Selten hat mich eine Band der neuen Punk-Generation so begeistert und mitgerissen. „Proud“, das aktuelle Album der vierköpfigen Band, vermengt die Qualitäten von FAR FROM FINISHED und RANCID zu einem spritzigen Hit-Cocktail, dessen elektrifizierende Leichtigkeit ansteckend ist. Rund, unverbraucht und mit dem nötigen Biss zeigt die Band, warum Boston immer noch „brennt“. Also beamen uns nach 2009 und tun so, also ob im lokalen Jugendzentrum „so eine junge Ami-Band“ für spontane Begeisterungsstürme gesorgt hat. Zum Glück konnten wir nach dem Gig noch einen Tonträger ergattern: „Serf City USA“. Groß ist die Freude über eine „absolut heiße Band“ – die Entdeckung schlechthin! Ganze drei Jahre später ist die Band in unseren Breiten trotzdem noch im unteren Bereich der Erfolgsleiter. Weil später immer noch besser ist als nie, sehe ich dieses Interview mit Drummer Steve auch noch mal als nachdrückliche Aufforderung an, sich dringend mit diesem quirligen Quartett zu beschäftigen.
Steve, schnell die Basics zu deiner Band, bitte. Und warum zum Teufel gibt es „Proud“ in Europa kaum irgendwo?
Ich spiele Schlagzeug. Matt Pruitt und Jon Cautzik bearbeiten die Gitarren und singen. Jamson Hollis spielt Bass. Wir sind eine „ska influenced punk rock band from Boston“. That’s it! Wir haben mit einer Menge europäischer Labels gesprochen, um „Proud“ über sie vertreiben zu können, aber irgendwie ließ sich nichts arrangieren. Shit! Du kannst es aber online beziehen. Sehr ärgerlich war auch, dass wir auf unserer vergangenen und ersten Europatour letzten Sommer nicht genug CDs zum Verkaufen im Gepäck hatten. Toll, oder?
Wie war’s denn trotzdem? So wirklich bekannt seid ihr hierzulande ja noch nicht ...
In Deutschland zu spielen war großartig! Überwiegend haben wir in kleinen Clubs gespielt und waren wirklich sehr angetan von den Reaktionen. Uns kannte ja eigentlich niemand, das hat uns schon beeindruckt. Zur Zeit haben wir noch keine konkreten Pläne, wieder nach Europa zurückzukehren. Aber wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Das wäre schon super, wenn’s klappt.
Im Gegensatz zu vielen anderen Punkbands aus Boston macht ihr einen eher sonnigen, für Boston untypischen, weniger rauhen Sound. Woran liegt’s, gibt es Vorbilder?
Haha, ich würde sagen, unseren Sound hat bis jetzt noch niemand als „sonnig“ bezeichnet. Du hast aber nicht ganz Unrecht. Jon sagt immer, dass wir „glücklich klingende Songs über traurige Dinge“ machen. Das trifft für mich den Nagel auf den Kopf. Ich werde immer eine Schwäche für guten Pop-Punk haben und wir fühlen uns regelrecht verpflichtet, eingängige Hooklines und Refrains zu schreiben. Und wir wollen es einfach halten. Helden? Die üblichen Verdächtigen wie THE CLASH, OPERATION IVY, GREEN DAY etc.
Lass uns in die Bostoner Untergrundmusikszene abtauchen. Kürzlich erschien mit „Still Beating“ eine „free online-only“ Compilation (performermag.com/stillbeating.html), die sich ausschließlich dieser Szene widmet. Was ist derzeit angesagt? Inwiefern seid ihr, über die Band hinaus, in der Szene aktiv?
Boston hat eine verdammt gute und vielfältige Punk-Szene. Ich bin nicht ganz im Bilde, was gerade angesagt und hip ist. Wie eigentlich überall hängen wir auch hier in unserer Freizeit in Bars ab und treffen dort unsere Leute, gehen zu Konzerten, mehr eigentlich nicht.
„Stolz“ zu sein ist hierzulande ein heißes Eisen, vor allem wenn es darum geht, „gut“ von „schlecht“ zu unterscheiden. Ihr verseht gleich ein ganzes Album mit dem Titel „Proud“. Also, Hand aufs Herz: Worauf seid ihr stolz?
Ich bin absolut stolz darauf, dass wir zusammen mit haufenweise Bands, die wir wirklich schätzen und zu denen wir aufblicken, durch die Welt touren können. Unglaublich irgendwie! Wir haben einige wirklich bemerkenswerte Menschen kennen gelernt, von denen ich nie im Leben dachte, sie mal zu treffen. Aber viel mehr als das ehrt es mich, wenn wir von Leuten erfahren – und das sind nicht wenige! –, die sich in unseren Songs wiedergefunden haben und positive Kraft daraus gewinnen konnten. Das ist ein unfassbar prickelndes Gefühl und motiviert uns wie Hölle!
Dieses gedruckte Fanzine hat über 20 Jahre auf dem Buckel! Analoge Punk-Medien sind noch lange nicht tot. Spielen gedruckte Fanzines in den Staaten überhaupt noch eine Rolle?
Ich kann dir, wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich sagen, wie es um gedruckte Punk-Medien bei uns steht. Wie vieles andere auch, scheint sich aber alles in Richtung online und digital zu entwickeln, was für die meisten auch vollkommen okay ist. Ich bekomme oft Mails von Leuten wie dir, um Interviews zu machen. Das bereitet mir immer Freude und es ist gut zu sehen, dass jemand seinen Beitrag leistet, damit unser Zeug zugänglich und bekannt wird. Also: vielen Dank!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #103 August/September 2012 und Lars Weigelt