HARLOTT

Foto© by Elgin Huang Jiale

Keine Alibis

14 Jahre am Start – und nunmehr vier Studioalben auf dem Buckel. Die Thrasher aus Down Under nehmen sich die Zeit, die eben nötig ist. Warum die Arbeit am neuen Werk „Detritus Of The Final Age“ so lange gedauert hat und wie Künstler und Fans die aktuelle Corona-Krise überwinden können, erklärt uns Klampfer und Frontmann Andrew Hudson.

Du hast zuletzt gesagt, dass du noch nie so lange an einem Album gearbeitet hast. Was waren die größten Schwierigkeiten beim Schreiben?

Nun, das lag schlicht und ergreifend daran, dass wir im Vorfeld keinerlei Plan für die Scheibe hatten. Nichts war vorbereitet, und ein richtiges Ziel gab es auch nicht. Gewissermaßen haben wir ein weißes Blatt Papier genommen und losgelegt. Dabei durften die Songs jede Richtung einschlagen, die sie wollten. Das bedeutete: Wir haben viele Sachen ausprobiert, mit vielen Sounds und Stilen herumexperimentiert. Am Ende ist es schon irgendwie ein Thrash-Album geworden, aber insgesamt klingen die Tracks viel variabler. Dennoch mussten wir lange an ihnen schrauben, damit am Ende alles im Zusammenhang einen Sinn ergibt.

Haben die aktuellen Entwicklungen auch den Entstehungsprozess der neuen Platte beeinflusst?
Tatsächlich war das Album mehr oder weniger fertig, als alles zusammengebrochen ist. Am Ende hatte die Krise allerdings Auswirkungen auf das Release-Datum. Wir wollten die Scheibe eigentlich schon vor November rausbringen, aber das hat sich aufgrund des Lockdowns hier bei uns verzögert. Das einzig Positive war, dass wir so ein bisschen mehr Zeit bekommen haben, uns um den Release und das ganze Drumherum zu kümmern.

Wenn eure neue Platte im November erscheint, wird die Krise nach wie vor allgegenwärtig sein. Was, hoffst du, kann eure neue Platte in dieser schwierigen Situation bewirken?
Ich hoffe einfach, dass es den Leuten da draußen für 45 Minuten hilft, sich mal auf etwas anderes zu fokussieren. Womöglich kann der eine oder andere auf diese Weise ja auch ein bisschen Frust ablassen. Die Welt ist aktuell wirklich ein merkwürdiger Ort und es sieht so aus, als würde sich an der Situation auch so schnell nichts ändern. Insofern sind wir einfach happy, dass wir den Leuten einfach ein kleines bisschen Musik geben können.

Wie schwer haben euch die Corona-Krise und ihre Folgen als Band und Musiker getroffen?
Zum Glück haben wir alle unsere regulären Zweitjobs behalten können. Dafür sind wir sehr dankbar, weil es vielen Menschen da draußen anders geht. Was die Musik angeht, konnten wir natürlich wenig bis gar nichts machen. Es gab hier konsequente Lockdowns in Melbourne, das hat Live-Shows und sogar das Proben zwischenzeitlich komplett unmöglich gemacht. Wir haben uns in den vergangenen Monaten daher einfach auch mal ein bisschen freigenommen.

Welche Sorgen und Ängste haben euch zuletzt zu schaffen gemacht?
Nun, wir mussten wie so viele Bands einige Touren ins kommende Jahr verschieben. Das Problem ist nur: Ich mache mir so langsam Sorgen, dass selbst das nur Wunschdenken ist und die Shows auch 2021 nicht werden stattfinden können. Außerdem gab es zuletzt genau in den Ländern, in denen wir eigentlich unterwegs sein wollen, wieder einen starken Anstieg der Fälle. Und angesichts dieser Entwicklungen ist es leider schwer vorstellbar, dass die Dinge da rechtzeitig wieder ins Lot kommen. Das ist natürlich unfassbar frustrierend. Aber ist eben so: Erst mal müssen die Rahmenbedingungen stimmen, damit wir sicher reisen und touren können.

Was gibt euch in der aktuellen Lage Mut und Hoffnung?
Erst einmal die Tatsache, dass wir bislang eine Menge positive Rückmeldungen zur neuen Scheibe bekommen haben. Und dass wir einfach auch sehr stolz auf die Scheibe sind. In der aktuellen Situation ist vieles einfacher, wenn du das Gefühl hast, dass das, was du da machst, von anderen Leuten wertgeschätzt wird. Außerdem sagen wir uns: Alles, was wir in naher Zukunft geplant haben, ist zwar abgeblasen. Aber trotzdem gibt es eine Zukunft, und die wird Dinge mit sich bringen, auf die wir uns jetzt schon freuen. Auch wenn wir noch nicht wissen, was es sein wird.

Musiker und Künstler sind besonders schwer von der aktuellen Krise betroffen. Was kann deiner Meinung nach getan werden, um zu helfen?
Einfach weiter Musik hören. Wir machen unsere Musik natürlich auch, um ein bisschen Dampf abzulassen. Vor allem aber machen wir sie, damit die Leute da draußen sie genießen können. Ich denke, es ist wichtig, dass die Metal-Fans jetzt zusammenhalten und weiter ihrer Leidenschaft nachgehen. Die Politiker beneide ich aktuell wirklich gar nicht um ihren Job. Ich glaube, die meisten sind nicht unbedingt deswegen in die Politik gegangen, weil sie rund um die Uhr hart arbeiten wollten. Aber jetzt haben sie einen riesigen Scheißhaufen an Arbeit vor sich.

Wie werdet ihr den Release eures neuen Albums am 13. November feiern?
Nun, vielleicht bei einem ruhigen Scrabble-Abend, haha? Nein, keine Ahnung. Vielleicht haben wir bis dahin ja wieder die Möglichkeit, in einen Pub zu gehen. Dann würden wir dort sicher ein paar wohlverdiente Biere trinken. Wenn das nicht geht, organisieren wir vielleicht einen gemeinsamen Poker-Abend. Da könnten wir dann auch gleich die ganze Kohle der ersten Albumverkäufe verzocken, haha.

Ich schätze, ihr seid nicht abergläubisch. Andernfalls hättet ihr als Release-Datum wohl nicht Freitag, den 13. gewählt.
Na ja, vielleicht wollten wir ja auch einfach eine Ausrede haben, dass die Platte am Ende doch total scheiße ist, haha? Es ist jedenfalls immer gut, ein Alibi zu haben ...

Angesichts der schwierigen Lage: Welchen Dingen abseits der Musik hast du dich gezwungenermaßen zuletzt gewidmet?
Dank dieser echt merkwürdigen Situation hatte ich mal Zeit für so richtigen Männerkram: Schränke aufbauen, Holz sägen, Sachen zusammenschrauben. Ich habe in den vergangenen Monaten oft den Hammer in der Hand gehabt. Und das war auch gut. Weil es dich bei Vernunft und Verstand hält, wenn du sinnvolle Dinge tust, wenn du gerade mal nicht auf Tour gehen kannst. Das sorgt nämlich auch dafür, dass du dann, wenn du wieder auf die Bühne gehst, einfach nur Vollgas geben kannst.

Was wünschst du dir für das nächste Jahr?
Ich will einfach nur touren. Und wir müssen auch einfach touren.