Wer von uns alternden Punks kennt das nicht? „Deutlicher als zuvor spüre ich (...) das Älterwerden.“ Schade, aber sei es ihm gegönnt: Hannes Wader wollte sich „mit einer Reihe von Konzerten in aller Form von Euch verabschieden.“ Und wenn ihr dies lest, ist das im Rahmen seiner ausverkauften „Macht’s gut“-Tour bereits geschehen.
Durch die Schullaufbahn hat er uns gequält mit der ewigen Mitsing-Hymne „Heute hier, morgen dort“ (unter anderem von S.I.K. und DIE TOTEN HOSEN gecovert). Dabei ist der Song doch lediglich ein gesungener Report seines nicht immer glanzvollen, sondern von Gegenwind und Armut gebeutelten Spielmannsdaseins.
Das begann 1942 im westfälischen Bethel bei Bielefeld. Als früher arbeitsscheuer „Punkrocker“ entließ ihn sein Chef im Alter von zwanzig Jahren wegen „Unfähigkeit, Streitsucht und Musizierens während der Arbeitszeit“ als Dekorateur. Also machte er sich auf den Weg nach Hamburg und Berlin, wo sein Talent auf ein fruchtbaren Umfeld traf. In der großen, weiten Welt wurde aus dem romantischen der rebellische Liedermacher. Dass sein Vater wegen Mitgliedschaft in der SPD von seiner Arbeitsstelle entlassen wurde, war ein weiterer Anlass, um über und gegen Ungerechtigkeiten in der Welt zu singen.
1969 entstanden dann Titel wie „Das Bier in dieser Kneipe“ oder „Frau Klotzke“ und später „Gut, wieder hier zu sein“ und „Es ist an der Zeit“, das sich regelrecht zur Hymne der Friedensbewegung entwickelt hat und auf Demonstrationen von Tausenden von Menschen gesungen wurde. In den Siebzigern nahm er sich auch plattdeutscher und anderer Volks- und Arbeiterlieder an.
Seine kommunistischen Pfade verließ er mit dem Ende der Sowjetunion und 1991 trat er aus der DKP aus. Was blieb, war seine sozialistische Grundüberzeugung, weil er der Meinung ist, dass sich seit der Wende die Verhältnisse nicht entscheidend verbessert haben. Mal mehr, mal weniger lyrisch oder gleich in Prosa verlieh er seinen Überzeugungen seit jeher Ausdruck in Liedern und Talking-Blues-Stücken wie der „Arschkriecherballade“, „Der Tankerkönig“ und „Der Rattenfänger“. Diese haben auch nach mehr als vierzig Jahren nicht an Aktualität eingebüßt. Unvergessen sind aber auch die träumerischen Melodien und Bilderbücher malenden „Manche Stadt“, „Wieder eine Nacht“ und „Die Ballade von der Hanna Cash“. Insbesondere die frühen Schallplatten „Der Rattenfänger“, „7 Lieder“ und „Hannes Wader singt ...“ gehören also nicht nur in die Plattenregale ergrauter Alt-68er!
Mit den späteren Jahren wurde Waders Musik dann bodenständiger, weil reflektierter und poetischer. 2013 wurde er mit dem Echo für sein Lebenswerk geehrt, wobei er zusammen mit DIE TOTEN HOSEN auftrat (und Campino unehrenhaft den Text verkackte). Die Laudatio sprach sein Freund Reinhard Mey, der auch mit 75 Jahren noch immer tourt. Am 30. November spielte der Rebell und Poet sein letztes Konzert im Tempodrom Berlin.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Fabi Schulenkorf