Grillmaster Flash, in Bremen, liebevoll Grilli gerufen, hat mit seiner Band THE JUNGS sein zweites Album „Stadion“ aufgenommen, das sich musikalisch stark aus klassischem amerikanischen Songwriter-Rock speist, textlich andererseits seinen Ursprung in der norddeutschen Provinz hat. Bis heute hat es wohl kein Künstler geschafft, den kleinen zwischen Bremen und Hamburg gelegenen Ort Sottrum als Rock’n’Roll-Sehnsuchtsort zu skizzieren. In einem anderen Stück glorifiziert Grillmaster Flash die simplen Dinge des Lebens: Musik, Bier, Freundschaft und Abhängen mit den Jungs. Die wunderbar eingängige Rockballade „Zsa Zsa Gabor“ bedient sich aller möglichen Floskeln und funktioniert doch als romantisches Liebeslied. „Jonny gibt nicht auf“ beschreibt sympathisch das Scheitern eines Musikers, der nicht aufgibt, sondern weitermacht, weitermachen muss und dabei sein Rückgrat behält. Grillmaster Flash begegnet den Charakteren in seinen Stücken mit Empathie, weil er ihnen niemals eine Blöße gibt oder sie der Lächerlichkeit überlässt. Sie scheitern mit Würde. Grilli gelingt auf „Stadion“ der Balanceakt zwischen humoristischen Texten, die unter der Oberfläche stets einen ernsten Tenor behalten, und deswegen niemals in Klamauk abdriften.
Stadion“, da kam mir zuerst Fußball in den Kopf, aber dann schlich sich der Begriff Stadionrock ein, was ganz gut zu deiner Musik passt.
Wenn man es ganz kurz sagen möchte: wir machen die kleinen Songs und das Stadionthema ist das genaue Gegenteil. Es ist die größtmögliche Erhebung der Musik, quasi. Mit Fußball hat es tatsächlich nichts zu tun. Es soll eher die große Geste symbolisieren, eine Metapher, um das Kleine groß zu machen.
Auf vielen Stücken singst du über Verlierertypen, du bist aber eigentlich ein Gewinner, ist das nicht irgendwie seltsam?
Der klassische Siegertyp bin ich jetzt nicht. Ich kann machen, was ich will, und bin vielleicht dadurch ein Gewinner. Ich finde das große Thema Scheitern interessant, weil ich es in seiner Ästhetik mag. Ich finde Leute gut, die Sachen nicht hinbekommen und es trotzdem weiter probieren.
Das ist ja der Punkt, du hast es hinbekommen.
Was habe ich denn hinbekommen? Ich kann auf eine Bühne gehen und Platten aufnehmen. Dafür habe ich mich entschieden, ich könnte vielleicht aber auch was ganz anderes machen, was mich auch irgendwie erfüllt. Will ich aber nicht und darum geht’s ja eigentlich im Kern. Um ehrlich zu sein, finde ich, ist die Verliererästhetik auf diesem Album gar nicht das Hauptmotiv. Das fand ich bei der ersten Platte viel ausgeprägter.
Aber die Typen in deinen Songs definieren sich sehr stark über eine Anti-Haltung. Da schwingt ein Stück weit auch Stolz über das eigene Scheitern mit, oder?
Ich sehe das nicht in dieser klassischen Richtung, also der Stolz des kleinen Kämpfers. Das wäre mir zu Onkelz-mäßig. Ich will nicht so ernste Sachen machen, bei denen sich zwei Typen mit verheulten Augen in den Armen liegen und einander versichern, dass sie, als harte Kerle, es trotzdem schaffen werden. Es ist doch viel charmanter, wenn man mal über seine Situation in der Gesellschaft nachdenkt und entdeckt, dass alles irgendwie auch eine komische Seite hat. Im Prinzip braucht es doch nur ’ne Bude, was zu essen, eine sinnvolle Tätigkeit, ein paar gute Leute um sich herum und Gesundheit. Es ist nicht schlimm, wenn jemand nicht erfolgreich ist, aber genau das Gegenteil wird suggeriert, dass Erfolg sexy ist und jeder etwas Besonderes reißen muss. Ich finde nicht, dass jeder etwas total Außergewöhnliches hinbekommen muss, um dann geiler zu sein. Bei dem ganzen Quatsch muss nicht jeder mitmachen. Und was mich selbst betrifft: Ich bin in erster Linie da, um zu unterhalten.
Wie schwer ist es dann, Humor in Musik unterzubringen?
Eigentlich erst mal gar nicht. Kommt drauf an, was man unter Humor versteht. Wenn Humor etwas mit Witz zu tun hat, geht das auf jeden Fall klar. Klassische Humorbands, die witzige Musik machen wollen, gehen manchmal in die Hose, haha. Ich finde das eigentlich nicht schwer. Das ist halt Teil meiner Art, über Themen nachzudenken und sie zu interpretieren.
Neben der klassischen amerikanischen Rockmusik, die dich ja ganz klar auf „Stadion“ ispiriert hat, siehst du da weitere Einflüsse von Künstlern deines neuen Labels Grand Hotel van Cleef?
Nein. Die Platte wurde nicht für ein Label geschrieben, sondern in erster Linie für mich. Klassische Vorbilder waren Tom Petty oder Bruce Springsteen. Das sind Songwriter, die immer noch einen großen Einfluss die auf Rock- und Popmusik haben. Sich daran zu orientieren, ist grundsätzlich nicht verkehrt. Ich mag aber auch die Musik von Ryan Adams oder THE REPLACEMENTS und amerikanischen Rock der späten Siebziger und frühen Achtziger. Also der Orientierungspunkt ist im Prinzip Musik, die ich selber gerne höre, das unterscheidet mich nicht groß von anderen Künstlern. Das bedeutet nicht, dass ich absichtlich wie jemand anderes klingen will, wenn dem so wäre, würde ich wahrscheinlich einen Satz wie „Seine Musik passt in keine Schublade“ in mein Bandinfo schreiben. Ich finde, das Album geht stilistisch ziemlich weit auseinander, und ich habe nicht das Gefühl, dass das einen bestimmten Stempel hat.
„Stadion“ hat diverse Einflüsse, aber klingt wie aus einem Guss.
Das finde ich auch. Was ich wollte auf dem Album, und das sehe ich gerade bei deutschsprachigen Künstlern wenig, war eher, amerikanisch zu klingen. Das hat sich durch die ganze Produktion gezogen. Wir wollten das breitbeinige, fette, rockproduzierte nicht, sondern es sollte wie so ein Achtziger Ding klingen, etwas schärfer, statt Oberbrett.
Was auffallend ist, du benutzt viele englische Wendungen in deinen Liedern, woher kommt das?
Das ist bestimmt von dem SPLIFF-Song „Carbonara“ inspiriert. „Zsa Zsa Gabor“ ist sogar dreisprachig – deutsch, englisch, französisch. Warum auch nicht. Zsa Zsa Gabor war eine Frau, die viele Sprachen gesprochen hat. Daher kommt das sicherlich. Ansonsten ist Englisch ja so was wie die Pop-Sprache, also geht das doch klar.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #140 Oktober/November 2018 und Lars Reimers
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