ROCKERS, Hannover

Christoph, wann hast du Rockers gegründet und was hat dich dazu gebracht?

Schon als Jugendlicher wollte ich immer mehr Platten haben, als ich mir leisten konnte. Da habe ich auf dem Flohmarkt meine Fehlkäufe verkauft, um wieder Geld für neue Platten zu haben. Irgendwann ist ein Freund von mir in einen Bauwagen umgezogen und wollte seine Plattensammlung nicht mitnehmen, die landete dann bei mir. Ein Teil davon kam in meine Sammlung, den Rest habe ich auf den Flohmarkt getragen oder Freunden gezeigt. Einigen von denen fiel ein, dass sie ja auch noch ihre alte Sammlung im Keller stehen hatten ... Irgendwie hat sich das verselbstständigt und bald standen sogar in unserer Küche Kisten mit Schallplatten, die Wohnung war voll. Als dann um die Ecke in Hannover-Linden ein 18 qm kleiner Laden frei wurde, habe ich mich getraut und es einfach ausprobiert. Das war 1993.

Und wie ging es weiter?

1995 bin ich gemeinsam mit meiner Frau, die Schneiderin ist, in die jetzigen Ladenräume in der Weckenstraße umgezogen, rund 100 qm. Sie hatte damals auch in einem Berliner Laden Kleidung hängen. Als wir 1996 dort waren, erzählten die Jungs, dass sie eine Ladenhälfte untervermieten wollten, sie könnten sich gut einen Plattenladen vorstellen. Zwei Monate später eröffnete die Rockers-Filiale in der Wiener Straße in Kreuzberg. Im selben Jahr habe ich auch mit der Website angefangen. Das war eine sehr spannende Zeit, aber auch ziemlich anstrengend: Ich war jede Woche drei Tage in Berlin, drei Tage in Hannover und fast jeden Sonntag auf Plattenbörsen, dazu kam noch der Mailorder. Nach fünf Jahren wollte ich aber wieder Zeit für Frau und Freunde haben, so fiel der Entschluss, den Berliner Laden aufzugeben. Seitdem konzentriere ich mich auf den Laden in Hannover und den Versand.

Welche Musikrichtungen deckst du ab?

Angefangen haben wir als reiner Punk/Metal/Alternative-Laden, über die Jahre hat sich das dann in alle Richtungen ausgeweitet. Inzwischen haben wir fast alle Musikstile außer Schlager und Techno. Im Laden stehen etwa 12.000 Secondhand-LPs, Maxis und Singles auf Vinyl plus rund 2.000 CDs. Der Punk/Indie-Bereich macht immer noch über ein Drittel unseres Angebots aus. Sonst haben wir viel Reggae und Ska, HipHop, Rock, Jazz, Funk und Soul, aber auch Rock’n’Roll, Soundtracks, Blues, World Music ... Außerdem gibt es bei uns noch Graffiti-Spraydosen und Filme auf DVD und Blu-ray.

Wo bekommst du deine Ware hauptsächlich her?

Wir kaufen ständig Sammlungen oder Einzelstücke aus allen Musikrichtungen. Hier hilft es sehr, dass es den Laden schon so lange gibt: oft bekommen wir Platten von Kunden angeboten, die vor zwanzig Jahren bei uns gekauft haben und jetzt aus der Musik „herausgewachsen“ sind.

Was macht Spaß, was weniger?

Kleine Höhepunkte gibt es fast jeden Tag: es ist unglaublich, wie viele spannende, gute oder obskure Platten es gibt, da entdecke ich auch heute noch ständig Neues und Faszinierendes. Letzte Woche war zum Beispiel bei einer Sammlung eine 10-Single-Box dabei, auf der nur Morsetöne sind – ein echtes Ready-Made-Minimal-Electronic-Kleinod. Das größte Highlight aber: Ich mache den Laden jetzt seit fast 25 Jahren und gehe immer noch gerne zur Arbeit, das können vermutlich nicht viele Leute von sich sagen. Natürlich gibt es auch mal Sachen, die nerven: beispielsweise ein wochenlanger Post-Streik oder eine defekte Spraydose, die mich innerhalb von zwei Sekunden von Kopf bis Fuß schlumpfblau eingefärbt hat. Richtige Katastrophen hat es aber glücklicherweise in den letzten Jahren nicht gegeben.

Was für Leute kaufen bei dir?

Die komplette Bandbreite: 15-Jährige, die sich ganz frisch die Musikgeschichte erobern; fanatische Sammler, denen nur noch zwei Platten zu ihrem Glück fehlen – und die dann doch noch etwas ganz anderes finden. Punks, die vor dem Edeka-Markt das Geld für die Deutschpunk-Platte geschnorrt haben. Rentner, die jetzt wieder Zeit für ihre Sammlung haben. Musikjunkies, die jeden Tag eine neue Platte brauchen. Schaufensterbummler, die nur mal gucken wollen und dabei „ihren Song“ entdecken. Liebhaber, die endlich die leiernde Kassette oder die knisternde Platte durch eine LP im Topp-Zustand ersetzen wollen. Durchgefeierte, die eben noch in der Disco diesen großartigen Track gehört haben – sich jetzt aber nicht mehr sicher sind, ob der „la-laa-la“ oder „la-la-laa“ ging. Enthusiasten, die Neues entdecken oder Altes wiederfinden möchten. Kinder, die ein Geburtstagsgeschenk für die Eltern suchen, oder Eltern, die ein Geburtstagsgeschenk für die Kinder suchen. DJs, die nach Beats für die nächste Party diggen – und alles, was dazwischen liegt. Menschen wie du und ich also.

Für deinen Onlineshop scannst du jedes neue Plattencover und listest diverse Informationen zum Tonträger auf. Ist das die Mühe wert?

Da steckt wirklich viel Arbeit und Herzblut drin, ich glaube aber schon, dass es das wert ist. Als Sammler wünsche ich mir eine genaue Beschreibung und ein Bild von exakt der Platte, die angeboten wird, damit ich weiß, was ich bekomme. Diesen Service möchte ich mit der Website bieten. Das Kundenfeedback und eine Retourenrate von quasi 0% bestätigen uns da.

Dein persönliches Lieblingsalbum?

Hunderte, ach was, Tausende. Zwei Beispiele: die erste CLASH-LP, eine meiner ersten Punk-Platten, und der „Club Ska ’67“-Sampler, mit dem ich jamaikanische Musik entdeckt habe. Der Song „Clash city rockers“ und der „Rockers“-Drum-Rhythmus aus dem Reggae haben dann auch zum Ladennamen Rockers geführt.

Rockers, Christoph Stadtmüller, Weckenstr. 1, 30451 Hannover