Da dies nach vier Jahren (#73) das erste Interview mit Greg Graffin für das Ox ist, erlaube ich mir, der geneigten Leserschaft meinen Gesprächspartner kurz vorzustellen. Greg Graffin hat im September 2010 gleichzeitig mit dem Erscheinen des 15. BAD RELIGION-Albums „The Dissent Of Men“ die englische Originalversion seines aktuellen Buches „Anarchie und Evolution: Glaube und Wissenschaft in einer Welt ohne Gott“ veröffentlicht. Das Buch berichtet von seinem persönlichem Werdegang, vom aufmüpfigen, autoritätskritischen Jungen bis zum Universitätsdozenten für Evolutionsbiologie, der nebenbei auch noch in einer Punkband namens BAD RELIGON singt, und deren Entstehung und Geschichte darin ebenso wie die Geschichte der frühen L.A.-Punk-Szene erzählt wird. Das Buch ist aber auch eine (im positiven Sinne) populärwissenschaftliche Schilderung der Geschichte der Erde seit dem Urknall, es liefert einen Überblick über die gegenwärtige Evolutionsbiologie. Es geht dabei mit dem Darwinismus und dem Konzept der modernen Synthese genauso hart ins Gericht, wie mit dem Übel Religion, aber auch mit den Vertretern des Neuen Atheismus, deren bloßer Negativität Graffin sein Weltbild gegenüberstellt. Anlässlich der aktuellen Veröffentlichung des Buches in Deutschland traf ich Greg Graffin während der diesjährigen Europatour von BAD RELIGION in Berlin. Dabei verriet Graffin mir bereits den Titel und Inhalt seines kommenden Buches und die Pläne für das nächste BAD RELIGION-Album, und blieb noch genug Zeit, um über „Anarchie und Evolution“, Paradigmenwechsel, Naturalismus und auch ein bisschen über Punkrock zu sprechen.
Dein Buch sollte im Deutschen ursprünglich den Titel tragen „War Darwin ein Punk?“ ...
Ja, aber der Verlag hat das wieder geändert. Ich habe ihnen gesagt, dass es ja in dem Buch nicht wirklich um diese Frage geht.
Euer aktuelles Album „Dissent Of Men“ spielt auch auf Darwin an, indem es den Titel seines Buches „The Descent of Men“ abwandelt.
Na ja, der Grund für diesen Titel ist, dass das Album eine Art „Meilenstein“ war, da wir inzwischen seit 30 Jahren Musik machten, was unerwartet und einfach unglaublich ist. Aber die Band hat in dieser Zeit eine Evolution durchgemacht und wir wollten diese Evolution genauso würdigen wie Darwins bekanntestes Buch „Von der Abstammung des Menschen“. Natürlich hat er „Dissent“ anders geschrieben, aber wir haben das eben als eine Metapher benutzt für gegenwärtige Verhältnisse.
Eure Wandlung von „Descent“ zu „Dissent“ klingt natürlich wesentlich pessimistischer ...
Für mich ist das nicht pessimistisch. Wörtlich genommen hast du natürlich Recht. Aber die amerikanische Nation gründet sich in positiver Weise auf Dissens, und für mich ist das auch eine Legitimation von Protest. Nicht blinder Protest aus bloßem Nihilismus, sondern um eine bessere Gesellschaft zu erschaffen. „Dissent“ ist also gerade nicht pessimistisch, sondern insofern optimistisch, als es die Möglichkeit von Veränderungen enthält. Genau darum geht es auch in dem Buch: Die Wissenschaft kann sich nicht weiterentwickeln, wenn man nicht die Autoritäten und Paradigmen hinterfragt. Das erste Kapitel des Buches greift dieses Problem mit den Autoritäten auf, denn wenn man sich zu sehr auf die Autoritäten verlässt, führt das zu Stagnation. Wir sehen das auch in der Natur: Wenn es ein Gleichgewicht der Arten gibt, gibt es keine Veränderung. Neue Arten, und damit eine evolutionäre Veränderung, entstehen nur, wenn es in der Natur zu einem Durcheinander kommt.
Zu den Paradigmen, die du kritisierst, gehört auch das der natürlichen Selektion, die immer noch als vorherrschendes Erklärungsmodell in der Evolutionsbiologie dient.
