
Apropos Sellout: ihr seid als Band ja nie wahnsinnig aktiv gewesen, wart nie auf Tour. Wollt ihr das demnächst mal ändern, oder hält euch das Berufs- respektive Studentenleben davon ab?
Das stimmt, wir haben eher eine geringe Anzahl an Shows gespielt, dafür dass es uns bereits eine Weile gibt. Das liegt nicht nur daran, dass wir die bereits angesprochenen Line-up-Wechsel zu verarbeiten hatten, sondern auch daran, dass wir von Anfang an wussten, dass diese Band eher ein Objekt der Qualität anstatt der Quantität werden sollte. Also weniger, aber dafür mehr hochkarätige Shows, wenn du verstehst, was ich meine. Und da ich mit CHEAP THRILLS seinerzeit noch öfter unterwegs war, ging es bis zum Ende von CHEAP THRILLS ohnehin nicht, zwei tourende Bands hätten bei mir zeitlich nicht hingehauen. Beruf und Studium geht bei uns allen zudem meist vor, sind ja alle um die 30.
Wo du gerade CHEAP THRILLS ansprichst: wieso ist das Ganze zu Ende gegangen, und vermisst du die Zeit nicht manchmal?
Das Ende von CHEAP THRILLS kam ganz unvermeidlich, wenn du mich fragst. Nach zwei EPs und einer 7“, drei Touren und einer Menge Shows waren wir der Ansicht, das volle Potenzial der Band ausgeschöpft zu haben, und bevor wir in die Belanglosigkeit abdriften, wollten wir einfach mit Würde abtreten. Die Zeit mit den Jungs vermisse ich tatsächlich manchmal.
Was steht als Nächstes an bei euch?
Wir haben ja mit Street Survival Records aus Wolfsburg für unsere Gatefold-12“-Version der EP zusammengearbeitet. Und bei Timo von SSR planen wir jetzt eine 7“, für die bereits einiges an Material auf Band ist. Die wird recht unkonventionell, es geht etwas ruhiger zu, vielleicht könnte man schon fast von einer Ballade sprechen, das wird eher was für Neunziger-Jahre-Fans werden. Außerdem stehen einige Konzerte zum Sommer hin an. Unter anderem die Show des Jahres, wie ich finde: BREAKDOWN, MAXIMUM PENALTY und ALL OUT WAR. Was für ein Line-up – und wir sind mit dabei. Für uns ein echter Hammer.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #91 August/September 2010 und Fabian Dünkelmann