Dass Hank von Hell aka Hank von Helvete aka Hans Erik Dyvik Husby ein seltsamer Typ ist, war schon immer klar. Er war es als Frontmann von TURBONEGRO. Und er ist es auch solo. In der Vergangenheit manövrierte ihn diese oftmals nicht zu bremsende Durchgeknalltheit bereits in die Heroinabhängigkeit, den Beinahe-Tod und Sphären religiösen wie gesellschaftlichen Denkens, die nicht zum Lachen waren (wer dies vertiefen möchte, der schaue sich bitte das Interview in Ox #141 zu seinem ersten Soloalbum „Egomania“ 2018 an). Jetzt bringt er mit „Dark“ seine zweite Platte als Hank von Hell heraus. Wenn er darüber spricht, dann begegnet einem der Nonsens zwar in fast jedem Satz, doch wer zwischen den Zeilen liest, der erkennt auch, wie sehr ihn die Dämonen aus der Vergangenheit noch immer zusetzen. Und wie geläutert er offenbar ist.
Hank, wie geht es dir hoch im Norden?
Gut. Ich feiere jeden einzelnen Tag.
Was feierst du?
Mein jetziges Leben. Den Rückzug in mich selbst, befeuert durch die Corona-Quarantäne. Jeden Tag in Isolation zu verbringen, das ist gut.
Warum ist das gut?
Weil jetzt jeder das tut, was ich schon die vergangenen 25 Jahre am liebsten getan habe. Der Lebensstil, den ich seit einem Vierteljahrhundert pflege, ist endlich sozial akzeptiert. Ich bin jetzt quasi der coole Quarantäne-Typ, den alle bewundern.
Interessant. Ich stelle mir eine 25 Jahre andauernde Isolation als sehr, nun ja, hart vor.
Es ist so: Normalerweise verlasse ich mein Haus nur zum Touren oder aus irgendeinem anderen Grund, der dann aber wirklich handfest und wichtig sein muss. Nicht um irgendwelche Leute zu treffen und mit ihnen zu quatschen. Wenn ich nicht toure, wenn ich also nicht arbeite, dann muss ich auch keine Menschen sehen.
Und was machst du so, wenn du alleine daheim hockst?
Ich mache Pläne und telefoniere und bringe die Leute dazu, den Scheiß, den ich ihnen erzähle, zu glauben, haha.
Es gibt da so schöne Memes, die in den sozialen Netzwerken kursieren: „Ich hasse Menschen“ ...
Nein, nein, ich bin kein Misanthrop! Es ist vielleicht Nihilismus, ja. Vor allem aber ist es so: Ich liebe die Menschen sogar so sehr, dass ich ihnen nahe sein will. Aber ich darf ihnen nicht zu nahekommen. Denn dann werde ich normal. Und ich darf nicht normal werden, da ich ein Magier bin und meine Zauberkräfte nicht verlieren möchte. Ich passe aber auch aus einem anderen Grund nicht gut zu normalen Menschen.
Und dieser Grund wäre?
Ich bin ein Rockstar. Und wäre ich das nicht, dann könnte ich mir nur vorstellen, ein Tier zu werden. Ein Schimpanse. Oder ein Tiger.
Interessant. Bei unserem letzten Interview, zu deiner vorigen Platte „Egomania“ vor zwei Jahren, behauptetest du, ein Weißer Hai zu sein. Ein Weißer Hai im Körper eines Menschen. Und du würdest deswegen diskriminiert, weil niemand deine natürlichen Bedürfnisse – unter anderem Menschen auch mal Gliedmaßen abzubeißen – unterstütze würde.
Bin ich auch. Absolut. Das gilt nach wie vor. Es ist eine Qual. Ein Kampf. Die Unterdrückung ist schlimmer als je zuvor. Sie ist geradezu unerträglich. Das Gesetz unterstützt mich nicht. Und die Regierung – die ohnehin wie alle Regierungen korrupt ist – sieht nicht ein, was mit mir los ist. Ich benötigte zum Beispiel Geld für eine entsprechende Operation, um endlich meine wahre Natur zeigen zu können. Aber ich bekomme es nicht.
Was würdest du mit dem Geld tun?
Ich würde ein riesiger Hai werden. Noch größer als ein normaler Weißer Hai.
So etwas wie dieser Ur-Hai, der geschätzt zwischen zehn und zwanzig Meter lang war?
Der Megalodon!
Genau.
Ja. So einer war ich auch schon mal. In ganz frühen Zeiten. Aber es wurde mir zu dunkel. Ich musste mich verändern. Der Megalodon lebt auf dem Grund des Ozeans, da ist es zu düster. Zudem musste ich zu einem Tier werden, das noch existiert.
Dein neues Album heißt aber genau so: „Dark“. Dunkel. Und was auffällt: Dein weißer Anzug und dein weißer Zylinder, die du auf dem Cover von „Egomania“ noch getragen hattest, sind verschwunden. Jetzt gibt es wieder Alice Cooper-Augenschminke, einen finsteren Blick – und du trägst jetzt ein Bandana. Eher Rockergang und SUICIDAL TENDENCIES als schneeweißer Hank.
