Anfang 2012 erschien mit „La Alarmane Gå“ das erste Album der jungen Osloer Punkband HONNINGBARNA, es lief gut für sie. Doch dann schlug in der Nacht vom 30. zum 31. Januar 2012 das Schicksal brutalstmöglich zu, noch bevor die Album-Promomaschine richtig anlaufen konnte: Drummer Anders Askildsen Eikås starb im Alter von gerade mal zwanzig Jahren bei einem Autounfall – und erst nach einer gewissen Bedenkzeit entschied sich die Band fürs Weitermachen. Waren die EP und das erste Album noch etwas „jugendlich“ und unschlüssig, zeigt sich die Band auf dem im Frühjahr 2013 erschienenen und von Pelle Gunnerfeldt (HIVES, REFUSED) produzierten „Verden Er Enkel“ nun entschlossener und härter. Sänger und Cello-Spieler(!) Edvard Valberg beantwortete meine Fragen.
2012 wurde euer Drummer Anders getötet. Wie hat sich diese Erfahrung auf euch ausgewirkt?
Wir hatten wirklich gute und wirklich schlimme Phasen. Es war hart, nachdem Anders gestorben war, doch wir honningbarna.nowaren alle bereit, weiter zu machen. Das war die richtige Entscheidung. Auf unsere Musik hatte sein Tod aber keine allzu großen Auswirkungen.
Ihr seid 19, 20. Was reizt euch an Punkrock, einem Genre und Lebensstil, der 35, 40 Jahre alt ist, mit Bands, deren Mitglieder nicht nur deine Eltern, sondern sogar Großeltern sein könnten?
Als wir anfingen, spielten wir viele Coversongs aus verschiedenen Genres, hatten aber am meisten Spaß an Punk. Wir waren 17 und wollten schnelle Sachen spielen – und laute. Und das ist immer noch so. Auch deshalb, weil die Welt solche Musik braucht. Die Jugend ist aus gutem Grund frustriert und angepisst. Ihnen wird die Möglichkeit zu Bildung genommen, sie bekommen keine Arbeit – wir produzieren eine neue Generation ohne Zukunft.
Norwegen gilt vielen aber als Modellstaat: Arbeit für jeden, viel Geld, eine leuchtende Zukunft durch Abermilliarden an Rücklagen durch die Gewinne aus dem Ölexport – gegen was wollt ihr rebellieren?
Unsere Generation wird ertränkt in Informationen aus sozialen Medien und dem Internet. Es ist der Punkt erreicht, an dem wir so überschwemmt werden, dass unsere mentale Kapazität nicht mehr ausreicht, um verstehen zu können, auf wen wir unsere Wut richten und um welche Sachen wir uns kümmern sollten. Das liegt daran, dass die Dinge früher weniger kompliziert waren: Wenn du deinen Job verloren hast, dann wurdest du wütend auf deinen Boss, bist zu den Gewerkschaften gegangen und hast dafür gekämpft, deine Arbeit wiederzubekommen. Aber jetzt, wo du wegen der ganzen Informationen, Beeinflussungen und Erwartungen anderer nicht mehr herausfinden kannst, auf was du deine Wut richten solltest, kannst du nur entwurzelt und frustriert werden. Da liegt das Problem. Wenn du deinen Job verlierst, ist es einfach, etwas Konstruktives zu tun, um deiner Wut eine Richtung zu geben. Aber was ist, wenn du frustriert, wütend und ohne klare Identität bist und kein konkretes Ziel für deine Wut hast? Dann ist das der Moment, in dem die Sache aus dem Ruder laufen wird. Und wir wollen für diese Menschen sprechen.
Ihr singt auf Norwegisch, einer Sprache, die nur in einem Land, von wenigen Millionen Menschen gesprochen wird. Warum nicht Englisch?
Wir sprechen Norwegisch, darum wollen wir auch auf Norwegisch singen. Außerdem wollen wir es auf unsere Art machen und uns nicht verändern, um vielleicht mehr Erfolg zu haben. SIGUR RÓS verwenden sogar eine alberne Fantasiesprache. Norwegisch muss ausreichen. Es ist eigentlich ziemlich witzig, denn wegen unseres südnorwegischen Dialekts haben auch viele Menschen in Norwegen keinen Ahnung, was wir singen. Wir haben auch noch eine andere interessante Erfahrung gemacht: Wenn wir in Norwegen spielen, fragen uns die Leute immer, warum wir so wütend sind. Die Frage wurde uns noch nie gestellt, wenn wir außerhalb Skandinaviens gespielt haben. Ich denke, was wir durch die Sprachbarriere einbüßen, wird dadurch ausgeglichen, dass die Leute Gefühle wie Wut und Aggression, die unsere Musik transportiert, aus dem täglichen Leben kennen.
