Auf HUNX & HIS PUNX bin ich vor kurzem durch zielloses Surfen im Internet gestoßen und hatte danach für mehrere Wochen einen Ohrwurm. Wenn einer es versteht, supercheesige Refrains mit LoFi-Garage zu vereinen, dann ist es Hunx aus San Francisco. Die Texte haben zwar nicht den großen politischen Anspruch, dafür geht es aber um mindestens genauso wichtige Dinge – wie gutes Küssen, zurückgewiesene Liebe oder das Beziehungskriterium Nummer eins, den Musikgeschmack: „What the hell is wrong with you / I think you sniffed too much glue / You don’t like rock’n’roll / And I don’t like you“. Das Interview wurde per Datenautobahn geführt mit Sänger und Mastermind Seth aka Hunx.
Ihr habt gerade in New York gespielt. Wie war’s?
Crazy! Wir haben in einer illegalen Karaoke-Bar in Chinatown gespielt, dann eine Show fürs Butt Magazine und eine in Brooklyn. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern, aber ich glaube, ich habe mich ausgezogen. Ich habe aber definitiv ziemlich viele Foto-Shootings gemacht und Interviews gegeben, das war schon fast Paparazzi-mäßig.
Hast du noch ein paar witzige Tour-Anekdoten parat?
Neulich bei einer Show in Seattle hat NOBUNNY mich angepinkelt und ich habe mit der gesamten ersten Reihe rumgemacht. Zwei Tage später hatte ich eine üble Halsentzündung.
Wer spielt sonst noch in deiner Band?
Das wechselt immer. Zur Zeit besteht sie aus einem Haufen heißer, haariger Männer wie Justin, Ian, Will, David – und Erin Emslie an den Drums. Sie ist eine fantastische Modedesignerin und hat auch bei den BARE WIRES und den TIME FLYS gespielt. Vielleicht gründen wir demnächst mal eine All-Girl-Band.
Was treibst du sonst so außer der Musik?
Ich male Bilder von Prominenten, gehe zu schwulen Sexorgien und betreibe einen Frisörsalon-Plattenladen-Secondhand-Shop mit meiner Freundin Tina, siehe: downatlulus.com. Sie spielt außerdem noch in einer Million Bands, wie den BOBBYTEENS, den TRASHWOMEN und so weiter. Sie ist quasi meine Lebensgefährtin, obwohl ich zu schwul bin, um die Sache richtig durchzuziehen, haha!
Hast du vorher auch schon in anderen Bands beziehungsweise Punkbands gespielt?
Ich war Sänger und Gitarrist bei PANTY RAID und einigen anderen. Außerdem bin ich bei GRAVY TRAIN, die ich auch noch als Punkband bezeichnen würde.
Ich dachte, die gibt’s gar nicht mehr ...
Nein, getrennt haben wir uns nicht, nur pausiert. Jetzt arbeiten wir wieder an neuen Songs und werden auch im August in Brooklyn spielen.
Von dir und Jeffrey Novak stammen die neuen Releases auf Jay Reatards Label Shattered Records, das ja eine Weile auf Eis zu liegen schien. Wie kam es zu dem Kontakt und wirst du noch mehr bei ihm rausbringen?
Er hat mir eine Nachricht geschickt: „Hey Hottie! I wanna release one of your singles.“ Da war ich natürlich ziemlich überrascht. Wahrscheinlich machen wir auch noch eine 6-Song-EP auf seinem Label. Auf jeden Fall ist er ein süßer Typ, ich mag ihn echt gerne.
Bis jetzt hast du nur Singles rausgebracht. Wird’s auch irgendwann eine LP geben?
Gegen Ende des Jahres wird es noch eine LP mit allen Singles geben, auf die ich mich wirklich freue. Danach kommt dann die EP, die ich gerade erwähnt habe.
Deine Videos wirken ja relativ professionell, im Vergleich zu Bands auf einem ähnlichen Popularitätslevel. Werden die nur für YouTube/MySpace gemacht oder auch im Fernsehen gesendet?
Ein paar laufen auf Logo, einem schwulen US-Kabelsender. Einer meiner besten Freunde, Justin Kelly, der eines Tages mal ein berühmter Regisseur sein wird, hat sie gedreht.
So gut wie alle Leute in der Punk-Szene sind sich einig, dass Anti-Faschismus/Anti-Rassismus wichtig ist, aber wenn es zu homophobem Verhalten kommt, wird oft nichts unternommen.
Homophobie ist so eine bizarre Einstellung, ich kann’s echt nicht verstehen. Andererseits, ich hasse die meisten Babys und bin also babyfeindlich. Wenn also jemand Schwule hasst ... ich hasse Babys, manche Menschen hassen Gemüse. Jeder hasst irgendwas. Natürlich ist Schwulenfeindlichkeit totaler Mist, denn natürlich sind die meisten Lesben und Schwulen fantastische Menschen. Und die Punk-Szene braucht eindeutig mehr Bands wie zum Beispiel LIMP WRIST.
Wie ist es zur Zeit, in den USA schwul zu sein? Gibt es immer noch große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten?
Klar gibt’s immer noch hier und da zurückgebliebene Arschlöcher, aber in fast allen größeren Städten ist es vollkommen normal. Vor kurzem war ich in Portugal, da waren die Schwulenbars in Kellern ohne Schilder an der Tür und man musste erst klingeln, um reinzukommen. Was soll der Scheiß? Wir sind doch nicht mehr in den Zwanzigern!
Denkst du, Obama wird da etwas verändern?
Ich hoffe doch. Auch wenn ich denke, es könnte hier bedeutend schlimmer sein. Ich finde ja heiraten eher gruselig als schön, aber wer auch immer heiraten will, sollte das auch tun können.
Was hörst du so zur Zeit? Hast du ein paar Tips?
Also, was San Francisco angeht, ich liebe SHANNON AND THE CLAMS, BRILLIANT COLORS, HOT TUB, PRIMATIVAS, BRIDEZ, NOBUNNY ... Ansonsten höre ich oft Jay Reatard, CSS, MIKA MIKO, SSION, VIVIAN GIRLS, LIMP WRIST. Was alte Sachen angeht: LIO, Plastic Bertrand, THE RONETTES, TEENAGE HEAD, GERMS, HOLE und OHIO EXPRESS.
Und die wichtigste Frage zum Schluss, kommst du demnächst mal auf Tour nach Europa?
Unbedingt!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #87 Dezember 2009/Januar 2010 und Finn Quedens
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #95 April/Mai 2011 und Finn Quedens