I WALK THE LINE

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Konstante Veränderung im hohen Norden

Das kühle Klima hoch im Norden des europäischen Kontinentes hat schon so manche musikalische Perle heranreifen lassen. So auch die Band, die sich nach einem, wenn nicht sogar dem Song des Man in Black, Mr. Johnny Cash, benannt hat: I WALK THE LINE. Und genau, wie es der Name schon andeutet, gehen die vier Jungs und das Mädel aus Finnland konsequent ihren Weg, unbeirrt von jedwedem Trend und gängigen Meinungen. So zeichnen sich ihre Songs durch einen ehrlichen, nicht durch technische Spielereien überfrachteten Klang aus und sind stets von einer melancholischen Grundstimmung geprägt. Dazu Texte aus der Mitte des Lebens und vor allem eine mitreißende Bühnenpräsenz. Mit ihrem aktuellen Longplayer "Desolation Street" und der nachfolgenden Singleauskopplung "Diamond Eyes" hat die Band im letzten Jahr ihre bislang besten Songs veröffentlicht und nach unzähligen Konzerten, vor allem auf dem europäischen Kontinent sicher den einen oder anderen neuen Fan hinzugewonnen. Die Band, bestehend aus Anna (Orgel), Antti (Gitarre), Jussi (Drums), Jani (Gitarre) und Ville (Bass, Vocals), ist also reif für den nächsten Schlag. Und wer sich für Punkrock jenseits ausgetretener Pfade interessiert, sollte sich der Finnen ruhig mal annehmen. Meine Fragen beantwortete Ville, der mehrheitlich für die Texte der Band verantwortlich zeichnet.

Was gibt's Neues im Hause I WALK THE LINE, was erwartet ihr vom Jahr 2007?


Das Jahr 2007 wird für uns als Band sehr aufregend. Gerade haben wir bei Gearhead Records in den Vereinigten Staaten unterzeichnet und sie werden dafür sorgen, dass unser Album "Desolation Street" auch außerhalb von Finnland gut und zu vernünftigen Preisen erhältlich sein wird. Das bedeutet für uns natürlich eine Menge "Tourstress". Gerade sind wir von unserer ersten Tour in Japan zurück und es war wirklich interessant und inspirierend dort zu spielen. Es war für uns als Band das erste Mal und großartig zu sehen, dass die Shows sehr gut besucht waren, die Menge unsere Songs kannte und umwerfend mitgesungen hat. Auch war es toll die japanische Kultur/Szene kennen zu lernen, unterscheidet sie sich doch enorm von der europäischen Kultur. Wir spielen dieses Jahr nur ein paar wenige Shows in unserer Heimat, weil wir so intensiv außerhalb Finnlands unterwegs sind. Im Sommer werden wir dann etliche Festivalauftritte in Finnland haben. In der zweiten Jahreshälfte steht eine Clubtour in Finnland an und wieder mal wird uns der europäische Kontinent gut beschäftigen. Zum Ende des Jahres werden wir dann mit den Aufnahmen zum neuen Album beginnen ... Ich kann also nur sagen, dass dieses Jahr eine ganze Menge ansteht und wir sehr gespannt sind auf die Länder, in denen wir bisher noch nicht gespielt haben, und wir uns natürlich auf viele bezaubernde Auftritte freuen!


Ihr bevorzugt analoges Equipment für eure Aufnahmen, um einen authentischen Sound zu kreieren. Wie seht ihr die Zukunft der analogen Technik im Zuge der enormen Geschwindigkeit, mit der sich die digitalen Aufnahmetechniken entwickeln und die vieles einfacher erscheinen lassen?

Wir haben unsere Songs, als auch die Sachen mit unseren anderen Bands, stets mit analogem Equipment aufgenommen. Wir lieben einfach den Sound von alten Röhrenverstärkern und Aufnahmegeräten. Die Verstärker und Mikrofone, die wir für das "Desolation Street"-Album benutzt haben, sind überwiegend aus den 1970/80er Jahren, das Älteste war sogar von 1950 und aus Pappe hergestellt! Es ist jedenfalls schwieriger und langwieriger, auf diese Art und Weise aufzunehmen, gibt aber dem Sound mehr Seele und Herz und es ist vor allem ehrlicher, weil es dadurch keine Overdubs gibt. Zum Beispiel ist das Schlagzeug, das auf dem Album zu hören ist, genauso eingespielt und die fehlenden Schläge nicht mit Pro-Tools korrigiert, wie es normalerweise von den meisten Bands gemacht wird. Wir lieben es live zu spielen und ich denke, dass du durch analoges Equipment das Live-Gefühl auch eher auf Tonträgern konservieren kannst. Es gibt ein Problem mit digitaler Aufnahmetechnik, und zwar, dass es dadurch sehr nüchtern und auf gewisse Weise zu perfekt klingt. Das Leben ist aber nicht perfekt und smooth und wir wollen, dass unser Sound auch unser Leben reflektiert, welches voller Risse und Fehlentscheidungen ist.


Welche Rolle spielt für euch das Thema Vinyl?

Ich muss anmerken, dass ich auch einige Sachen aus dem Netz herunterlade, es ist aber einfacher dort neue Bands zu entdecken und an schwer erhältlichen Stoff zu kommen. Ich persönlich bevorzuge aber Vinyl, und wenn ich Musik kaufe, dann ist es auch Vinyl. Wir haben von unseren Aufnahmen stets auch Vinylversionen veröffentlicht. Aus finanzieller Sicht ist es heutzutage natürlich eine "dumme Idee", aber es ist einfach so cool und wir bevorzugen auch ein gut aussehendes Artwork und in diesem Falle eignet sich Vinyl einfach wesentlich besser als CDs.


