GREAT UNWASHED

Velbert? Wer jetzt an irgendein Kuhdorf denkt, hat eigentlich recht, aber trotzdem gibt es in Velbert mehr als nur irgendwelche senilen Bauern, nämlich THE GREAT UNWASHED, die gerade ihre erste LP "Welcome back to real life again" veröffentlicht haben, und nebenbei betreibt Wulle, der Gitarrist noch das Sonic, einen ziemlich coolen Laden von wegen Punk. Zum Gespräch traf man sich eben dort, und die Ungewaschenen hatten so einiges über Kids und Heavy Metal zu erzählen.

Wer und was?

Wulle: Ich bin der Wulle und spiele Gitarre.

Jörg: Ich bin der Jörg und spiele auch Gitarre.

Joe: Hi, ich bin Joe und spiel' Bass.

Tscherno: Tach, ich bin der Tscherno, der zukünftige Schlagzeuger und Sohn von Wulle.

Gibt's was interessantes zu eurem Schlagzeugerwechsel zu erzählen?

Wulle: Die Geschichte ist ganz einfach: Marc hat beschlossen in die USA auszuwandern und wird das jetzt auch machen - und Tscherno war gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort...

Tscherno: ...oder auch nicht...

Wulle: ...und so hat sich das halt ergeben. Wir haben dem Tscherno dann unsere Platten gegeben und gesagt, er soll die Stücke lernen. Naja, und dann haben wir direkt bei der ersten Probe gemerkt, dass das harmoniert hat. Jetzt haben wir auch ein paar Gigs gespielt und das war für uns alle ok.

Du hättest erwähnen sollen, dass Tscherno ein Heavy Metal-Schlagzeuger ist.

Wulle: Der Tscherno ist kein Heavy Metal Schlagzeuger.

Jörg: Sonst würde der ja nicht bei uns spielen.

Ah ja. Manche Leute meinen, das Covern von Songs hätte so einen ganz eigenen Spirit, ist da was dran? Ihr habt ja auf eurem Album auch drei Coverversionen.

Jörg: Es gibt gute Coverversionen und unötige und doofe Coverversionen. Wir haben drei Coverversionen auf die Platte gepackt, die wir für nicht unnötig halten. Der Rest ist nicht gecovert, höchstens geklaut. Meistens fällt mir das dann auf, wenn der Joe irgendwas klaut und ihm nicht, natürlich auch umgekehrt. Ich klaue eigentlich selten, das ist dann halt der musikalische Background.

Was hat denn mehr Stil, zu klauen oder zu covern?

Jörg: Ich denke, durch klauen entsteht ein eigener Stil. Es gibt Bands die behaupten, sie hätten den supereigenen Stil überhaupt erfunden. Das ist völliger Quatsch, denn die Musik von allen Bands setzt sich aus der Musik zusammen, die sie hören. Das kann ich dann geklaut oder entwickeln nennen. das kann man sehen wie man will. Ich finde eigentlich keine Band gut, die nicht klaut, weil alles, was ganz neu ist, ist Techno oder so.

Die klauen ja auch nur.

Jörg: Selbst die, genau.

Sind GREAT UNWASHED Punk? Wenn ja, warum?

Wulle: Wir sind höchstens Punkrock, weil wir tausend Kilometer für ein paar Bier und die Mineralölindustrie fahren.

Jörg: ...und für Gehirnzellenmassaker!

Findet ihr auch, dass dieses ganze 60's und Garage-Dingens wieder im Kommen ist? Ist das vielleicht das nächste grosse Ding im Punkrock nach dem ´80er-Deutschpunk?

Wulle: War Deutschpunk jemals gross?

Jörg: Deutschpunk war immer gross und wird immer gross bleiben.

Hier geht's ja nicht um Deutschpunk, sondern um diese ganze 60's/Garage-Szene. Konzerte, Labels, Fanzines u.s.w....

Wulle: Wo sind die SATELLITERS? Die sollten eigentlich tausend Konzerte spielen und die sieht man trotzdem nie. Ich weiss nicht, ob das besonders gross ist.

Jörg: Es spielen immer die gleichen Bands, es kommen aber auch immer mehr Leute.

Wulle: Ich sehe auf den Konzerten doch immer die selben Leute.

Jörg: Es spielen halt auch im Moment wieder viele gute Bands. Es kommen auch gute Bands aus den Staaten rüber und da gehen auch viele Leute hin. Zu diesen Garagekonzerten kommen auch mehr Musiker hin und nicht so Iropunker, die sich einfach nur zuschütten.

Joe: Musiker spielen für Musiker.

Was auffällt ist, dass zu euren Konzerten keine Kids hingehen.

Jörg: Deshalb wird es auch nicht das nächste grosse Ding im Punkrock, weil das halt ältere Menschen sind, die was mit Punkrock zu tun hatten, die jüngeren sind eher auf dieser NOFX- oder GREEN DAY-Schiene.

Joe: Das ist halt Rock'n'Roll.

Wulle: Das ist einfach zeitloser.

Joe: Das ist einfach keine moderne Musik.

Wulle: Der Sound hat sich letztendlich in dreissig Jahren seiner Geschichte nicht grossartig verändert. Es ist jetzt auch eine von vielen verschiedenen Kulturen. In den Sechzigern war die Pop- bzw. Rockmusik einfach noch nicht stilistisch so weit gefächert wie sie es heute ist, mit den ganzen verschiedenen Musikstilen, die ja alle mit einer ganz anderen Art der Vermarktung den jungen Leuten präsentiert werden, die ja auch heutzutage einen ganz anderen Wirtschaftsfaktor darstellen.

