HEART ATTACK KIDS

Foto© by Kayla Purves

Backstage bei Lemmy

Keine Sorge, bei den HEART ATTACK KIDS aus Ontario, Kanada, wird so schnell niemand ein Herzversagen erleiden. Allerdings dürfte deren mitreißender Stoner-Punk’n’Roll sehr wohl dafür sorgen, dass es zum hitzig-schwitzigen Miteinander vor der Bühne kommt, denn das Trio hat sein soeben auf Gunner Records erschienenes Album „Wild Ride“ im Gepäck, das uns auf einen äußerst wilden Ritt mitnimmt. Sänger und Gitarrist Jared Ellul verrät hierzu im Interview, warum dessen Genese fast fünf Jahre dauerte und mit wem er im Traum auf einem MOTÖRHEAD-Konzert gerne mal backstage ein paar kalte Getränke zu sich nehmen würde.

Jared, was muss man über euch wissen?

Wir kommen aus London, Ontario, Kanada. Wir spielen energiegeladenen heavy Punk’n’Roll. Angefangen haben wir 2013 als Zwei-Mann-Band und uns dann zu einem Trio mit einem gelegentlichen zweiten Gitarristen weiterentwickelt. Unsere Bandmitglieder sind Kayla Purves am Bass, Eric Freeborn am Schlagzeug und ich, Jared Ellul, an der Gitarre und als Hauptsänger. Wir haben bisher zwei Alben bei Underground Operations und New Damage Records veröffentlicht und hatten bereits das Vergnügen, die Bühne mit BILLY TALENT, DANKO JONES oder CANCER BATS zu teilen.

Euer letztes Album „Bad Luck Like Gold“ stammt aus dem Jahr 2019. Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Nun, direkt nach der Veröffentlichung von „Bad Luck Like Gold“ spielten wir zuerst ein paar Shows an der Ostküste Kanadas mit unseren guten Freunden DINER DRUGS. Doch plötzlich entschied sich Nathan, unser ursprünglicher Schlagzeuger, die Band zu verlassen und ich hatte große Mühe, den richtigen Ersatz für ihn zu finden. Dann kam die Pandemie und machte uns einen fetten Strich durch die Rechnung. Also fing ich wieder an, Songs zu schreiben. Aber das war ein echt langatmiger Prozess. Ich schrieb alles immer wieder um, bis ich irgendwann endlich das Gefühl hatte, dass sie zu ihrer endgültigen Form eingedampft waren. Daneben hatte ich auch Kayla angeheuert, um bei unserer ersten Show in London, Ontario, Bass zu spielen. Das war genau zu dem Zeitpunkt, als die ersten Lockdowns verhängt wurden. Wir verstanden uns auf Anhieb perfekt und so wurde sie festes Mitglied der Band. Über gemeinsame Freunde fanden wir glücklicherweise auch schnell unseren neuen Drummer Eric und begannen, Konzerte hier in Ontario sowie in Quebec zu spielen und auf musikalischer Ebene eine Verbindung zwischen uns dreien aufzubauen. Nachdem wir das ganze Jahr 2022 hindurch zusammen gespielt hatten, merkten wir plötzlich, wie es mit uns nicht nur menschlich, sondern auch musikalisch zu funktionieren schien. Das war echt so eine Art Schlüsselerlebnis für die Band. Ab da war klar, dass wir uns nun endlich auf unser neues Album „Wild Ride“ konzentrieren können.

Und damit nimmst du quasi schon die nächste Frage vorweg. Wie wild war der Ritt bis hin zu „Wild Ride“ – und vor allem warum?
Weißt du, es war wirklich etwas Besonderes, diese Platte zu machen. Wir haben etwa sechs Monate an den Songs gearbeitet, nachdem wir eine Vorproduktionssession mit Simon Larochette im Sugar Shack Recording Studio hier in London, Ontario hatten. Normalerweise, wenn wir unsere Platten aufnehmen, haben wir aus Budget- und Zeitgründen nur zwei oder drei Tage im Studio, um alles aufzunehmen. „Bad Luck Like Gold“ haben wir in etwa 18 Stunden live eingespielt. Diesmal hatten wir das Glück, dass wir etwa zwei Wochen Zeit hatten, um die Platte mit Simon aufzunehmen. In dieser zusätzlichen Zeit sind sogar noch einige unserer absoluten Lieblingssongs entstanden. Das Abmischen dauerte allerdings länger, als wir erwartet hatten. Wir haben alle Songs erst fast ein ganzes Jahr nach den Aufnahmen fertiggestellt. Der Entstehungsprozess von „Wild Ride“ war also der bisher längste – wir haben 2020 mit dem Schreiben der ersten Songs begonnen und erst Anfang 2024 den letzten Regler am Mischpult bedient. Das war also tatsächlich ein verdammt wilder Ritt.