Welche finnischen Bands liegen euch im Moment am Herzen und verdienen Erwähnung? Welcher Sound ist, fernab vom belanglosen Emo- und Metalcore-Einerlei, momentan angesagt im hohen Norden?

Finnland ist voll von guten Bands im Moment, und Punk-Konzerte sind wirklich sehr angesagt. Eine meiner aktuellen Lieblings-Punkbands sind THE HEARTBURNS, welche schmierigen Punkrock Marke DEAD BOYS und THE GERMS spielen. Auch sehr gut ist eine neue Hardcore-Band namens LIGHTHOUSE PROJECT, die innovativen Oldschool-Hardcore spielen. Dann gibt es mit SWEATMASTER eine großartige Garagepunk-Band, mit der wir gerade aufgetreten sind, und ich kann es kaum erwarten, ihr neues Album in den Händen zu halten. Die meisten Leute denken, dass aus Finnland immer nur diese unsäglichen Metal-Bands kommen, wir haben hier aber eine ganze Menge an unterschiedlichsten Bands aus dem Alternative-Bereich. Das Gute ist vor allem die große Vielfältigkeit der Szene. Da gibt es Ska, Punkrock, Indierock, Emo-Punk sowie Old- und Newschool-Hardcore-Bands und das Geniale an der relativ kleinen Szene hier in Finnland ist, dass du möglicherweise all diese verschiedenen Bands auf ein und demselben Konzert erleben kannst.


Was sind eure größten aktuellen Einflüsse oder versucht ihr das bewusste "Importieren" gewisser Stilelemente zu vermeiden?

Meiner Meinung nach hat Punkrock schon immer bedeutet, seinen eigenen Weg zu gehen, sein eigenes Ding zu machen und sich nicht anderen anzubiedern oder diese gar zu kopieren. Ich muss dazu sagen, dass es sich für uns wie das freiwillige Einsperren in einem Käfig anfühlen würde, wenn wir immer und immer wieder aufs Neue das gleiche Lied spielen würden. Natürlich nehmen wir eine ganze Menge von Einflüssen durch andere Bands in unserem Sound auf, aber die Auswahl ist dabei schier unerschöpflich. Ich werde von allem beeinflusst, was ich höre, von 1950er Jahre-Rock'n'Roll zu Soul, dunklem Pop über Punk/Hardcore, was auch immer, aber wir saugen einfach alles auf, so dass unser Sound letztendlich weder nach der einen noch der anderen bestimmten Band klingt. Ich denke, es geschieht heutzutage einfach sehr oft, dass Bands auf Nummer sicher gehen und das Risiko scheuen, nur um keine Fans oder etwa ihre Integrität zu verlieren. Ich mache mir keine großen Gedanken darüber, was bestimmte Leuten denken und sagen. Es sollten doch Überraschungsmomente und vor allem eine gewisse Spannung auf jedem Tonträger geboten werden. Das Leben ist voller Veränderungen, Menschen ändern sich und wir wollen mit unserer Musik diese Veränderungen so gut wie eben möglich reflektieren. Ich will einfach die Musik spielen, die mir den nötigen Kick gibt, und ich hoffe, irgendjemand da draußen kann dies ebenso nachvollziehen.


Gibt es einen bandbezogenen Traum, außer natürlich der von finanzieller und kreativer Unabhängigkeit?

Alle Länder zu sehen, in denen wir bisher noch nicht waren! Das Touren ist großartig, vor allem wenn du neue Orte sehen und coole neue Menschen, überall auf der Welt kennen lernen kannst. Selbst wenn du nicht die gleiche Sprache sprichst, gibt es immer Gemeinsamkeiten und wir finden immer einen Weg miteinander klarzukommen.


Der Alltag ist oft nicht leicht und vor allem weit weniger glorreich, als in der Szene dargestellt. Welche Botschaft liegt euch diesbezüglich am Herzen und welche Motivation zieht ihr aus eurer Musik?

Das "normale" Leben ist gewöhnlich weit, weit weg vom Glamour. Zum Beispiel bist du auf Tour des Öfteren schlapp, deprimiert und todmüde, aber die eine Stunde, in der du stets einhundert Prozent gibst, ist das alles wert. Vor allem, wenn das Publikum voll mit dabei ist und dir einiges an positiven Reaktionen zurückgibt, vergisst du alles andere! In unseren Texten setzen wir uns mit einer Menge von Tiefpunkten des Lebens und der Welt im Allgemeinen auseinander. Es sind manchmal sehr deprimierende Themen, aber sie sind nur die Reflektion der Umstände, die herrschten, als ich die Texte niederschrieb. Selbst wenn es wirklich finster ausschaut, gibt es immer irgendwo ein kleines Licht, das leuchtet, du musst es nur finden! Durch harte Zeiten zu gehen, gibt dir neue Perspektiven vom Leben. Du lernst, welche Dinge du zu schätzen hast, und auf Dinge, die dir scheinbar fehlen, zu verzichten. Ich schätze sehr, dass ich in dieser Band sein, Musik spielen und mich ausdrücken kann! Es gibt mir schier endlose Energie und Kraft weiterzumachen.