Diese Kritik ist Teil der Anarchie, auf die ich mich im Titel des Buches beziehe. Anarchie bedeutet für mich einfach das Fehlen von Gesetzen beziehungsweise Gesetzlosigkeit und sie passt nicht zu den etablierten Gesetzen. Ein Paradigma ist eine Denkweise, die nicht hinterfragt wird. Aber in der Wissenschaft kann man nur dann Fortschritte machen, wenn man alte Paradigmen abschafft und durch neue ersetzt. Ich weiß auch nicht, ob man ein Paradigma wirklich „erschaffen“ kann, oder ob sie einfach aus verschiedenen Denkweisen heraus entstehen. Wenn sie aus dem Aufeinandertreffen von Denkweisen entstehen, dann sind dafür Erklärungsmuster notwendig, die die gegenwärtigen Paradigmen in Frage stellen. Und das versuche ich in meinen wissenschaftlichen Schriften zu etablieren, in meinem Songwriting, und ich versuche es meinen Studenten näher zu bringen, um sie so dazu zu motivieren, ihre bequemen Ansichten kritisch zu hinterfragen.
Forscht du noch im Bereich Wissenschaftsphilosophie und -geschichte, wie du es für deine Doktorarbeit getan hast?
Für jede Vorlesung, die ich vorbereite, oder mit jedem wissenschaftlichen Buch, das ich lese, betreibe ich diese Nachforschungen. Aber ich schreibe auch an einem neuen Buch mit dem Titel „Population Wars“, das auch einige bequeme Paradigmen in Frage stellt.
An diesem Buch schreibst du offenbar schon eine Weile, denn du hast es bereits 2006 in einem Interview mit dem Ox (#67) erwähnt.
Ja, und dann habe ich in der Zwischenzeit „Anarchie und Evolution“ geschrieben, weil mir klar wurde, dass ich für „Population Wars“ länger als ursprünglich geplant brauchen würde. Ich trage die Idee dafür schon lange mit mir herum, aber nachdem ich dieses Buch geschrieben habe, hat sich deutlicher heraus kristallisiert, was ich sagen will.
Worum geht es dabei?
Es wird wesentlich akademischer sein, während das aktuelle Buch doch eher populärwissenschaftlich ist. „Anarchie und Evolution“ ist teilweise auch ein autobiografisches Buch, es ist weniger polemisch, während „Population Wars“ kritischer und streitbarer sein wird. Es wird durchaus genauso leicht verständlich geschrieben sein, aber der Fokus wird mehr auf Veränderungen liegen, und darauf, wie Veränderungen ablaufen und wir wir diese wissenschaftlich untersuchen. Ich werde mir dazu verschiedene „große“ Ereignisse anschauen, beispielsweise die Eroberung und Kolonialisierung Amerikas durch die Europäer oder – zum Teil – auch den Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Und diese Ereignisse werde ich dann gängigen Darstellungen der Evolution und Veränderungen in der biotischen Welt gegenüber stellen. Und daran gilt es zu zeigen, dass Populationen – und damit meine ich nicht nur menschliche Bevölkerungen, sondern auch Zellpopulationen und Populationen von Organismen – nicht zusammenkommen, um sich zu bekämpfen. Während wir gemeinhin von einem „darwinistischen Krieg“ sprechen, bei dem es einen Sieger und einen Besiegten gibt, ein Motiv, das sich seit Hunderten von Jahren durch die wissenschaftliche und kulturelle Literatur zieht, glaube ich, dass es nicht zutrifft und es so etwas wie eine „besiegte“ Population nicht gibt. Denn wohin wir auch sehen, erkennen wir, dass es Überreste dieser Population gibt, die weiter leben und die die so genannte „siegreiche“ Population beeinflussen. Das Ziel des Buches ist es, die Leute dazu zu bringen, das Paradigma zu hinterfragen, dass es in der Natur einen Krieg gebe und dass das der Antrieb der Evolution sei. Ich behaupte, dass der Antrieb der Evolution nicht so leicht auszumachen ist und vielmehr auf einem Zusammenspiel von Populationen basiert, und wenn wir uns auf dieses Zusammenspiel konzentrieren, erkennen wir, dass „besiegte“ Populationen vieles zum modernen Leben beizutragen haben. Ein Verständnis für diese Zusammenhänge ist elementar für den Umweltschutz, für das Verständnis von klimatischen Veränderungen, von Überbevölkerung und von kulturellen Veränderungen. Das sind die wesentlichen Aspekte, um die es in dem Buch gehen wird.
