Vor einiger Zeit hat Hugo Race neben seiner Stammband HUGO RACE & THE TRUE SPIRIT mit neuen Musikern die Formation HUGO RACE & THE FATALISTS ins Leben gerufen. Dass sich der Multi-Instrumentalist ausgiebig mit den Schattenseiten des Lebens beschäftigt, ist bekannt, warum also Fatalismus nicht unmittelbar in den Bandname integrieren? Seine Stimme bewegt sich weiter in einem Korridor zwischen Mark Lanegan (THE SCREAMING TREES, THE GUTTER TWINS) und David Eugen Edwards (WOVEN HAND, 16 HORSEPOWER) und hat noch genug Raum für rauchigen dunklen Blues und Soul. Mit dem italienischen Gitarristen Antonio Gramentieri (SACRI CUORI, DELAVEGA), dem Schlagzeuger Diego Sapignoli (SACRI CUORI), der Violinistin Vicky Brown (LILIUM, CALEXICO) und dem holländischen Bassisten Erik van Loo (WILLARD GRANT CONSPIRACY) hat er neue Wegbegleiter gefunden, die seinen musikalischen Wurzeln folgen. Race, einst Gründungsmitglied von NICK CAVE & THE BAD SEEDS und der australischen Post-Punk-Legende THE WRECKERY (mit denen er 2010 noch einmal als Support von Peter Hooks ganz „eigener“ Version von JOY DIVISION in Australien auf Tour war), ist ein Beschwörer dunkler Soundscapes, die neben Blues, Americana, Ambient auch Psychedelic und Roots-Rock zulassen und oft den Charakter von Soundtracks haben. Neben den FATALISTS ist er zudem mit Chris Eckman (THE WALKABOUTS, Chris & Carla) beim Projekt DIRTMUSIC und mit seiner italienischen Band SEPIATONE aktiv. Dazwischen tourt Hugo Race weltweit, einschließlich des afrikanischen Kontinents, als ob es kein Morgen geben würde. In Berlin fand er Zeit, einige Fragen zu beantworten.
Hugo, du hast den Bandnamen HUGO RACE & THE TRUE SPIRIT in HUGO RACE & THE FATALISTS umgewandelt. Was steckt dahinter?
Das sind zwei grundsätzlich verschiedene Bands mit unterschiedlicher musikalischer Ausrichtung und verschiedenen Musikern, die parallel existieren können. Die FATALISTS sind in der Tat die italienische Instrumental-Band SACRI CUORI. Im Jahr 2011 habe ich ein Soloalbum mit dem Titel „Fatalists“ veröffentlicht, welches ich zusammen mit SACRI CUORI in einem Studio nahe Rimini aufgenommen hatte. Die Aufnahmesessions haben mir die Augen für eine neue stilistische Ausrichtung geöffnet. Das hat viel damit zu tun, welche Bedeutung derartige Kooperationen für mich haben. Gitarrist Antonio Gramentieri war sehr in die Produktion involviert, Schlagzeuger Diego Sapignoli ergänzt den Sound um ganz spezielle elektronische Elemente, und Vicky Brown aus Arizona bringt mit ihrer Geige eine neue Qualität in die Band. In meiner Wahrnehmung war „Fatalists“ ein ziemlich erfolgreiches Album und ist auch wichtig. In der gleichen Konstellation haben wir dann auch das Folgealbum „We Never Had Control“ von 2012 aufgenommen und „Fatalists“ in den Bandnamen aufgenommen, weil es sehr gut unser Zusammengehörigkeitsgefühl dokumentierte. Es ist mir wichtig, dass man den unterschiedlichen Ansatz zu HUGO RACE & THE TRUE SPIRIT erkennt. Die FATALIST sind Hugo Race mit SACRI CUORI. Der Name FATALISTS hebt den Aspekt der existenziellen Leere sehr gut hervor, die oft Basis und Grundlage unserer Musik ist, und reflektiert den philosophischen Subtext unserer Lyrics auf dem letzten Album „We Never Had Control“. Nebenbei finde ich den Namen einfach irgendwie cool, da er auch einen gewisse Atmosphäre beschreibt, die ich meine Heimat nennen möchte. THE TRUE SPIRIT sind meine Brüder aus der Vergangenheit. Nach unseren Alben „53rd State“ und „Live In Wołów Jail“ von 2009 haben wir uns eine lange Auszeit genommen. Wir haben bis dahin 14 Alben eingespielt und sind fast um die ganze Welt getourt. Es war an der Zeit für mich, neue musikalische Wege zu erforschen. Gegenwärtig nehmen THE TRUE SPIRIT aber schon wieder ein Album in Melbourne auf und die Studioarbeit ist am Laufen. An dem Album sind zehn Musiker beteiligt und es wird sehr experimentell und intensiv. THE TRUE SPIRIT waren immer schon eine Band, die sehr wild und unberechenbar ist, und wir werden auch in Zukunft alle fünf bis sechs Jahre ein Album einspielen und auf Tour gehen.
