GORGE TRIO

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New England Multi-Instrumentalists

Ende März war das GORGE TRIO erneut in Europa auf Tour, um ihre Anhänger auf das demnächst bei Skingraft erscheinende, neue Album einzustimmen. Eines der letzten Konzerte der Tour war der Auftritt in der Kellerbar des Zoro in Leipzig, leider aber ohne ihre etatmäßigen Begleiter DEERHOF. Es war ein Konzert im kleinen Rahmen, bestuhlt, intim und in Zimmerlautstärke. Geboten wurde die hohe Kunst lebendiger Musik. Nach der sehr guten Supportband CHEVAL DE FRIES aus Frankreich setzte das GORGE TRIO noch einen oben drauf. Ihr eigenwilliger Sound, der stark an Freejazz erinnert, wusste zugleich zu fesseln und zu verstören. Alles wirkte improvisiert, folgte aber doch festen Strukturen. Das Gespür fürs Arrangement von Klängen und das Ausleben echter Emotionen waren beeindruckend.

Die Band besteht aus Ed Rodriguez (Git.), John Dietrich (Git.) und Chad Popple (Drums). Im Anschluss hatte ich die Chance, ein Interview mit letzterem zu führen. Chad wusste bei den Antworten auf meine Fragen geschickt so weit auszuholen, dass ich ihm im Folgenden getrost das Wort übergebenkann, ohne selbst noch viele Erklärungen hinzuzufügen.

Das GORGE TRIO gibt es seit gut acht Jahren und die lange, von einigen Unterbrechungen geprägte Geschichte stellt Chad so dar: „Ed und ich wuchsen in derselben Stadt auf, in Minneapolis, und spielten dort schon während der späten 80er Jahre in einer Menge unterschiedlicher Bands. Eine davon war BEHEMOTH, die waren wirklich ziemlich heavy und auch instrumental. Ich hatte damals so einen Bürojob und traf da Johns Mitbewohner. Er stellte fest, dass John dieselben musikalischen Vorlieben pflegte wie ich und meinte, wir könnten sicher was miteinander anfangen. Und so kam es, dass John auf einer BEHEMOTH-Show auftauchte, es war die Neujahrsshow am 1. Januar 1995. Er mochte uns sehr, und so trafen wir uns schon in den folgenden Wochen, um an Stücken zu feilen. Er wollte dann auch gerne mit Ed arbeiten, mit dem ich ja nun schon lange musikalisch unterwegs war, und so begriffen wir relativ plötzlich, dass wir da eine ganz neue Band hatten. Wir nahmen eine 7“ auf und spielten unsere erste Show in Iowa. Noch im selben Jahr traf John Nick Sakes und sie gründeten zusammen die Band COLOSSAMITE. Ich ging nach Indien, um ein Jahr Musik zu studieren, speziell das Tablas-Spiel. Als ich zurückkam, wartete schon mein Platz bei COLOSSAMITE auf mich. Unter diesem Namen spielten wir ein Jahr lang, ohne dass es das GORGE TRIO gab. Bei näherer Betrachtung war die Band eigentlich das GORGE TRIO, nur plus Nick Sakes. Nach einen Jahr beschlossen wir dann, ohne Nick weiter zu arbeiten, da wir so mehr Möglichkeiten hatten, unterschiedliche musikalische Ideen umzusetzen, was mit ihm nicht immer möglich war. Wir nahmen dann ‚Dead Chicken Fear No Knife‘ schon eine Woche nach dem COLOSSAMITE-Album ‚Economy Of Motion‘ im selben Studio auf. Und danach ging’s immer weiter ... Ach so, nach der COLOSSAMITE-Tour hier in Europa zog ich nach Deutschland und lebe seitdem in Hamburg. John zog nach Kalifornien und Ed lebt immer noch in Minneapolis. COLOSSAMITE haben sich deshalb nie wirklich aufgelöst, aber aufgrund der geographischen Trennung ist die Bandarbeit nicht machbar. Wir lieben es aber, zusammen Musik zu machen. Und so arbeitet das GORGE TRIO nicht wie jede normale Band, da wir, wie gesagt, in drei unterschiedlichen Städten wohnen, die weit auseinander liegen. Aber wir haben den Willen, das immer weiter durchzuziehen. Irgendwann im Jahr 2000, ein Jahr, nachdem ich nach Europa gezogen war, und in dem wir keine Chance hatten, zusammen zu spielen, gingen wir einfach ins Studio und nahmen, ohne vorher zu proben, unsere neue, selbstproduzierte CD auf. Das war typisch GORGE TRIO, sich einfach zusammensetzen und losspielen.“

