Auch wenn es erst 2008 die HAMMERHEAD-Compilation „Cut The Melon“ war, die Markus Haas und Per Koro Records und die Band in einem konkreten Labelkontext zusammenbrachte, so begleitet Markus sie doch schon seit ihrer Frühzeit. Es bot sich also an, ihn als Zeitzeugen zu befragen.
Markus, du hast vor 31 die ersten Platten auf Per Koro veröffentlicht. Wie kamst du einst zum Labelmachen, und wie wurde die Musik zum Hauptlebensinhalt?
Okay, Schnelldurchlauf ... Da für mich während der Adoleszenz relativ schnell klar war, dass ich nicht fürs Rampenlicht geboren bin, und dieses bis heute auch nicht sonderlich suche, blieb für mich innerhalb der Szene, zu der ich als Heranwachsender irgendwie auch einen Beitrag leisten wollte, nur der Schreibtisch über. Nach Compilation-Tapes in Miniauflagen, einigen Beiträgen für Fanzines und meinem kleinen Mailorder namens Terror Vertrieb konnte ich dann binnen meiner Zivildienstzeit endlich durch Lohntüte und zusätzlichen Secondhand-Plattenverkäufe etwas Geld ansparen, um den lang gehegten Traum von einer eigenen veröffentlichten Platte verwirklichen. An ein Label mit regelmäßigen Veröffentlichungen hatte ich da noch keinen Gedanken verschwendet. Ein Single-Bootleg, das quasi als Testballon herhalten musste, verlief vielversprechend und meine letzten Zweifel und Ängste bezüglich Abwicklung, Werbung, Verkauf waren aus dem Weg geräumt. Ich hatte merklich Blut geleckt.
Wie ging es weiter?
Nach zwei, drei Veröffentlichungen zog ich 1993 von der kleinbürgerlichen Ostalb nach Bremen und wollte schlicht und einfach das machen, was mir Spaß bereitet. Das waren vornehmlich weitere Labelreleases, gepaart mit einem Mailorder, da ich den Großteil meiner Labelsachen tauschte – ich hatte schon während meiner Zivildienstzeit einen An/Verkauf von Secondhand-Punk/Hardcore-Platten gestartet. Außerdem wollte ich endlich selbst Shows veranstalten und ab und an mit Bands auf Tour gehen. Ich hatte das Glück, dass ich anfänglich staatliche Unterstützung in Form von BAföG erhielt und mir dank des Geldes zumindest um die Miete keine Gedanken machen musste. Gewinne aus den Releases wurden direkt in weitere Veröffentlichungen reinvestiert – zu der Zeit bezahlte das Label auch noch das Studio. Nach zwei Jahren lief dann die Unterstützung aus und ich hätte Sozialhilfe beantragen oder mir Arbeit suchen müssen. Gleichzeitig hatte Per Koro aber schon eine gewisse Größe erreicht – bis dato immer noch ohne Gewerbeschein! Was also tun? Natürlich hatte ich nach wie vor keinerlei Interesse an einem Studium oder an regulärer Lohnarbeit. Also aus der Not eine Tugend gemacht und Gewerbe angemeldet und fortan alles offiziell betrieben. Ich habe weiterhin völlig frei und unbekümmert – für einige wohl auch naiv – das veröffentlicht, was mir gefiel, und dabei nie einen Business-, Release- oder Masterplan verfolgt.
In den Neunzigern und Nullern gab es sehr viele Releases, danach etwas weniger, zuletzt eher sporadisch. Wie ist der Status von Per Koro aktuell? Auf deiner Website steht nur was von einem „Sabbatical“, einer Auszeit.