„We Never Had Control“, dein letztes Album mit den FATALISTS, hat mich an „Push The Sky Away“ von NICK CAVE & THE BAD SEEDS erinnert: Sehr kontemplativ, warm und emotional, besonders beim Song „Dopefiend“. Was inspiriert dich beim Songwritting?
Ich habe die Songs während der Zeit geschrieben, als ich mitten in Melbourne gelebt habe. Es war ein langer, fast subtropischer Sommer mit Monsunregen, und einer Freundin von mir ging es zu dieser Zeit sehr schlecht. Während der Aufnahmen zum Album besserte sich ihr Zustand wieder. Das Gefühl aus dieser Phase regte eine Art Tagebuch an, das über das Leben und den Tod reflektiert. Das bildete dann auch die Grundlage für die Songs dieses Albums: Eine bestimmte Zeit, ein bestimmter Ort und Momente, die so etwas wie das universelle Gefühl von Drama, existenziellen Erfahrungen und Leere widerspiegeln. Ich habe die Songs mit in unser Studio nach Italien genommen und die FATALISTS haben alle Songs in nur drei Tagen eingespielt. Die Band versteht meine Gedanken und Intentionen so gut, dass es mir fast Angst macht. Die Chemie zwischen uns stimmt einfach. Ich schreibe die Songs und sie liefern den dazugehörigen Sound. Danach habe ich die Songs in meinem Studio in Melbourne überarbeitet. Die wichtigste Inspiration ist das Leben an sich, der Sound ist immer da, in meinem Kopf. Du brauchst nur einen bestimmten Anlass, es in einer Art und Weise zu kommunizieren, die die Leute emotional berührt.
Du hast in der Vergangenheit auch Musik für Filme geschrieben. Mick Harvey hat gerade ein Album veröffentlicht, das zwar kein Soundtrack ist, aber musikalisch gesehen die Qualitäten dazu hat. Hast du Pläne, wieder an Filmmusik zu arbeiten?
Was Filmmusik betrifft, bin ich ab und an in solche Projekte involviert und ich liebe Instrumentalmusik, das kannst du am besten beim meinem Album „Between Hemispheres“ mit THE TRUE SPIRIT von 2009 heraushören. Mit Mick Harvey habe ich gerade Songs eingespielt für das nächste und dritte „Jeffrey Lee Pierce Session“-Album. In diesem Fall haben sie mir gerade einmal ein paar Songtexte von Jeffrey Lee gegeben, die bisher nicht veröffentlicht wurden. Ich habe dann die Musik dazu geschrieben. Es war eine ziemliche Herausforderung für mich, die Musik zu schreiben mit dem Gedanken im Hinterkopf, was Jeffrey wohl dazu gesagt hätte. Das klingt verrückt, es trifft aber den Kern meiner Empfindungen. Ich bin jetzt ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Mick Harvey ist ein exzellenter Schlagzeuger und er hat die notwendige Power in die Songs gebracht.
