Sie ist bisher eine vielleicht eher unauffällige Künstlerin, doch wer zum Beispiel Bands wie ALKALINE TRIO kennt, ist auch Heather Hannoura längst über den Weg gelaufen. Sie ist die nette und äußerst hübsche Merchandise-Dame von Alk3 und kreiert und gestaltet seit Jahren all ihre Grafiken, Designs und Layouts, seien es nun Shirts, Poster oder CD-Cover. Zudem hat sie einen umfangreichen Backkatalog an eigenen Arbeiten, die auch auf ihrer Website zu bewundern sind. Heather lebt ihren eigenen Stil, tut und lässt, was sie für richtig hält, und steht auf solch autonome Bands wie CRASS oder auch LUNGFISH. Grund genug, um sie euch an dieser Stelle näher vorzustellen.
Heather, du machst Designs für Merchandise und CDs/LPs für diverse Bands wie zum Beispiel ALKALINE TRIO. Beschreib doch mal diese Projekte. Hast du die komplette Freiheit bei dieser Art von Job und wie beginnst du deine Arbeit?
Wenn mich eine Band fragt, etwas für sie zu machen, dann basiert das meistens darauf, was sie bisher von mir gesehen haben und was sie daran gut finden. Bisher läuft auch alles über Mundpropaganda. Immer wenn ich gerade denke, dass mal wieder etwas passieren könnte, kommt ein Job um die Ecke. Doch bevor ich den Job annehme, rede ich mit der Band, um zu sehen, was sie wollen. Wenn ich erkenne, dass ich ihre Idee umsetzen kann und mag, nehme ich den Job an. Auf diese Art muss ich für mich selbst keine Kompromisse eingehen und muss nicht etwas machen, für das ich nachher nicht gerade stehen möchte. Ich erkläre den Bands von Anfang an, wie ich arbeite und was sie zu erwarten haben und somit wissen beide Parteien Bescheid. Wenn ich künstlerisch gesehen mit ihren Vorstellungen nicht einverstanden bin, dann sage ich ihnen auch direkt, dass sie doch lieber jemand anderen fragen sollten. Es ist vielleicht nicht die beste Einstellung, wenn man auf der Suche nach Arbeit ist, denn das hat mich schon einige Jobs gekostet, doch so ist es besser für mich. Ich mag aber auch die Herausforderung, wenn ich zum Beispiel etwas für Bands wie GREEN DAY oder AFI mache. Sie geben mir nicht wirklich viele Vorgaben. Manchmal sagen sie, dass dies oder jenes in etwa die Stimmung sein soll, aber im Endeffekt mache ich das, was ich für das Passende halte und hoffe, dass sie es mögen. Ich kann nicht so gut innerhalb festgesetzter Grenzen arbeiten. Wenn eine Band sagt "Wir wollen das genau so", dann denke ich mir, dass sie es am besten selbst tun sollten. Wenn man einen Künstler beauftragt, etwas zu kreieren, dann doch deswegen, weil man ihn und seine Arbeiten bewundert und liebt, und man sehen möchte, wie er die eigene Kunst, in diesem Falle wäre es die Musik, interpretiert, und nicht, weil man selbst nicht zeichnen kann. ALKALINE TRIO ist die einzige Band bisher, bei der ich meine Kunst direkt in den Druck gebe. Wir haben ein einzigartiges Verhältnis zu einander und sie vertrauen meinen Visionen total. Wir arbeiten nun auch schon viele Jahre zusammen, seitdem es die Band gibt. Es macht Sinn, auf diese Art und Weise zu arbeiten, da ich beziehungsweise wir zusammen die Ästhetik der Band von Anfang an entwickelt haben.
Hattest du jemals einen Blackout? Keine Ideen, keinen Plan, wie du anfangen sollst, das Gefühl, in einer Einbahnstraße zu stecken? Was tust du in solchen Momenten?