In „Anarchie und Evolution“ gibt es eine Fußnote, in der du Will Provine, den Betreuer deiner Doktorarbeit, zitierst, der deine Parallelisierung von Kultur und Evolution kritisiert.
Ja, er denkt, dass Wissenschaft nur in sehr starrer Weise interpretiert werden kann, aber wenn wir ein Weltbild entwerfen, dann bringen wir alle möglichen Komponenten zusammen und ich sehe nichts Falsches darin, wissenschaftliche und kulturelle Phänomene zu einem einheitlichen Weltbild zusammenzuführen. Das ist eine intellektuelle Herausforderung, der sich jeder stellen sollte.
Marx versuchte bereits, Darwins Erkenntnisse aus der Naturgeschichte auf die Menschheitsgeschichte zu übertragen ...
Das ist das Beste an einem wissenschaftlichen Weltbild, das ich auch in „Anarchie und Evolution“ so darstelle: es enthält ein bestimmtes Maß an Glauben. Zuerst einmal glauben wir, dass wir „die Wahrheit“ finden können. Und das bedeutet, dass wir, wenn wir neue Erkenntnisse finden, auch Autoritäten wie Karl Marx oder Charles Darwin von ihrem Thron stoßen müssen.
Zu den Autoritäten, die du in Frage stellst, gehören auch die wesentlichen Vertreter des „Neuen Atheismus“, wie Hitchens oder Dawkins, deren Atheismus du als etwas ausschließlich Negatives kritisierst.
Sie führen einen Kampf gegen wehrlose Leute. Sie greifen mit rhetorischen Mitteln religiöse Menschen an und werfen ihnen vor, ungebildet oder einer Gehirnwäsche unterzogen worden zu sein, und ich glaube nicht, dass uns das in der Diskussion wirklich weiterbringt. Ich bezeichne mich selbst als Naturalist, und zwar aus dem einfachen Grund, dass es etwas darüber aussagt, woran ich glaube. Die sehen sich als Atheisten, aber das hat nichts damit zu tun, woran man glaubt. Und wenn sie niederschreiben, woran sie glauben, stellt sich heraus, dass sie glauben, religiöse Menschen seien dumm, also wenn man an ein Leben nach dem Tod glaubt. Ich würde nicht so weit gehen. Jeder bildet sich sein Weltbild, aufbauend auf dem, was ihm gesagt wird, was er lernt. Und wenn wir an Erziehung interessiert sind, müssen wir den Dialog am Leben erhalten, um unser Argument anzubringen. Hitchens, Dawkins und andere verkaufen eine Menge Bücher, weitaus mehr, als ich verkaufe. Aber das ist nicht meine Absicht. Mein Ziel ist es, einen Dialog zu eröffnen, und ich benutze meine Position als Dozent und als Sänger in einer Punkband, um den Dialog für mehr Leute zu öffnen.
Na ja, aber du verkaufst schon ein paar Bücher, ich habe gehört, dass die Erstauflage der englischen Ausgabe ausverkauft ist.
Ja, das stimmt, aber bei ihnen sind es richtige Bestseller.
In „Anarchie und Evolution“ gibt es eine relativ ernüchternde Schilderung einer wissenschaftlichen Expedition in Bolivien Ende der Achtziger Jahre, an der du teilgenommen hast und die aufgrund der mangelnden Kommunikationsbereitschaft und Teamfähigkeit der anderen Wissenschaftler für dich zu einer ziemlich einsamen Erfahrung wurde. Was dazu führte, dass du dich nach deiner Rückkehr wieder mehr auf deine Band als auf den Wissenschaftsbetrieb konzentriert hast. Hast du seitdem an Expeditionen teilgenommen?
Ich habe an der Hochschule Fossilien-Feldforschung in abgelegenen Teilen von Colorado und Wyoming unternommen, was sich aber als genauso deprimierend erwiesen hat, weil ich darüber publiziert habe und der Großteil der Paläontologie-Gemeinde an meinen Erkenntnissen nicht interessiert war, da ich – wieder einmal – eine Position vertreten habe, die dem gängigen Paradigma widerspricht. Gemeinhin geht man davon aus, dass Fische im Meerwasser entstanden sind, und ich habe behauptet, dass sie aus dem Süßwasser stammen. Es wird immer noch sehr wenig zu diesem Bereich geforscht und es gibt immer noch nicht genügend Beweise, die die eine oder andere Theorie völlig ausschließen.
Hast du überlegt, in diesem Feld weiter zu forschen?