Um ehrlich zu sein kann ich darauf gar keine verbindliche oder endgültige Antwort geben. Was ich zumindest definitiv ausschließen kann, ist ein erneutes Ladenlokal und einen Mailorder. Glücklicherweise hat Corona mich nicht ruiniert, im Gegenteil, dank Corona konnte ich mich einigermaßen konsolidieren, so dass ich ohne Bauchschmerzen vor Schulden, Verpflichtungen etc. das Ladenlokal beruhigt kündigen und Mailorder und Label auf Eis legen konnte. Ich merkte, dass es die letzten zwei, drei Jahre – trotz wirtschaftlichem Gewinn – weniger Spaß machte. Konsequenz: ich will mir Zeit nehmen und überlegen, ob und wie es weitergehen soll. Ich muss mir letztlich selbst und anderen nichts beweisen und auf Teufel komm raus was machen, um in irgendeiner Weise präsent zu sein, das ist mir völlig egal. Es juckt noch immer in den Fingern, aber letztendlich setze ich mich nicht unter Druck. Es kommt, wie es kommt. Meinen Lebensunterhalt bestreite ich mittlerweile auch anderweitig, so dass ich nicht aus Geldzwängen etwas aufrechterhalten muss.
Und wie empfindest und erlebst du das Labelmachen heutzutage?
Ich kann da letztlich nur für mich sprechen. Die Gründe für weniger Lust an dem Business liegen eigentlich auf der Hand. Ich reiße das jetzt nur in Stichwörtern an. Eine Veröffentlichung wird immer teurer und ich habe keine Lust, eine 7“ für 10 Euro oder eine LP für 20 bis 25 Euro zu verkaufen. Mir ist dabei klar, dass Material-, Energie- und Personalkosten exorbitant gestiegen sind. Releasetermine werden nicht sonderlich eingehalten; sprich: Planbarkeit gleich null. Ich habe kein Interesse an Reissues in tausend Farbkombinationen, die eigentlich niemand braucht, aber dennoch ohne Ende gekauft werden. Dazu gesellen sich extrem hohe Frachtkosten beim Versand der Tonträger bei gleichzeitigen Rekordgewinnen der Versandunternehmen. Und hundert weitere Gründe! Ich habe seit gut 15 Jahren für mich und Per Koro die Prämisse verfolgt, dass ich nur noch mit Leuten zusammenarbeiten möchte, die ich zum einen aus dem direkten und persönlichen Umfeld kenne oder die zum anderen zumindest einen ähnlichen Werdegang/Background, also Ansichten über Labels, Releases teilen und die man über die letzten Jahre oder Jahrzehnte mitverfolgt hat. Ich habe nie einen Vertrag oder Ähnliches mit einer Band gemacht noch habe ich daran partizipiert, wenn eine Band zu einem größeren Label wechselte. Ich habe auch keinerlei Interesse an einem Release mit einer Band, wo ich zwar die Musik genial finde, jedoch im Vorfeld keinerlei Bezug zu den Leuten habe beziehungsweise sie nicht kenne. Ebenso möchte ich mich an keiner unpersönlichen Split-Label-Geschichte beteiligen. Zugegeben hat es das Ganze in den letzten Jahren auch nicht gerade vereinfacht, dass mir der Großteil der aktuellen hiesigen Bands nicht sonderlich zusagt.
Wie war deine erste Wahrnehmung und dann Begegnung mit HAMMERHEAD?
Ich habe HAMMERHEAD zeitnah 1991, mit dem Erscheinen der „Resist“-7“ und kurze Zeit später mit ihrer Split-7“ kennen gelernt. Die „Resist“-7“ hatte ich direkt von Bodo Mikulasch von Bodonski Records erhalten, die Split mit NOT THE SAME dann, soweit ich mich erinnern kann, über Umwege etwas später ertauscht. Im Jahr darauf bin ich dann alleine mit meinem Toyota Starlet in Richtung Westerwald aufgebrochen, um mir HAMMERHEAD mit NOT THE SAME und anderen in einer Blockhütte live anzusehen. Ich kann mich aber nur noch vage an das ganze Szenario erinnern. Die Räumlichkeit war extrem beengt und vor der Bühne flogen massig Menschen und Bierdosen umher. Ich fand es aber wohl so gut, dass ich mir HAMMERHEAD im Herbst des Jahres 1992 noch zweimal mit BAD TRIP auf der gemeinsamen Europatour angeschaut habe.