Habt ihr dann Angst, dass das ganze Ding nach euch quasi "ausstirbt"?

Wulle: Ich glaube es nicht, weil die Kids, die sich heute BAD RELIGION oder sowas hören, zu guter Musik kommen.

Joe: Entweder kommen sie zu irgendwelchem anderen Kram oder kommen, nach einer kurzen Phase der Rebellion, zum Job als Bankangestellten.

Tscherno: Oder sogar Christenmetal.

Jörg: Sowas soll's ja auch geben.

Joe: Apropos junge Menschen auf Punkkonzerten: Ich bin irgendwann mal im Zentrum Altenberg in Oberhausen gewesen und dann stand da eine Riesenhorde von Kindern, die da reinwollten, ich glaube da spielten LAGWAGON oder GOOD RIDDANCE. Als die Tür dann offen war, stürmten die Kinder sofort in den Laden rein und nicht wie üblich an die Theke, um sich ein Bier zu holen, sondern direkt in die andere Richtung, zum Merchandising-Stand und haben sich da T-Shirts gekauft. Direkt vor dem Konzert, die haben noch nicht mal die Band gesehen. Das Konzert war auch ausverkauft und da kam so ein Kid zur Kasse und wollte noch rein, aber wurde nicht mehr reingelassen und dann hat er an der Kasse gefragt, ob er nicht eben ein T-Shirt kaufen könnte. Das ist einfach nur ein Supermarkt und dafür zahlen die auch noch Eintritt, um sich ein T-Shirt zu kaufen. Das können die doch besser über einen Mailorder machen.

Und warum meint ihr gibt's bei euch nicht solche Kids?

Wulle: Wir haben keine T-Shirts.

Jörg: Erstmal das, und wenn jemand was bei uns kauft, dann eine Platte oder `ne Single zum anhören.

Wulle: Ausserdem haben wir, bis auf Sampler, wo wir drauf sind, ausschliesslich nur Vinyl und es ist uns schon auf Konzerten passiert, dass Leute nach CDs fragen, die wir nicht haben. Offenbar besitzen viele keinen Schallplattenspieler mehr.

Jörg: Die darf man trotzdem in jedem Alter kaufen.

Ihr seid also alle Vinylfetischisten?

Wulle: Wir sind Nostalgiker, und zwar hoffnungslose.

Musiker erklären ihre Texte, heute: "You don't know R'n'R" - was sollte man denn wissen?

Jörg: Alles das, was wir bisher gesagt haben, zum Beispiel wenn man in die Halle geht erst ein Bier kaufen gehen und nicht ein T-Shirt, und dass man zuhause gute Schallplatten stehen hat und nicht nur Scheisse.

...und keine CDs?

Jörg: Gegen ein paar CDs habe ich ja nichts, so sind wir gar nicht.

Wulle: Es ist einfach eine Frage des eigenen Geschmacks.

Jörg: Es gibt halt Bands, da ist es eine Kostenfrage, ob man CD oder LP macht und deshalb ist es verständlich, wenn manche Bands CDs machen. Wenn ich die freie Wahl hätte, würde ich mich für Vinyl entscheiden. Wenn jemand sagen würde "Ich mache `ne CD mit dir und bezahle alles", dann würde ich auch nicht nein sagen. Ich finde CDs persönlich wertlos.

Wulle, du betreibst ja auch das Sonic, einen Club in Velbert, wo ja auch z.B. das diesjährige Ox-Festival stattfindet.

Wulle: Zustandegekommen ist das eher zufällig. Ich habe zu der Zeit in einem ziemlich blöden Job gearbeitet, auf den ich jetzt nicht näher eingehen will, mit einem auslaufenden Arbeitsvertrag zum Ende des Jahres. Der Pierre, mit dem ich das jetzt mache, der hat Erfahrungen in der Gastronomie, und dann haben wir uns halt darum gekümmert, diesen Laden zu bekommen, und für mich ist das jetzt in soweit das Leben, wie ich's leben will. Man kommt damit erstmal zurecht. Für mich ist es das, das was ich für die nächsten zehn Jahre machen will. Hier kann ich auch Konzerte veranstalten, und das hat mich letztendlich auch dazu bewegt, das hier zu machen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es möglich ist, und wir arbeiten dran.

Es lässt sich also davon leben?

Wulle: Ich sitz' ja hier.

Jörg: Aber schon ziemlich abgemagert.

Tscherno, du meintest gerade, du hättest mit der Punkrockszene nicht so viel am Hut.

Tscherno: Ich hab' ganz am Anfang ein bisschen Deutschrock gespielt, das hat mir dann aber überhaupt nicht gefallen. Dann bin ich nach Wuppertal gegangen zu einer melodischen Speedmetal-Band. Da bin ich dann letztes Jahr ausgestiegen, und vor vier Wochen wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte hier mitzuspielen. Dann hab' ich mir auch die Platten kaufen müssen...

Wulle: ...Die hast du dir schon vorher gekauft.

Tscherno: Da hab' ich mir das angehört und es hat mir gefallen, seitdem spiel' ich hier Schlagzeug und versuche ich mich erstmal zurecht zu finden.

Und, musst du dir manchmal dumme Sprüche gefallen lassen?

Tscherno: Man wird halt gefragt "Du bist doch im Heavy Metal Fanclub Velbert und spielst jetzt Punk - wie geht das?", da lächle ich dann meistens nur. Ich spiele ausserdem noch in einer MOTÖRHEAD- Coverband, die nennt sich MOTÖRHEAD MANIACS und wir covern alle möglichen Songs zwischen ´76 und ´82, aber das gehört eigentlich nicht zu diesem Interview.