Manchmal denke ich mir bei ALKALINE TRIO: "Ich habe nun schon über hundert Designs für diese Band gemacht! Was soll ich bloß für die nächste Tour machen?" Aber bisher ist mir immer wieder etwas Gutes eingefallen. Es kommt mir dann doch einfach in den Sinn. Wenn ich aber zum Beispiel für andere Bands etwas machen will und mir nichts einfallen würde, würde ich wahnsinnig werden. So war es letztens bei RANCID. Ich dachte mir, was soll ich bloß machen? Ein "Mohawk" oder vielleicht ein "Spike"? In solchen Fällen fange ich einfach an, es unter verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten. Einige meiner Lieblingsarbeiten sind in Situationen entstanden, in denen ich mich zwingen musste, mal etwas anderes zu probieren. Ich musste mich quasi selbst pushen und herausfordern und das ist meist am erfolgreichsten. Bezüglich meiner eigenen Arbeit, wenn zum Beispiel eine Show ansteht und ich viele verschiedene Zeichnungen anfertigen muss, habe ich immer wieder Probleme bei dem ersten Design. Ich schaue auf meine Pinsel und die Leinwände und sitze da, als ob ich das noch nie vorher getan hätte und bin total eingeschüchtert. Aber dann schlage ich mich durch das dunkle Loch und spätestens beim zweiten Design bin ich wieder voll da! So ist es manchmal auch, wenn wir wieder auf Tour gehen. Da denke ich mir, was mache ich noch mal? Shirts und CDs verkaufen? Aber während des ersten Abends ist wieder alles beim Alten, so als wenn wir schon immer unterwegs gewesen sind.
Du sagst es gerade: du bist auch Merchandise-Dame und mit Bands auf Tour. Mit welchen Bands bist du bisher unterwegs gewesen?
Obwohl ich bestimmt eine Hand voll an Touren mitgemacht habe, bin ich eigentlich nur exklusiv mit ALKALINE TRIO auf Tour. Das ist schon sehr ausfüllend, und wenn wir mal nicht unterwegs sind, versuche ich mich auf meine private Kunst zu konzentrieren. Doch getourt bin ich bisher mit HOT WATER MUSIC, THE DISMEMBERMENT PLAN, FIFTEEN, GLASSJAW und kürzlich auch mit den BOUNCING SOULS. Es sind alles Freunde von mir. Ich weiß auch nicht, wie es wäre, für eine Band zu arbeiten, zu der ich keinen Bezug hätte. Es wäre einfach nur ein "Job". Aber auf Tour freundet man sich eh schnell an. Und ich liebe das Reisen! Das ich das Schönste an meinem Job.
Welche Länder haben dich am meisten begeistert?
Vor kurzem war ich für zwei Wochen in Ägypten, aber genauso genieße ich einen Zwei-Tages-Trip durch das Land, eben nur auf eine andere Art und Weise. Ich mag kleine Städtchen wie zum Beispiel Butte in Montana, dann aber auch die großen Städte wie Tokio. Ich bewundere all die kleinen Unterschiede der einzelnen Städte. Ich mag das östliche Europa wie Berlin, Prag oder Warschau. Das sind die Städte, wenn ich an Europa denke: kalte und sehr eindrucksvolle Orte, doch leider bin ich dort bisher nur auf Tour gewesen und konnte nicht so viele Eindrücke sammeln. Ich liebe ebenso Australien, Italien und Großbritannien, einfach alles! Alles, was etwas anders erscheint als das, was ich schon kenne und gewohnt bin. Ich muss aber zugeben, dass mich Japan bisher am meisten beeindruckt hat. Es ist wie ein anderer Planet, eine Spielzeug-besessene und reizüberflutete Welt.
Kommen wir wieder zu deiner Kunst. Wie fängst du ein Projekt an? Wie arbeitest du Ideen aus und hörst du bestimmte Musik während der Arbeit?