Was schätzt du an der Band – damals, heute?
Im Vergleich zu anderen heimischen Bands wie CHARLEY’S WAR, RYKER’S oder MIOZÄN und europäischen Bands wie PROFOUND, MANLIFTINGBANNER oder NATIONS ON FIRE, die sich in etwa im gleichen Zeitfenster formierten, Platten veröffentlichten und tourten und wie HAMMERHEAD musikalisch grob am angesagten NYHC- und SxE-Sound der Endachtziger orientierten, besaßen HAMMERHEAD trotz des NYC-Camouflage-Images salopp gesagt eine mächtige Punk-Attitüde. Sie haben sich schlicht vom damaligen Einheitsbrei des Genres abgehoben. Der absolute Gamechanger war und ist natürlich das erste Album „Stay Where The Pepper Grows“. In jeder Hinsicht, also Cover, Layout, Samplings, Texte und Musik, ist das brachial, stumpf, asozial und absolut kompromisslos. Ich tue mich schwer mit Superlativen, aber dieses Album ist für mich eines der heimischen Top-Alben der Neunziger und absolut zeitlos. Okay, der Sound könnte etwas besser sein. Mit dieser Messlatte hatten alle darauffolgenden Releases für mich zu kämpfen. Keine Frage, „Weißes Album“ und „Farbe/Color“ weisen auch eine extreme Hitdichte auf und sind losgelöst vom ersten Album natürlich auch der Hammer. Jedoch ist der „Wow“- und „Aha“-Effekt des ersten Albums für mich nachhaltiger und letztendlich bedeutender.
Welchen Eindruck hinterließen die Konzerte?
Live konnte ich die Band im Zeitraum 1995 bis zur Abschiedstour 2004 noch einige Male bewundern. Für mich als Abstinenzler war es mitunter faszinierend, was auf einer HAMMERHEAD-Show geboten wurde. Neben der grandiosen musikalischen Darbietung gab es immer ein buntes Potpourri an Zugaben. Bierduschen, Pöbeleien auf und neben der Bühne, öffentlicher Drogenkonsum und im Prinzip die gesamte Palette an Verhaltensweisen, die mir auf einer öden SxE-Show nicht geboten wurden. Entertainment Deluxe. Ich meine das jetzt auch keinesfalls abschätzig, sondern durchaus positiv und wertschätzend. Ich bin mir mittlerweile nicht sicher, ob ich HAMMERHEAD häufiger vor oder nach der Reunion 2008 live gesehen habe. Ich hatte die Möglichkeit, den Reunion-Konzerten in Hamburg beiwohnen zu dürfen, und habe die Band bei den darauffolgenden Shows durch die Gegend kutschiert. Das hat mir extrem Spaß gemacht. Sowohl Band als auch Publikum waren meiner Ansicht nach jeweils euphorisiert. Um ehrlich zu sein, dachte ich mir ab circa 2013/14, so langsam wird es mir etwas zu langweilig. Kein neues Songmaterial und der Reunion-Bonus verblasst allmählich. Alle Leute, die die Band mal wieder sehen wollten, hatten die Chance bekommen. Kommt da noch was oder ist die Band nur noch ein Vehikel, um einander alle paar Monate zu treffen und eine gute gemeinsame Zeit zu haben? Was völlig legitim ist, solange noch Interesse besteht. Nur mir war es dann eben zu langweilig. Spätestens nach der „Opa war in Ordnung“-7“ auf Flos HeartFirst-Label ist mein Interesse wieder enorm gestiegen und auch wenn ich heute Headbert etwas auf der Bühne vermisse, scheint der gar nicht mehr so neue Gitarrist David der Band wohl auch etwas „neues Leben“ eingehaucht zu haben. HAMMERHEAD machten damals irgendwie ihr eigenes Ding und machen es in der Gegenwart zum Glück immer noch. Ob strunzbesoffen oder heutzutage ein bisschen altersmilde, ist mir dabei egal –solange es noch kickt. Wenn ich HAMMERHEAD mit einem einzigen Wort umschreiben müsste, wäre es: kompromisslos!
