Erst erreichte mich die Single "Someone Special". Dann das Album "Bad Sneakers & Pina Colada". Störend wirkte vom ersten Augenblick an das Schreiben der Plattenfirma: "Die Zeit für den nächsten Trend ist angebrochen. HARDCORE SUPERSTAR sind da!" Wirklich? Dementsprechend zwiespältig war auch mein erster Eindruck nach einer ausführlichen Hörprobe. HARDCORE SUPERSTAR haben musikalisch schon was drauf, aber ihr Hang zum Kommerz ist bei manchen der 13 Stücke schon sehr deutlich hörbar, besonders bei der ersten Singleauskoppelung "Someone Special", die in ihrer schwedischen Heimat bis auf den zweiten Platz der Charts kletterte. Mir ist allerdings immer noch nicht so richtig klar, wie man den Sound von HARDCORE SUPERSTAR als neuen Trend bezeichnen kann, schliesslich greifen die Jungs auf nicht gerade neue und eher konventionelle Rock´n´Roll-Elemente zurück. Macht euch selbst ein Bild, wenn ich hier direkt aus dem Waschzettel der Plattenfirma zitiere: "HARDCORE SUPERSTAR vereinigen das Beste aus zwei Welten. Die Bandmitglieder sind in den Achtzigern in der durch Combos wie MÖTLEY CRÜE, FASTER PUSSYCAT und LA GUNS vertretenen Glam/Sleaze-Ära aufgewachsen, legen jedoch zugleich die Rohheit und Einstellung der SEX PISTOLS an den Tag." Aber nicht nur mein erster Eindruck war von eher zwiespältiger Natur, sondern auch der von Joachim. Wir waren uns einig - ein Interview musste her, um den Jungs mal etwas genauer auf den Zahn zu fühlen. Die Möglichkeit ergab sich prompt, als Sänger Jocke Berg und Gitarrist Silver Ende März in München ihren Promo-Aktivitäten nachgingen. Wir trafen uns an einem schönen Frühlingstag im Münchner Zomba-Büro, wo man mich bereits mit Erfrischungsgetränken erwartete. Ich war ziemlich gespannt, was mich dort erwarten würde, doch lest selbst...
Wie steht ihr zu der Aussage von Music For Nations, dass eure Musik ein neuer Trend ist? Ich kann da keinen neuen Trend erkennen - Bands wie die BACKYARD BABIES oder die HELLACOPTERS machen einen ähnlichen Sound ja schon lange.
Silver: "Nein, zwischen uns und den HELLACOPTERS besteht ein grosser Unterschied. Ich meine, ich liebe die HELLACOPTERS wirklich, aber wir haben die Fähigkeit, richtige Hits zu schreiben, die auch in die Charts kommen. Wir haben schon zwei Nummer Eins-Hits in Schweden gelandet."
Echt? Ich dachte bis jetzt, dass ihr mit "Someone Special" nur einen richtigen Hit gelandet habt. Was war der zweite Hit?
Silver: "'Liberation´, der dritte Song auf der Platte. Das Stück hat auch schon den ersten Platz erreicht."
In den schwedischen Single-Charts?
Silver: "Nein, in den wichtigsten Charts - den Fernseh-Charts namens 'Voxpop´. Diese Charts kann man mit 'Top Of The Pops´ vergleichen. Ich denke, dass das der Hauptunterschied zwischen uns und den HELLACOPTERS ist. Sie sind stärker in der Punkrock- und Garagen-Szene verwurzelt und spielen in kleineren Clubs."
Und ihr spielt in richtig grossen Hallen?
Silver: "Ja, in Schweden schon. Wir wollen vor möglichst vielen Leuten spielen, nicht nur vor Rock´n´Roll-Freaks."
Jocke: "Musik für die breite Masse eben."
Silver: "Wir möchten den Rock´n´Roll wieder kommerziell machen. Wir möchten ihn wieder ins Radio und in die anderen Medien bringen. Weisst du, in Schweden wird so gut wie nie Rockmusik im Radio gespielt. THE HELLACOPTERS hörst du dort einfach nicht. Und das wollen wir ändern."
Dann ist es also eines eurer Hauptanliegen, Nummer Eins-Hits zu schreiben?
Silver: "Ja, sicher."
Jocke: "Aber daran denken wir nicht, wenn wir neue Songs schreiben. Wenn wir Glück haben, wird es ein Hit."
