Das Ethos des vor rund zehn Jahren gegründeten Household Name Labels aus London ist es, die Vielfalt der Punkszene durch die eigenen Veröffentlichungen widerzuspiegeln. Unter den inzwischen 85 Releases finden sich also Bands mit einem gehörigen Dischord-Anklang ebenso wie melodische Hardcore-Acts oder Reggae-Gruppen wie THE KING BLUES. Als Engländer ist man natürlich einer gewissen Tradition verpflichtet und so bietet das Label von der Insel ein aufregendes Programm und hat inzwischen auch BULLETS TO BROADWAY, die Nachfolgeband der TEEN IDOLS, unter seine Fittiche genommen. Labelgründer Kafren sagt euch auch, was es mit dem Weltrekord von THE KING BLUES auf sich hat.
Erzähl doch bitte erstmal, seit wann es das Label gibt, ob du schon Erfahrung diesem Bereich hattest und wie du Household Name Records finanziert hast.
Vor gut zehn Jahren begannen wir mit der Arbeit am Label. Es fing als Hobby an und nahm seinen Lauf, als wir eine Compilation veröffentlichten. Eigentlich wollten wir diese Ausrichtung beibehalten, aber da wir viele Musiker kannten, fragte man uns oft, ob wir nicht deren Alben rausbringen könnten. Aus diesen Anfragen hat sich eigentlich das Label entwickelt und wurde zu dem, was es jetzt ist. Anfangs hatten wir keinerlei Erfahrung, wie man ein Label leitet, von der Musikindustrie hatten wir auch keine Ahnung, also war es ein langer Weg und wir haben mit jedem neuen Release etwas dazugelernt. Das erste Projekt wurde durch die Bands selbst und die Verkäufe finanziert. Inzwischen finanzieren wir selbst die Veröffentlichungen. Das Geld dafür verdienten wir früher mit anderen Jobs, mittlerweile trägt sich das Label aber, folglich müssen wir keine fremden Quellen mehr anzapfen. Für das Label arbeiten momentan drei Leute. Lil kümmert sich um das Tagesgeschäft, Nina hilft in Teilzeit im Büro aus und dann gibt es noch mich. Im Laufe der Jahre gab es viele Mitarbeiter, aber hauptsächlich sind Lil und ich involviert, da wir ja auch das Label gegründet haben.
Hast du Vorbilder, was Labelarbeit betrifft?
Nun, als wir mit der Labelarbeit begonnen haben, passierte mit Fat Wreck und Epitaph viel Interessantes in Amerika, aber das Label, welches uns zu Beginn am meisten inspiriert hat, war Dischord. Zu Alternative Tentacles haben wir im Laufe der Jahre auch immer bewundernd aufgeschaut, aber auch UK-Labels wie Armed With Anger, Subjugation and Rugger Bugger dienten uns als Vorbilder. Selbst größere Firmen wie Two Tone oder Rough Trade haben uns beeinflusst.
Brillante Bands wie THE FILAMENTS und HOWARD’S ALIAS haben sich einige Zeit nach einer Veröffentlichung aufgelöst, wie geht man mit solchen Rückschlägen um?
Wie der Band selbst und deren Fans geht es natürlich auch uns an die Nieren, wenn eine Gruppe sich auflöst. Da wir Fans der Gruppen sind, die wir veröffentlichen, ist es einmal vom Label-Standpunkt her tragisch, aber auch weil wir die Musik lieben und es klasse finden würden, wenn die Bands weitermachen würden. Es ist natürlich unrealistisch zu denken, dass eine Band bis in alle Ewigkeit zusammen Musik machen wird, egal wie toll die Alben sind oder wie erfolgreich die Band an sich ist. Die meisten Bands fangen sehr jung an, und wenn man älter wird, verändert man sich eben, probiert was Neues, gründet eine Familie, reist viel oder besucht die Universität. Manchmal möchte man sich auch musikalisch in andere Richtungen entwickeln. In unseren Verträgen gibt es keine Klauseln, die einer Band das Leben erschweren, wenn sie sich trennen möchte. Das würde keinen Sinn machen, da wir die Gruppen nicht zu etwas zwingen möchten, wozu sie keine Lust mehr haben.
Siehst du dich als Geschäftsmann oder eher als einen Freund, der Alben veröffentlicht, und worauf liegt dein Hauptaugenmerk bei euren Veröffentlichungen?
Wahrscheinlich steckt ein wenig von beidem in mir. Unser Hauptaugenmerk bei Veröffentlichungen liegt immer darauf, ein wirklich tolles Album zu haben und selbst von der Musik überzeugt zu sein. Man muss aber auch realistisch sein und sich klarmachen, dass man genügend Alben verkaufen muss, um seine Investitionen zu decken. Die Band muss auch dazu in der Lage sein, die Dinge, die sie erreichen möchte, durchzuziehen. Es ist also ein schmaler Grat zwischen dem Bemühen, etwas Einmaliges zu veröffentlichen, und sich darum zu kümmern, dass alle mit dem Endergebnis zufrieden sind.
Werben die Bands für sich in dem Maße, wie du das gerne hättest, oder sind sie eher gemütlich, wenn es um die Promotion geht?
Ich für meinen Teil muss sagen, dass die meisten unserer Gruppen sehr hart arbeiten, um ihre Musik zu bewerben. Alle sind stolz auf ihr Schaffen und wollen so viele Menschen wie möglich daran teilhaben lassen. Das ist aber nur möglich, wenn beide Parteien die Band bewerben, sowohl das Label als auch die Band selbst.
Siehst du dir die Gruppen live an, bevor du sie unter Vertrag nimmst?