Wenn ich für eine Band arbeite, dann höre ich natürlich erst einmal deren Platten immer und immer wieder, bis mir gewisse Dinge und Ideen in den Kopf schießen. Habe ich zu Anfang nicht sofort "die Idee", probiere ich verschiedene Dinge aus, bis ich etwas habe, was ich mag. Dann fange ich an zu zeichnen, zu schneiden und zu kleben und lege das Design auf meinen Kopierer. Abgesehen davon, wenn ich für eine Punkband arbeite, lege ich allgemein Punk auf, bei einer düsteren Band höre ich eher JOY DIVISION, um mich in eine gewisse Stimmung zu bringen und zu den Wurzeln zurückzukommen. Wenn ich an meinen eigenen Dingen sitze, mag ich es, wenn ich die Musik der 20er und 40er Jahre auflege; nicht ausschließlich, aber meistens. Ich höre dann alte Schallplatten, immer und immer wieder. Ich stell dann meist auf "Repeat" und höre die Songs bis zu fünfzigmal am Tag. So kann ich mich besser konzentrieren, denn ich habe meist keine Lust, durch meine ganzen Platten zu schauen und jedes Mal eine neue aufzulegen. Außerdem bin ich mir dann der Zeit nicht so bewusst, wie lange ich schon an der Sache arbeite, denn ich werde schnell ungeduldig beim Zeichnen und Malen. Zudem habe ich oft schon die genaue Idee vor Augen; ich muss es nur noch aus meinem Kopf bekommen. Ich male, fotografiere und mache eine Kollage daraus. Ich habe eine sehr klare Vision, wie die Dinge auszusehen haben. Ich muss sie quasi "nur" noch machen. Da gibt es dann kein großes Vertun.
Spiegeln sich in deinen Arbeiten, wie bei vielen anderen Künstlern, auch persönliche Erfahrungen und Beziehungen wider? Wie viel Heather steckt in deiner Kunst im Bezug auf dein privates Leben?
Bei den Arbeiten für Bands steckt eigentlich nicht viel von mir drin, außer dass sie alle die gleiche Ästhetik besitzen. Bei meinen eigenen Arbeiten ist das natürlich unvermeidlich. Ich kreiere die Dinge, die meine momentanen Gefühle oder Stimmungen widerspiegeln, nicht bewusst, doch wenn ich zurückschaue, erkenne ich in meinen Arbeiten oft Sachen, die ich vorher gar nicht bewusst wahrgenommen oder gesehen habe. Für diesen Abschnitt in meinem Leben macht es zumeist Sinn, aber zugleich ist es auch etwas, das ich nicht bewusst ausgewählt habe, um es durch meine Arbeit auszudrücken.
Was bedeutet dir deine Arbeit?
Bei meiner Arbeit möchte ich das fertige Ergebnis sehen und etwas kreieren, das ich mir anschauen kann. Ich werde von einem Art Rausch getrieben und angespornt und von der Vorfreude, es endlich fertig betrachten zu können. Ich kann dann ein paar Schritte zurückgehen und mir die fertige Arbeit ansehen, von der ich vorher nur die Idee im Kopf hatte. Es ist schon eine Art Befreiung, denn schließlich habe ich dann eine Idee aus meinem Kopf und auf Papier gebannt. Ich lasse mich auch immer gern von Musik inspirieren. Vor allem, wenn es darum geht, einer Sache einen Titel zu geben. Ich bin nicht so gut im Umgang mit Worten und Bezeichnungen, und daher ist die Art, wie ein Songwriter oder Texter seine Gefühle summen und in Worte fassen kann, für mich sehr inspirierend. Ich bewundere dabei vor allem die Künstler, die ihr eigenes Ding machen und nicht nach Ruhm und Geld greifen.
Welche Projekte, Arbeiten, Ausstellungen und Kooperationen planst du in naher Zukunft?
Momentan bin ich im Gespräch mit einem Freund bezüglich einer Zusammenarbeit. Es ist alles noch vage, doch haben wir eine ähnliche Arbeitsweise und da würde es sich anbieten - mehr unter steakmtn.com. Außerdem werde ich an einer Ausstellung von meiner Freundin Chrissy Piper teilnehmen. Sie ist eine begnadete Fotografin. Meine Freundin Vanessa ist bei einer Gruppe involviert, die für die Rechte der Kinder kämpft, siehe auch protect.org. Ich werde sie bei einigen Shows unterstützen. Dann habe ich soeben die Arbeit an einem Albumcover für meinen Freund Chris von THE LAWRENCE ARMS beendet. Er macht eine Soloplatte unter dem Namen SUNDOWNER auf Red Scare Records. Im Laufe des Jahres möchte ich einige Ausstellungen machen, und dafür arbeite ich noch an einer Serie von Zeichnungen und Kollagen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #71 April/Mai 2007 und Ross Feratu