Und wie sieht es mit der ersten Single "Someone Special" aus? Ich denke, dass dieses Stück doch etwas aus dem Rahmen fällt, weil es das mit Abstand langsamste und kommerziellste Stück des Albums ist. Der Rest ist doch um einiges schneller und härter, findet ihr nicht auch?
Jocke: "Ja, das stimmt schon. Aber auch in den anderen Songs findest du sehr starke Melodien. Das ist der Unterschied zwischen uns und Bands wie den HELLACOPTERS."
Silver: "'Someone Special´ ist eine echte Hit-Single. Warum auch nicht? Wir setzen uns keine musikalischen Grenzen, in der Musik gibt es keine festen Regeln. Wenn wir einen guten Song geschrieben haben, dann ist er auch auf dem Album vertreten. Und dann ist es egal, ob es sich dabei um einen Rocksong oder ein Salsastück handelt. In unsere Musik gibt es nichts wirklich Neues, tausende Bands haben das schon vor uns getan. Wir wollen einfach nur Spass haben und live spielen."
Stimmt es eigentlich, dass Lemmy von MOTÖRHEAD gesagt hat, dass ihr die beste Live-Band seid, die er je gesehen hat?
Silver: "Ja, das stimmt. Er hat unser Album als beste Platte des Jahres 1998 bezeichnet, und zwar in einem amerikanische Magazin namens 'Metal Edge´. Ausserdem sind wir seiner Meinung nach die beste Support-Band, die in den letzten 18 Jahren für MOTÖRHEAD eröffnet hat."
Dann seid ihr also gemeinsam mit MOTÖRHEAD auf Skandinavien-Tour gewesen?
Silver: "Ja, wir sind schon seit vielen Jahren Freunde von MOTÖRHEAD. Ich kenne ihren Drummer schon sehr lange, weil der auch aus Göteborg stammt. Als wir uns erstes Album veröffentlicht haben, bot es sich an, mit MOTÖRHEAD auf Tour zu gehen."
Dann habt ihr also vor "Bad Sneakers & Pina Colada" (Huch, ist das nicht ein STEELY DAN- Zitat?! d.Setzer) schon ein Album veröffentlicht, von dem ich noch nichts weiss?
Jocke: "Ja, aber das gab es nur in Schweden zu kaufen. Wir haben auch nur 5.000 Exemplare davon pressen lassen. Das Teil ist mittlerweile zu einer echten Rarität geworden."
Und wie seid ihr dann zu eurem jetzigen Label Music For Nations gekommen?
Silver: "Sie haben diese CD irgendwie in die Finger bekommen und waren sofort interessiert. Momentan ist dieses Label sicherlich der ideale Ort für uns."
Seid ihr auch irgendwann mal mit Burning Heart Records in Kontakt gekommen?
Silver: "Nein, niemals. Schweden interessiert uns nicht so sehr, obwohl wir unser Land natürlich lieben. Aber die schwedische Musikszene ist ziemlich langweilig, eigentlich spielen die da nur so ein Zeug wie AQUA oder A-TEENS. Für Rock´n´Roll-Bands ist es dort sehr schwierig. Deshalb sind wir auch lieber auf einem englischen Label wie Music For Nations."
Ist es wirklich so schwierig in Schweden?
Silver: "Ja, es gibt kaum Clubs, wo Rock´n´Roll-Bands spielen können, obwohl es gerade in Stockholm und Göteburg einige gute Combos gibt. Wir wären echt bescheuert, wenn wir uns nur auf Schweden beschränken würden - es gibt ja nur acht Millionen Einwohner dort."
Sprechen wir mal über eure musikalischen Vorbilder. Welche Bands haben euch am meisten beeinflusst?
Jocke: "MÖTLEY CRÜE, FASTER PUSSYCAT, SEX PISTOLS, THE CLASH..."
Silver: "...THE RAMONES, IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST und ACCEPT. Die Sachen halt, mit denen wir aufgewachsen sind."
Jocke: "Wobei wir irgendwie an dem sleazy MÖTLEY CRÜE-Image hängengeblieben sind."
Und wie würdet ihr eure Musik beschreiben? Rock´n´Roll? Oder eher Punk´n´Roll?
Jocke: "Wenn mir diese Frage gestellt wird, dann antworte ich immer, dass wir einfach nur Rock´n´Roll spielen. So einfach ist das!"