Du selbst bist straight edge, HAMMERHEAD eher nicht. Headbert allerdings bezeichnet sich als „seit acht Jahren SxE“. Wie sahst, wie siehst du das im persönlichen Umgang?
Lapidar gesagt: ich bin jetzt 50+ und mir ist mittlerweile oder eigentlich schon immer recht egal, ob wer Drogen konsumiert oder nicht. Die Entscheidung darüber was, wie und die Häufigkeit, aber auch die Konsequenzen, die daraus resultieren, hat jede:r selbst zu treffen und zu tragen. Ich war immer mehr oder weniger der Einzige in meiner Peergroup, der diesen Weg Ende der Achtziger eingeschlagen hat, weil es für mich eben wichtig war und ist. Von daher ist es für mich völlig „normal“, mich im Alltag, Partys, Konzerten, Partnerschaft weitgehend mit Leuten zu umgeben, die Drogen konsumieren. Ich habe da nie irgendwelche Bedenken gehabt. Ich mache das in erster Linie einzig für mich. Bis auf ein paar Pennälerfrotzeleien habe ich auch nie von jemanden was gehört. Es schallt aus dem Wald, wie man hineinruft.
Du hast 2008 die HAMMERHEAD-Compilation „Cut The Melon“ veröffentlicht. Wie kam es damals zu der Zusammenarbeit? Und gibt es die Platte noch, planst du eine Nachpressung? Bei Discogs steht die LP bei 30 Euro.
Soweit ich mich erinnere, waren Headbert und ich im Prä-Facebook/Instagram-Zeitalter rege Protagonisten auf dem M.A.F.I.A.-Messageboard, das neben dem Poison Free-Board wohl seinerzeit mit zu den größten Messageboards im deutschsprachigen Raum zählte. Nach Absprache mit dem Rest der Band fragte er mich schlicht, ob ich Interesse daran hätte, und ich habe einfach zugesagt, weil mir auch die musikalische Frühphase der Band gefiel. Für mich war es zudem auch ein perfekter Zeitpunkt, da ich nach meinem Umzug von Bremen nach Bielefeld 2005 und der kostspieligen und nervenaufreibenden Übernahme des Greed-Plattenladens 2006 wieder etwas mit der Labelarbeit beginnen wollte. Vor locker fünf Jahren gab es ein paar Gespräche wegen einer Nachpressung. Dies verlief aber irgendwie im Sande und seither wurde es von meiner und Bandseite aus nie mehr thematisiert oder forciert.
Und wie gefällt dir, was du vom neuen Album bisher mitbekommen hast?
Bis jetzt kenne ich auch nur den Song, der auf der Bandcamp-Seite veröffentlicht wurde. Ich wollte mir die Spannung und Vorfreude auch bewahren und nicht um fertige oder Vorabsongs betteln. Ich finde aber, dass dieser Track easy das Niveau der „Opa war in Ordnung“-Aufnahmen hält, die auch schon wieder paar Jährchen auf dem Buckel haben. Ich mache mir keine Sorgen, dass mit „Nachdenken über Deutschland“ nur ein lauwarmes Lüftchen veröffentlicht werden würde. Ich freue mich auf das Album. Schön auch, dass Ralf von Holy Goat das Teil veröffentlicht hat und nicht ein größeres Schrottlabel daran partizipiert.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #172 Februar/März 2024 und Joachim Hiller