Welche alten und aktuellen norwegischen Bands gefallen euch?
Da wir eigentlich nur Freunde waren, die zum Spaß gespielt haben, gab es keinen gemeinsamen musikalischen Stil oder Hintergrund, deshalb gab es nur wenige gemeinsame Vorbilder. Einige hörten Bettan, die mit dem Projekt BOBBYSOCKS! den Melodi Grand Prix und den Grand Prix D’Eurovision 1985 gewonnen hat. Andere WANNSKÆKK, eine Punkrock-Band, die ungefähr von 1980 bis 1985 existierte, oder RAGA ROCKERS, eine 1982 gegründete Punkrock-Band. Ich glaube, irgendwie hat uns das geholfen, aber wir versuchen, nicht zu retro oder nostalgisch zu werden. Von den aktuellen Bands sind KVELERTAK fantastisch, wir sind alle ein bisschen in die Mädchen von RAZIKA verliebt und mögen BLOOD COMMAND und FJORDEN BABY!
Eure Heimatstadt ist Kristiansand, eine Stadt mit 80.000 Einwohnern, 300 Kilometer und vier Stunden von Oslo entfernt. Wie ist das Leben in einer so abgeschiedenen und eher isolierten Stadt?
Nun ja, es war diese „abgeschiedene und eher isolierte Stadt“, die zu unserer Entstehung beigetragen hat, deshalb nehme ich an, wir müssen irgendwie dankbar dafür sein. Südnorwegen, wo wir leben, ist der letzte sehr christliche und konservative Teil des Landes. Dort gibt es diese quasi-bourgeoise Kultur voller Doppelmoral und Scheinheiligkeit, wo alles bequem, sicher und schön sein soll. Trotzdem lieben wir Kristiansand und andere Aspekte des Lebens dort. In den besten Momenten ist das ein bisschen wie das Auenland in „Herr der Ringe“.
Auf eurem ersten Album habt ihr einen Song namens „Fri Palestina“. Was ist der Hintergrund?
Die illegale Besetzung Palästinas und das dortige Apartheidregime. Als wir das Album bei euch in Deutschland rausbringen wollten, wurde uns gesagt, dass niemand mit uns arbeiten würde, wenn wir diesen Song nicht vom Album nehmen würden. Das wäre sowohl feige als auch dumm gewesen, außerdem auch grundlos. Ich denke, die Leute, die sich wegen so etwas Sorgen machen, vergessen, dass es einen Unterschied zwischen Juden und dem Staat Israel gibt. Es existiert ein Unterschied zwischen Religion und Politik. Wir hassen die Juden nicht mehr als die Anhänger jeder anderen Religionsgemeinschaft. Was wir hassen, ist, was der Staat Israel den Palästinensern antut. Wenn ihr in Deutschland für so eine Meinung nicht bereit seid, dann habt ihr ein paar ernsthafte Probleme, mit denen ihr euch auseinandersetzen solltet.
Und „Fuck Kunst“ vom neuen Album?
Während des Tourens haben wir eine Menge neue Leute getroffen. Manche davon sind großartig, andere sind prätentiös und selbstverliebt. Letztere nehmen für sich in Anspruch, „Kunst“ zu schaffen, aber alles, was sie tun, ist eine Stunde auf dem Egotrip zu sein und über sich selbst zu reden. Deshalb haben wir Lieder wie „Fuck Kunst (Dans, dans)“ oder „Fuck art (Dance, dance)“. Tanzt zusammen, habt Spaß und macht es selbst, wenn niemand anderes es tut. Das ist alles, worum es geht. Das sind die Momente, in denen du die Energie dessen erfährst, was wir Menschen zusammen erreichen können, und die Solidarität und Liebe, die wir miteinander teilen.
Lass uns mal annehmen, wir würden ein Interview im Jahr 2023 führen und ihr hättet euch gerade wiedervereinigt. Ich interviewe euch ein zweites Mal und frage: „Was habt ihr die letzten zehn Jahre gemacht?“
Darüber haben wir tatsächlich schon diskutiert. Lars hat sich mit seiner Freundin irgendwo niedergelassen, Kinder bekommen und angefangen in einer Schule zu arbeiten. Fredrik wird irgendein Langweiler im Büro. Niemand wird wissen, was zur Hölle Nils gemacht hat. Toffer ist inzwischen Alkoholiker und bei seinen Eltern eingezogen, weil ihn deren Trennung so mitgenommen hat. Und ich habe wahrscheinlich ein paar beschissene Soloalben gemacht, weil mein Ego so groß geworden ist, dass ich nicht mehr anders kann.
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