Silver: "Dazu fällt mir eine Story aus Portugal ein, wo Lemmy von MOTÖRHEAD mal gefragt wurde, wie lange er noch Metal spielen möchte. Aber Lemmy antwortete nur, dass er kein Metal, sondern Rock´n´Roll spielt. Das sagt eigentlich schon alles. Alles ist Rock´n´Roll - die BEATLES, CHUCK BERRY und auch IRON MAIDEN. Die SEX PISTOLS hatten zwar ein Punk-Image, aber im Prinzip spielten sie einfach nur Rock´n´Roll."
Und wie seid ihr dann auf den Namen HARDCORE SUPERSTAR gekommen? Hardcore-Einflüsse kann ich in eurem Sound nicht gerade hören...
Silver: "Auf diese Frage habe ich eine gute Antwort, weil sie mir immer gestellt wird. 'Hardcore´ bedeutet, dass du 100% hinter etwas stehst. Und zwar ganz egal, worum es sich handelt. Du kannst Hardcore-Fussball-Fan sein, du kannst ein Hardcore-Tennisspieler sein und so weiter. Und wir sind eben HARDCORE SUPERSTAR, weil wir hundertprozentig hinter unserer Musik stehen. Ausserdem ist das ein Name, den man sich gut einprägen kann. Auch das Stern-Logo ist sehr gut. Bloss die Firma Converse war wegen dem Logo etwas angepisst, weshalb sie uns anfangs auch verklagen wollten. Sie haben mich deswegen angerufen, aber ich habe sie dann dazu überreden können, uns zu sponsorn. Ich denke, dass das für beide Seiten die beste Lösung war."
Auch nicht schlecht, sponsored by Converse. Aber erzählt doch mal bitte etwas über die Geschichte von HARDCORE SUPERSTAR. Wie fing alles an?
Jocke: "Wir haben vorher in diversen kleinen Demo-Bands gespielt, die nur in Schweden auftraten. HARDCORE SUPERSTAR haben wir dann im August 1997 gegründet."
Silver: "Wir sind alte Freunde, die sich schon seit über 20 Jahren kennen. Wir sind auf die selbe Schule gegangen und haben in der Nachbarschaft Tür an Tür gewohnt. Wir kennen uns wirklich gut."
Und der Rest der Band?
Silver: "Der Schlagzeuger ist auch auf die selbe Schule gegangen. Und den Bassist kennen wir auch schon seit acht, neun Jahren."
Was haltet ihr denn eigentlich von MTV? Ich habe auf eurer Webseite www.hardcoresuperstar.com gelesen, dass ihr anscheinend ein kleines Problem mit MTV habt...
Silver: "MTV zeigt unsere neues Video nicht, weil es angeblich epileptische Anfälle verursachen könnte!!! In dem Clip sind sehr viele Blitzlichter zu sehen... fuck them!!"
Hä? So einen Schwachsinn habe ich ja noch nie gehört!!!
Jocke: "Das ist wahrscheinlich nur eine Ausrede, damit sie das Video nicht spielen müssen. Ich denke, dass wir eine Band sind, die ein Sender wie MTV nur allzu gerne hasst."
Für wie wichtig haltet ihr einen Sender wie MTV?
Silver: "Leider für sehr wichtig! Die haben doch die ganze Musiklandschaft komplett verändert. Nimm doch bloss mal WHITESNAKE als Beispiel. Schau dir WHITESNAKE vor MTV an - dann schau dir WHITESNAKE heutzutage an... es gibt auch keine Bands mehr, die wie LED ZEPPELIN aussehen, alles ist so verdammt stylish und trendbewusst geworden."
Mit der Polizei hattet ihr kürzlich auch mal Ärger, oder?
Silver: "Bei einer Show gab es Ausschreitungen, weil wir etwas zu laut gespielt haben. In Schweden gibt es so etwas wie eine Lautstärkebeschränkung bei Konzerten, weshalb die Bullen dann auch kamen. Daraufhin sind einige der Kids im Publikum ausgeflippt, weil auch die Bullen sehr aggressiv waren."
Jocke: "Die Kids hatten Angst vor der Polizei."
Silver: "Wir waren ganz schön sauer, als wir für ein paar Stunden mit auf das Revier genommen wurden."
Na dann steht uns ja auf euren Konzerten noch einiges bevor... ich persönlich bin ja echt mal gespannt, ob HARDCORE SUPERSTAR wirklich eine so gute Live-Band sind. Hoffentlich sind sie noch dieses Jahr mal auf ein paar deutschen Bühnen zu bewundern...
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