Oh, ich denke die ganze Zeit daran, und ein Großteil meiner Fossilienfunde wartet noch darauf, ausgewertet zu werden. Unglücklicherweise muss ich mit einer Punkband touren, Bücher schreiben, als Dozent lehren und zu guter Letzt für meine Familie da sein.
Ich habe ein Interview mit dir gelesen, in dem du sagst, dass das Bild des Workaholic wie eine Krankheit oder ein Stigma klingt. Aber zu musst zugeben, dass du sehr gut in das Bild eines Workaholic passt.
Nun, ich nehme keine Drogen und ich trinke nicht.
Manche Leute müssen Drogen nehmen, um so viel zu leisten ...
Ja, aber ich glaube, dass diese beiden Umstände der Grund für meine Produktivität sind. Manchmal habe ich Lust, Drogen zu nehmen oder mich zu betrinken, aber ich weiß, dass mich das an der Arbeit, die ich machen will, hindern würde. So kann ich, selbst wenn ich wie jetzt auf Tour bin, an Vorlesungen und Büchern arbeiten. Einen Großteil des Buches habe ich auf Tour geschrieben.
Mit elf Jahren bist du von Wisconsin nach L.A. gezogen. Du schilderst in deinem Buch, wie geschockt du als „Landei“ von der Drogenkultur der Teenager in L.A. warst – und später auch von dem Drogenmissbrauch in der Punk-Szene.
Ich hatte immer Angst davor, Drogen zu nehmen, weil ich Angst hatte, meinen Verstand zu verlieren. Es war ein Kampf mit der verrückten Welt, der ich dort ausgesetzt war, und den zwei gegensätzlichen „Kulturen“ von Wisconsin und L.A.. Außerdem hatte ich keinen Einfluss auf die Entscheidung, vom Land in die Stadt zu ziehen. Ich fühlte mich nicht wohl dabei, mich selbst im Rausch oder in der Betäubung zu verlieren. Ich bemühte mich, das Beste aus dieser Tragödie zu machen.
Du schilderst die Punk-Szene in L.A. Mitte der Achtziger als äußerst gewalttätig, Drogenmissbrauch war an der Tagesordnung. BAD RELIGION haben trotz deiner Abstinenz jedoch nie eine Rolle für die Straight-Edge-Bewegung gespielt.
Ich hielt Straight-Edge immer für eine blöde Religion. Es gab zu viele Vorschriften und Dogmen. Nüchtern zu sein ist eine gute Sache, aber ich hätte nicht viele Freunde, wenn ich das von ihnen verlangen würde. Fast alle meiner besten Freunde und die Leute, die mir wichtig sind, sind regelmäßig high oder betrunken. Ich bin das nicht, aber wir haben ja auch gute Momente, wenn sie nüchtern sind.
Für dich geht es bei Punk wie in der Evolution um Kreativität. Mittlerweile kann man mit seinem Computer oder den Apps eines Smartphones eine komplette Band bilden. Glaubst du, dass durch diese technische „R/Evolution“ vieles von der Kreativität verloren geht?
Nur weil jeder auf seinem Computer ein Homestudio hat, heißt das nicht, dass einem das die Instrumentierung und das Komponieren abnimmt. Computer und neue Aufnahmetechniken sind vielmehr Werkzeuge, die kreatives Potenzial darstellen. Den Künstlern wird ein neues Medium gegeben. Das ist wie bei einem Maler, der mehr Farben auf seiner Palette hat. Das evolutionäre Potenzial nimmt auch zu, wenn mehr Populationen sich miteinander im Austausch befinden.
Ich habe den Verdacht, dass du auch noch Songs schreibst. Wie sieht es mit Plänen für ein neues Album aus?
Nun, wir gehen vermutlich 2012 wieder ins Studio. Ich will zuerst „Population Wars“ zu Ende schreiben. Und in den nächsten drei Jahre habe ich einen Lehrauftrag an der Cornell University. Zehn Tage nach Ende dieser Tour geht die Uni los.
Du hattest bei „Anarchie und Evolution“ einen Co-Autor, Steve Olson. Wie sah eure Zusammenarbeit aus?