Du hast auch gerade mit Chris Eckman und DIRTMUSIC ein neues Album eingespielt. Von der italienischen Band SEPIATONE, mit denen du schon länger zusammenarbeitest, ist auch gerade ein Album erschienen. Wie bekommst du das alles unter einen Hut?
Es hält mich in Bewegung und am Leben. Das dritte Album von SEPIATONE ist gerade unter dem Titel „Echoes On“ auf dem Label Interbang erschienen. Es ist ein Album, das musikalisch am besten als italienischer Experimental Dream-Pop kategorisiert werden kann. Wir haben bereits vor sechs Jahren mit den Aufnahmen begonnen und es dann Ende 2011 fertiggestellt. Es ist ein komplett anderer musikalischer Trip im Vergleich zu dem, was sich sonst so mache.
Und was können wir vom aktuellen Album von DIRTMUSIC erwarten?
Ich habe das Album mit Chris Eckman im letzten September in Mali zu Zeiten des Bürgerkriegs aufgenommen. Aus diesem Grund haben wir es „Troubles“ genannt. Es ist auf Glitterbeat erschienen, einem Sublabel von Glitterhouse. Auf dem Label werden vor allem afrikanische Künstler veröffentlicht. Wir haben sämtliche Songs im Rahmen von Jamsessions in Bamako, der Hauptstadt von Mali, eingespielt. Es ist komplett anders als das, was du bisher von DIRTMUSIC kennst. Es hat einen ausgeprägten Acid Psychedelic Sound mit elektronischen Versatzstücken. Die Songs sind alle mit Musikern aus Mali eingespielt worden. Selbst die Texte haben wir komplett in zwei Wochen geschrieben. Die Texte handeln von der Krise im Land, von Krieg und Frieden und der Liebe. Wir haben für die Sessions fünf bis sechs Gastsänger eingeladen, unter ihnen Samba Touré, Ben Zabo und Aminata Traoré. So spielt sich der Gesang zwischen verschiedenen Sängern mit unterschiedlichen Sprachen ab. Chris Brokaw hat die Band vor der Abreise nach Mali verlassen, was auch damit zusammenhing, dass wir unterschiedliche Auffassungen über das Risiko hatten, das Album in einem Krisengebiet mitten im Bürgerkrieg aufzunehmen. Auch Chris Eckman und ich waren der Meinung, dass es nicht ungefährlich ist, aber sich wirklich lohnen würde. Ich bin wirklich froh, dass wir das Wagnis eingegangen sind. Es hat uns viel bedeutet und auch den Musikern, mit denen wird in Mali gearbeitet haben. Und wir haben gleich so viel Material eingespielt, dass es für ein zweites Album ausreicht, das 2014 veröffentlicht wird. Vielleicht wird es auch ein drittes Album geben und wir machen eine Trilogie daraus. Aber gegenwärtig freuen wir uns über „Troubles“ und werden auch bald mit unserer afrikanischen Crew auf Tour gehen.
Was für andere Projekte stehen bei dir noch an?
Ein anderes Projekt, an dem ich gerade beteiligt bin, ist das neue Samba Touré-Album „Albala“. Samba Touré ist ein wirklich großartiger Musiker aus dem Norden von Mali. Chris Eckman von THE WALKABOUTS hat das Album abgemischt. Ich spiele auf dem Album Gitarre und die Synthies, um eine neue Atmosphäre in die Songs zu bringen. Samba wollte sich etwas von seinem bisherigen Sound lösen. Dann habe ich jüngst noch auf dem Album „The Secret Of Us All“ von Catherine Graindorge mitgewirkt, einer sehr talentierten Violinistin aus Belgien. Ich habe einige Songs mit ihr geschrieben und wir haben sie dann in Brüssel gemeinsam eingespielt. Und im Juni ist das Album „The Butterfly Ate The Pearl“ von PANTALEIMON um die englische Multi-Instrumentalistin und Sängerin Andria Degens erschienen. Das Album ist irgendwie befremdlich und wunderschön zugleich, eine Art Psychedelic Folk Music, insgesamt schwer einzuordnen und zu kategorisieren.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #109 August/September 2013 und Markus Kolodziej