Und wie schreibt ihr normalerweise eure Songs, sind alle daran beteiligt?
Ja, das sind wir. Der Prozess beginnt typischerweise mit ein paar Gitarrenriffs, die wir zusammensetzen. Nachdem ich es eine Weile alleine daran herumgebastelt habe, schicke ich es an Eric und Kayla. Wenn sie mit dem Ergebnis einverstanden sind, nehmen wir es mit in den Proberaum und versuchen, verschiedene Teile drumherum zu erarbeiten. Normalerweise kommen die Texte zuletzt. Ich singe gerne zu einer Demoversion des Songs, um die Melodie und die gesanglichen Hooks zu finden. Die meisten unserer Songtexte werden erst einmal grob skizziert, dann nehmen wir die besten Stellen und schreiben sie noch einmal neu. Wir bearbeiten, arrangieren und strukturieren eigentlich alles so lange um, bis wir ins Studio gehen, um den Song final aufzunehmen. Aber danach bleibt er so, wie er ist. Das hat sich bei uns einfach bewährt. Wir sind wohl etwas akribisch und langsam, aber du weißt ja: Gut Ding will Weile haben.

Im Song „Bad reunion“ singst du über das Feuer, das plötzlich aufflammt, wenn man sich nach langer Zeit endlich wiedersieht. Was Bands anbelangt, sorgen Wiedervereinigungen jedoch auch oft für Unverständnis. Um welche Art von „Reunion“ geht es hier?
„Bad reunion“ ist einer meiner Lieblingssongs auf der neuen Platte. Das Wiedersehen bezieht sich in diesem Fall darauf, dass man aus dem Jenseits heimgesucht wird. Ich habe den Song mit der Vorstellung geschrieben, jemanden zu treffen, der bei einer Séance im Kerzenschein verstorben ist. Die Inspiration dazu kam aus einem seltsamen Kurs im College namens „Stranger Things“. Da ging es um Okkultes, um Kryptozoologie und so weiter. Ich bin auch ein Fan von kitschigen Horrorfilmen und Science-Fiction-Serien, was sicher zur Entstehung dieses Songs beigetragen hat.

Die meisten Bands behaupten ja, dass ihre neueste Veröffentlichung ihre bis dato beste ist. Jetzt mal ganz unter uns: Warum ist „Wild Ride“ euer bisher bestes Album?
Ehrlich gesagt ist das echt die Platte, auf die ich am stolzesten bin. Ich hatte „No Future“ und „Bad Luck Like Gold“ auch mit voller Überzeugung und mit absolutem Herzblut gemacht, doch bei unserem neuen Album hatte ich erstmals die Zeit, wirklich alles richtig zu machen. Wenn ich mir unsere alten Platten anhöre, finde ich immer wieder etwas, das ich im Nachhinein noch einmal gerne ändern würde. Aber bei „Wild Ride“ gefällt mir wirklich alles. Es ist leicht, selbst sein schärfster Kritiker zu sein, aber ich bin wirklich begeistert, den Leuten diesen neuen, reiferen HEART ATTACK KIDS-Sound zu präsentieren. Klingt das irgendwie nachvollziehbar?

Ja, das ergibt Sinn. Zumal ihr euch ja gezwungenermaßen auch wirklich lange Zeit dafür nehmen konntet. Als ich das neue Album zum ersten Mal hörte, dachte ich sofort an BOKASSA und SUPERSUCKERS, die backstage ein paar Shots mit THE HIVES trinken, während MOTÖRHEAD gerade die Bühne zerlegen. Wäre das eine Party, auf der ihr dabei wärt?
Verdammt, ja, da wären wir sofort mit am Start! Das ist genial, darf ich das als Zitat bitte direkt für unsere neue Bandbiografie benutzen? Saugut, Mann! Lass uns dazu Jack Daniel’s trinken und noch HELLACOPTERS, KVELERTAK und THE BRONX einladen. Das wird ein Fest!

Du sagtest eingangs, dass ihr aus Ontario, Kanada stammt. Wie sieht die Szene dort zur Zeit aus und wie hat sich die Situation durch die Pandemie bei euch verändert?
Nun, ich kann nicht für ganz Ontario sprechen, aber die Musikszene hier in London, Ontario scheint zu florieren. Wir haben eine Menge junger Bands, die sich direkt nach der Pandemie gegründet haben und dem Punkrock neues Leben einhauchen. Meine heißesten Tipps für euch wären THUNDER QUEENS, GABI & THE WHATS, POLLUTED oder LOVERS. Wir haben hier auch ein paar tolle DIY-Konzerte in einem Laden namens Grogette’s, der sich über einem wirklich tollen veganen Lokal namens V Spot befindet. Falls ihr einmal hier sein solltet, müsst ihr unbedingt dort absteigen – ich kann es nur wärmstens empfehlen.

Ein neues Album schreit ja förmlich nach Live-Shows. Was steht nun für die kommenden Monate bei auch auf der Agenda?
Und genau deshalb wollen wir auch so schnell wie möglich zu euch rüber nach Europa kommen. Haltet also die Augen offen für den Spätsommer und den Frühherbst. Dann hauen wir uns gemeinsam ein paar Shots rein und feiern danach gemeinsam im Backstagebereich!