Steve ist ein Freund von mir und ein sehr namhafter wissenschaftlicher Autor. Er ist ein verdammt guter Lektor. Er hat von dem, was ich geschrieben habe, bestimmt die Hälfte der Wörter heraus gekürzt, dadurch wird, ohne dass dabei etwas vom Inhalt verloren geht, die Sprache vollkommen klar. Er meinte, er wolle nur als Lektor fungieren, aber ich sagte: „Nein, du bist Co-Autor.“ Einer der Gründe dafür ist, dass er ein berühmter Autor ist und eines seiner Bücher für den National Book Award nominiert war. Unsere Arbeitsweise war eine Art Pingpong: Ich schickte ihm Manuskripte und er schickte sie mir zurück, dann nahm ich ein paar Veränderungen vor und dann hatte er die letzte Durchsicht. Erstaunlicherweise waren wir uns nie uneinig.
Jedes Kapitel des Buches ist in sich geschlossen, es geht um einen größeren Aspekt, der aber von verschiedenen Seiten beleuchtet wird: deinem Leben, persönlichen Erfahrungen und Tragödien, BAD RELIGION und wissenschaftlichen und evolutionsbiologischen Beispielen und Erkenntnissen.
Ja, das war die Idee: Wie schaffe ich es, mein Leben als etwas Einheitliches darzustellen? Das Buch dreht sich im Wesentlichen um ein einheitliches Weltbild, das des Naturalismus’, aber es ist von jemanden geschrieben, der keine religiöse Bildung besitzt. Und das war die Herausforderung: Wenn ich jemand wäre, der sich in der einen Gehirnhälfte mit Punkrock beschäftigen würde und in der anderen mit Wissenschaft, würde ich bloß den Eindruck erwecken, schizophren zu sein. Aber ich bin nicht schizophren, es gibt ein kohärentes Weltbild, das beide zusammenbringt.
In den letzten Jahren hat die Debatte um die globale Erwärmung, um die Klimakatastrophe, um Nachhaltigkeit zugenommen. Als Wissenschaftler wie auch als Sänger von BAD RELIGION beschäftigst du dich schon lange mit der Frage der Verantwortlichkeit. Hast du großes Vertrauen in die Vernunft der Politik wie auch der Konsumenten, dass die Menschen vielleicht nicht, weil sie die Umwelt zerstören, die letzte Spezies auf diesem Planeten sein werden?
Das ist eine zu umfangreiche Frage, als dass ich sie zur Gänze beantworten könnte. Aber wenn der Konsum abnimmt – was er in den USA bereits tut und auch in Deutschland ist das der Fall –, dann müssen wir uns mehr mit der Organisation von regionaler und lokaler Versorgung beschäftigen, die die unmittelbaren Bedürfnisse der Menschen abdecken. Wenn der Konsum global abnimmt, wird das für viele auch mit Einschränkungen verbunden sein, aber es wird regionale und lokale Regierungen zwingen, sich mehr mit der Frage der Nachhaltigkeit und dem bewussten Einsatz von Ressourcen zu beschäftigen. Es wird nicht mehr im selben Ausmaß wie jetzt ein globaler Import und Export stattfinden, so dass wir die Dinge, die wir brauchen, vor Ort produzieren müssen. Das bedeutet, dass die Landwirtschaft umdenken muss, dass wir regional von Treibstoff abhängig sind. Ein Beispiel für diesen Trend: Auf meiner Farm im Hinterland des Bundesstaates New York benutzen wir Holzöfen für Warmwasser und als Heizung – Holz anstelle von Gas. Es ist lokal verfügbar und kann nicht von irgendeiner Firma kontrolliert werden. Wir haben 20 Hektar Wald, damit kommen wir für den Rest unseres Lebens aus. Wir haben auch einen Gemüsegarten und unser Wasser kommt aus unserem eigenen Brunnen. Wenn der Konsum nachlässt, wird das die Städte schlimmer treffen als die ländlichen Gegenden, aber jeder wird mit Entbehrungen zu kämpfen haben. Das wird für die Umwelt vermutlich gut sein, weil die nur darunter leidet, dass sie global ausgebeutet wird. Ich denke auch nicht, dass wir die letzte Spezies sein werden. Es gibt keine Beispiele dafür, dass alle Arten ausgestorben sind. Bei dem Massensterben an der Perm-Trias-Grenze sind 80% der Arten verschwunden. Auch wenn wir unsere Art zerstören, wird es andere geben. In „Population Wars“ werde ich genau dieser Frage nachgehen, ob es so einfach ist, eine komplette Art auszulöschen. Vielleicht überlebt eine kleine Gruppe von Menschen auf einer einsamen Insel oder in einem abgelegenen Teil eines Kontinents.
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