Für gewöhnlich sehen wir uns die Bands schon live an, bevor wir mit ihnen arbeiten. Ich finde es gut, wenn Gruppen ihre Live-Energie einfangen können und es ihnen auch gelingt, diese im Studio zu verbreiten. Bei unseren Veröffentlichungen im Punkrock-Bereich ist die Energie sehr wichtig, so etwas kann man auch nicht vortäuschen, egal welchen bekannten Produzenten man verpflichtet oder in welches Studio man nun geht. Allerdings ist es nicht immer möglich, alle Gruppen live zu sehen. Wenn die Band nicht aus Großbritannien kommt oder als Studioprojekt funktioniert, ist es schwer, aber auf die Woche gesehen, sind wir bei vielen Konzerten.
CAPTAIN EVERYTHING gehören zu den wenigen Bands, die Humor haben. Weshalb ist das so eine Seltenheit in der Punk/Hardcore-Szene?
Bands müssen die Zuschauer unterhalten können und jede Band hat da ihre eigene Art, bei den Pop-Punk-Bands dient der Humor dazu. Natürlich nutzen HC-Bands oder politische Bands dieses Mittel nicht so oft. Es hängt sowohl vom Genre als auch von den Charakteren innerhalb einer Band ab, manchmal sind sie einfach keine Komiker. Die Punk/HC-Szene nimmt sich oft sehr ernst, weil Themen wie Politik, Soziales und persönliche Beziehungen eben wichtige und ernste Themen sind. Ich bin aber der Meinung, dass es genügend Bands gibt, die wissen, wie man einen guten Witz vom Stapel lässt.
Wo bekommt man eure Veröffentlichungen und wie sieht es mit Vinyl aus?
Am einfachsten ist es wohl, die Releases über die Website zu bestellen. Wir verschicken weltweit, nach Australien, USA, Deutschland und natürlich auch innerhalb Großbritanniens. Zudem werden wir von Plastic Head Distribution, kurz PHD, vertrieben und stehen weltweit in den Läden oder können dort bestellt werden. Einige Veröffentlichungen sind auch als Vinyl erhältlich, aber nicht alle.
Viele Labels tendieren dazu, ähnlich klingende Gruppen unter Vertrag zu nehmen, wie sieht eure Herangehensweise aus?
Wir nehmen eigentlich alle guten Bands unter Vertrag, die wir im weitesten Sinne im Punk/HC-Kontext sehen. Wir arbeiten mit den Gruppen, die wir für die Besten halten, die uns zu Ohren kommen. Da kann es vorkommen, dass Gruppen ähnlich klingen, das passiert aber sicherlich nicht immer.
Sammelst du selbst Platten?
Klar, wir haben so etwa 600 Alben in der Sammlung, aber da wir noch Teilhaber von All Ages Records, ein Plattenladen in Camden, sind, hören wir dort auch viel Musik, schließlich stehen dort Tausende Alben. Also hören wir uns sehr viel Musik an, sowohl alte als auch neue Alben. Durch das Internet und MySpace bekommt man noch mehr Material.
THE KING BLUES wollten einen Weltrekord aufstellen, worum ging es genau?
THE KING BLUES wollten den 1991 erstellten Weltrekord von STATUS QUO brechen. Es ging darum, wer die meisten Gigs innerhalb von 24 Stunden spielen kann. Die „Rock Til You Drop“-Tour von STATUS QUO wurde ein Jahr lang vorbereitet und bestand aus 4 Bühnen, 60 Schlagzeugen, 200 Amps, 62 Gitarren, 105 Becken, 50 Kameras, 250 Roadies, 8 Helikoptern, 5 Jets und 20 Limousinen. Am Montag, den 17 Juli 2006, haben THE KING BLUES diesen Rekord mit einer Crew, zwei Kameras und einem alten Krankenwagen geknackt. Sie spielten um 12 Uhr vor der Wembley Arena, um 15.15 Uhr in Birmingham, um 16.45 Uhr in Sheffield vor der Arena, um 20.30 Uhr in Leeds, im Independent Record Shop, danach in Glasgow-SE+CC, um 21.40 Uhr und dann um 23.25 Uhr eine Show in einem Londoner Wohnhaus. Es hat enorm Spaß gemacht. Wir kamen zum letzten Gig und es war ein toller Tag. Für das kommende Video für „Mr Music Man“ vom aktuellen TKB-Album wurde auch alles gefilmt.
Siehst du das Internet als Bedrohung für euer Label oder profitiert ihr von der schnellen Verbreitung einzelner Songs?
Momentan kümmern wir uns darum, unsere Releases bei den großen Download-Anbietern unterzubringen, damit jeder die Sachen bekommen kann. Bei den kleineren sind wir bereits vertreten, aber große Anbieter haben meist kein Interesse daran, mit kleinen Labels zu arbeiten. Es verschlingt auch recht viel Zeit, das alles selbst zu organisieren. Das Internet ist ein gutes Mittel, um neue Bands kennen zu lernen, aber wenn die Leute nicht auch gleichzeitig Alben kaufen, dann ist das auf die Dauer natürlich schlecht für die Labels. Die Bands leiden natürlich auch darunter, weil sie das Geld zum Leben brauchen. Es hat also seine Vor- und Nachteile.
Steckt hinter dem Namen Household Name eine bestimmte Geschichte?
„Household name“ ist eine Redewendung im Englischen, mit der man von wirklich bekannten Leuten oder Dingen spricht, Sachen, die jeder kennt. So wie die BEATLES, oder Madonna. Es war eher als Witz gemeint, denn als wir anfingen, dachten wir ja nicht, dass das Label in so kurzer Zeit bekannt werden würde.
householdnamerecords.co.uk
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #68 Oktober/November 2006 und Thomas Eberhardt