Der Ansatz der Waliser Band ist es, Emotionen in Musik zu überführen – ungefiltert, authentisch und ohne Vorbehalte. Nachdem sich HOLDING ABSENCE auf ihrem selbstbetitelten Debüt konzeptionell an der Liebe abgearbeitet haben, stellen sie auf „The Greatest Mistake Of My Life“ nun auch auf andere Gefühle und emotional schwierige Lebensentscheidungen ab. Der Post-Kosmos des Quartetts erscheint noch rockiger, doch Hardcore-Eruptionen erhalten weiterhin Raum.
Als es mit HOLDING ABSENCE anfing, haben wir eine schlichte Idee verfolgt: Wir wollten Musik schreiben, die so aufrichtig, leidenschaftlich und emotional wie möglich ist“, erzählt Frontmann Lucas Woodland. „Seitdem haben sich eine Menge Dinge geändert. Sei es unser Line-up oder auch das Umfeld, in dem wir uns bewegen. Das Einzige, was sich nicht verändert hat, sind unser Anspruch und die Botschaft, die hinter unseren Songs und allem steht. Darauf bin ich stolz.“ Mit ihrer breit gefassten stilistischen Anlage sind die seit 2015 aktiven Waliser gut aufgestellt: „Innerhalb der Musikindustrie befinden wir uns in einer ziemlich einzigartigen Position“, freut sich Lucas. „Oft werden wir mit Bands wie BEING AS AN OCEAN und COUNTERPARTS verglichen oder sogar mit MY CHEMICAL ROMANCE und ARCHITECTS. Obwohl das riesige Fußstapfen sind, bin ich stolz auf die Tatsache, dass wir in keine Schublade wirklich passen. Was das Vermächtnis angeht, dem wir uns verbunden fühlen, möchte ich sagen, dass wir alle mit vielen verschiedenen Musikstilen aufgewachsen sind. Letztlich ist die Tatsache, dass wir überhaupt Musik machen können, etwas, worüber wir immer glücklich sein werden. Ganz egal, ob die Leute denken, dass wir die Welt bereichern und verändern oder auch nicht.“
In der Formulierung des Eigenbilds seiner Band zeigt sich der Frontmann bescheiden: „Dem Grunde nach sind HOLDING ABSENCE schlicht eine emotionale Rockband. Ich weiß, dass viele Leute versuchen, uns in bestimmte Kategorien einzuordnen – ob es nun melodischer Hardcore oder Shoegaze oder Emo ist – aber letztlich versuchen wir einfach Rockmusik zu erschaffen, die etwas bedeutet. Über das Genre machen wir uns keine Gedanken. Die Musik kann in so viele Richtungen weiterentwickelt werden. Wir versuchen, zu unserem Sound so viel Ambient und atmosphärische Tiefe wie möglich hinzuzufügen. Solange es gut klingt und sich gut anfühlt, sind wir zufrieden und glücklich.“ Bezüglich „The Greatest Mistake Of My Life“ können HOLDING ABSENCE das wirklich sein. Das zweite Werk bietet vor allem Songs, die Hörer im Innersten berühren und nachwirken: „Ich stimme zu, dass das neue Album sowohl sehr bombastisch als auch mutig klingt, aber auch sehr subtil und nuanciert ausfällt in der Art, wie es mit Emotionen umgeht“, subsummiert der Sänger. „Dieses Album enthält einige unserer zärtlichsten und einige unserer wütendsten Momente. Vor allem deshalb bin ich so zufrieden mit dem, was da entstanden ist.“
Die Waliser profitieren davon, dass sie wissen, worauf sie aus sind und wie sie ihre Ziele erreichen können: „Klanglich und von der Struktur her wird unser Song ,Penance‘ für mich immer etwas sein, auf das ich mit Stolz zurückblicke“, erklärt der Frontmann. „Nachdem ich das gesagt habe, muss ich auch gestehen, dass die meisten Songs auf dem neuen Album auf ihre eigene Weise experimentell sind – ob es nun um ,Curse me with your kiss‘, ,Die alone‘ oder ,Nomoreroses‘ geht. Wir haben uns selbst herausgefordert und sind über uns hinausgewachsen.“ Anders als noch beim 2019er Debüt lief die Kreativarbeit dabei praktisch von selbst: „Um ehrlich zu sein, war es, was den Arbeitsprozess anbelangt, ein viel einfacheres Album“, bestätigt Lucas Woodland. „Rückblickend beschleicht mich das Gefühl, dass vor dem Debüt eine Menge Druck auf unseren Schultern lastete und wir einiges durchstehen mussten, um es fertigzustellen. Wir hatten Probleme mit der Produktion, mit dem Line-up und so weiter. Dieses zweite Album fiel uns im Gegensatz dazu vergleichsweise leicht. Es ging schlicht darum, die Musik zu schreiben, die wir schreiben wollten. Natürlich wissen wir, dass Leute auf der ganzen Welt Erwartungen haben, was manchmal beängstigend ist. Doch zum ersten Mal in unserer Karriere hatte ich nicht das Gefühl, dass wir irgendetwas erfüllen oder irgendwem gerecht werden mussten. Das Album spiegelt zu einem großen Teil unsere Reife als Band und unsere Vertrautheit mit dem, was wir tun, wider. Die größte Veränderung bezüglich dieser Platte und der Art, wie sie klingt, resultiert aus der Beziehung zu unserem Produzenten Dan Weller. Er hat uns in neue Richtungen gedrängt und Mut zugesprochen.“
An der Arbeitsweise von HOLDING ABSENCE hat sich jedoch kaum etwas geändert: „Jeder Song fängt mit einem Vibe an“, so Lucas. „Dann geht es für mich darum, eine bestimmte Emotion hineinzugeben und sie mit dem Song zu verbinden. Etwas, das ich normalerweise immer mache, ist, dass ich mir Titel für die Tracks ausdenke und dann rückwärts arbeite. So ziemlich jeder Song auf diesem Album wurde zunächst betitelt und anschließend darum herum geschrieben. Das ist ein guter Weg, um mich und den Rest der Band in die Lage zu versetzen abzuschätzen, was ein Song sein kann und werden soll.“ Dass die Auseinandersetzung mit dem Album in seiner Gesamtheit trotz aller Zugänglichkeit auch Zeit bedingt, liegt für den Sänger in der Natur der Sache: „Die Hörgewohnheiten vieler Leute verändern sich dahingehend, dass sie nun jeden Monat einen neuen Song hören wollen und nicht alle zwölf Monate ein Album. Das ist eine Entwicklung, der wir in der Vergangenheit mit Singles wie ,Penance‘, ,Dream of me’ oder ,Gravity’ Rechnung getragen haben. Letztlich sind wir aber eine Band, die von Introspektion und Tiefe lebt. Das ist etwas, das man nur erreicht, wenn man an einem Album arbeitet. Ich denke gerne, dass unsere Fans unsere Musik genug respektieren, um ihr Zeit zu geben, und hoffe wirklich, dass „The Greatest Mistake Of My Life“ es wert ist, diese Zeit zu investieren. So, wie wir es für wert befunden haben, Zeit zu investieren, um diese Songs zu schreiben.“
© by Fuze - Ausgabe #82 Juni/Juli 2020 und Christian Heinemann
© by Fuze - Ausgabe #87 April/Mai 2021 und Arne Kupetz
© by Fuze - Ausgabe #101 August/September 2023 und Rodney Fuchs
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