Ja. „Egomania“ war auch ein Album der Wiederauferstehung von Hank. Es wurde am mexikanischen Tag der Toten, dem Día de Muertos am 2. November, veröffentlicht – ein Tag, an dem die Toten angeblich zurückkehren. Im Vorfeld des Albums hatten Zauberer wie Gandalf oder Voldemort mit Dämonen gekämpft, waren in einen Vulkan gefallen – und aus dem schoss, wie bei einer Ejakulation, der weiße Hank von Hell hervor. „Egomania“ war meine ejakulative Wiederkehr. Seitdem habe ich meine daraus entstandene spermatöse Energie trocknen lassen und den Menschen dargebracht, die sie schnupfen konnten und daraus Freude zogen. Aber es wäre viel zu simpel gewesen, einfach so weiterzumachen und so zu bleiben. Daher hat die post-ejakulative Depression eingesetzt. Daher: „Dark“. „Dark“ ist nicht nur Rock wie „Egomania“, es ist auch Roll. Wie ein doppelter Cheeseburger. An einem Punkt in der Geschichte waren das zwei verschiedene Sachen. Dann wuchsen sie zusammen. „Dark“ dreht sich um Dualismus. Das beginnt schon beim Veröffentlichungsdatum: Es kommt heraus am 15. Juni. Das ist mein Geburtstag. Und der Tag, an dem meine Mutter gestorben ist. Es ist wie der menschliche After: Das ist der schönste Teil des menschlichen Körpers. Aber es kommt auch eine Menge Scheiße heraus. „Dark“ ist wie eine Büchse der Pandora. Schön, aber auch gefährlich. So wie das Leben eines Rockstars eben.
Meinst du damit die zwei Seiten des Rockstartums: Einerseits wirst du gefeiert und verehrt. Andererseits aber können dich die Leute auch fertigmachen und du kannst dich ob des Rock’n’Roll Way of Life aus dem Leben schießen?
Ja, genau so ist es. Das, was ich tue, ist Extremsport. Ein sehr gefährlicher Sport. Eine Menge Kollegen mussten das schon feststellen – und haben diese Erfahrung mit ihrem Leben bezahlt. Weißt du: Eine Krone sieht immer gut aus auf dem Kopf des Herrschers – wenn man sie von außen sieht. Aber sie kann in Wirklichkeit sehr, sehr schwer sein. Es ist ein wahres Paradox.
Aber du hast dir das Rockstar-Leben doch selbst ausgesucht.
Nein. Es kam zu mir. Und es ist das Einzige, was ich kann und kenne. Es würde für mich nicht gut gehen, ein normaler Mensch zu sein. Das kenne ich nicht. Das wäre so hart. Das würde nicht gutgehen.
Du singst zu Beginn der neuen Platte „You can’t kill me – I am already dead“ ...
Ja. Denn du kannst das, was nicht mehr lebt, auch nicht töten.
Das würde voraussetzen, dass du tot bist. Aber du klingst in meinen Ohren recht lebendig.
Das ist wieder so ein Paradox. Diese Dualität.
Was hat es sonst noch so für Vorteile, eigentlich schon tot zu sein?
Ich kann den Menschen erzählen, wie das Leben nach dem Tod aussieht. Ich kann ihnen sagen: Es ist ein Rockstar-Leben. Man tourt viel und fliegt um die Welt. Man wird sexy. Und wenn ich das den Menschen erzähle, dann haben sie möglicherweise keine Angst mehr vor dem Tod.
Ein neuer Song heißt „Forever animal“. Welches Tier außer einem Weißen Hai würde noch zu dir passen?
Papa Bär, weil er sehr gemütlich und gutmütig ist. Ein Adler, weil ich alles von oben sehen kann. Vor allem aber ein Honigdachs.
Wie bitte?
Ja, ein Honigdachs. Und ich sage dir auch warum: Er ist laut Guinness-Buch das furchtloseste Tier der Welt. Sie fressen nahezu alles, wenn es sein muss. Sie kämpfen gegen jedes andere Tier bis zum Tod. Da können sechs Löwen ankommen – es wäre ihnen egal. Sie haben eine so dicke Haut, dass andere Tiere sie kaum gefährlich beißen können. Sie geben einen Scheiß auf alles. Sie sind perfekt. Menschen dagegen machen um alles viel Aufhebens.
Du hast mal gesagt, Rock’n’Roll löse alle Probleme. Stimmt das immer noch?
Absolut!
Wie sieht es diesbezüglich mit dem Corona-Virus aus?
Genauso. Wenn du Rock’n’Roll hörst, dann wirst du auf Dauer immun dagegen. Und sei es, dass du stirbst und dich dann nichts mehr töten kann. „You can’t kill me, I am already dead“ eben. Am besten hörst du in diesen Zeiten „Fuck like a beast“ von W.A.S.P. Wer sich an diese Maxime hält, der wird gut durch die Pandemie kommen.
Was denkst du eigentlich über die Rolle von Künstlern in diesen Corona-Zeiten? Sind sie systemrelevant?
Ja. Und das waren sie schon immer. Die Menschheit hätte viele technischen Errungenschaften bis heute nicht, wenn sie nicht von Künstlern vorweggenommen worden wären. Ein gutes Beispiel ist der Autor Jules Verne: Ohne seine Romane „20.000 Meilen unter dem Meer“ oder „Von der Erde zum Mond“ gäbe es weder U-Boote noch Raketen. Das darf man niemals vergessen!
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