Damit meinte er jedoch nicht die noch ausstehende Platte auf Skingraft, die bislang noch nicht ganz fertig ist. Noch während und kurz nach der Tour fügten sie dem schon bestehenden Material weitere Fragmente hinzu, und von Labelseite heißt es nun, dass das Release von Sommer auf Anfang Herbst verschoben würde. „Besagte Platte ist die, die wir für diese Tour aufnahmen und die auch wirklich sehr gut ist. Das ist frei improvisierte Musik, wohingegen wir an der neuen Platte auf Skingraft über einen Zeitraum von anderthalb Jahren in vielen verschiedenen Studios arbeiteten und es auch weiter tun. Die ersten Aufnahmen entstanden auf unserer letzten Tour in Mailand, dann folgte letztes Jahr im Sommer eine Session in Kalifornien und letzten Januar eine in Minneapolis. Dazu kommen noch einige Homerecordings – unsere Stücke sind auch alle durchkomponiert.“

Wie bereits angedeutet, basiert die Musik der Band einerseits auf Improvisation, andererseits bedienen sie sich eines Grundgerüstes, wobei die Gewichtung bei der Vorgehensweise von der Laune der Mitwirkenden abhängt. „Eigentlich haben alle Songs ein genau definiertes Grundgerüst, aber es ist eine Menge ‚Spiel‘ drin. Wir nutzen ausgiebig die Möglichkeit, mit Ideen zu improvisieren. Die Ideen sind dabei nicht das Sprungbrett zur Improvisation, sie sind vielmehr darin eingebettet. Wenn man uns jeden Abend live sehen würde, könnte man feststellen, dass die Songs in sich variieren, jedoch als solche klar definiert sind. Auf einigen Shows fragen dann die Leute, ob wir neue Stücke gespielt hätten, worauf wir ihnen erklären, das wir nur das bestehende Material variiert haben. Das macht das Ganze aber erst interessant.“

Ein Teil der Band hat Musik von der Pike auf gelernt.

„Ich spiele schon mein ganzes Leben lang Schlagzeug. Schon als kleiner Junge nahm ich Stunden, um die Stockhaltung und einige Grundlagen zu lernen. Dann war ich eine Zeit lang am Konservatorium und begann Musik zu studieren, wechselte aber nach einem Jahr in Richtung ins sprachliche, soziokulturelle Fach. Dann habe ich in Indien, wie schon erwähnt, bei einem Tabla-Meister studiert, was mich sehr prägte. Vorher habe ich zwar schon Vibraphon und Marimba gespielt, hatte jedoch keinen Schimmer im Umgang mit den Schlägeln. Inzwischen zählen sie neben dem Drumset zu meinen Hauptinteressen. Trotzdem bezeichne ich mich nicht als klassisch ausgebildeten Musiker, da ich mir beispielsweise das Lesen von Musik und andere Dinge im Selbststudium beibrachte. John ist Autodidakt, er hatte zwar mal ein paar Klavierstunden als Kind, hat sich aber sonst alles selbst beigebracht, und auch Ed war sein eigener Lehrer. Er kann sowieso spielen, was er will und schreibt auch immer alles auf, was er so komponiert. Ich tue das auch schulmäßig mit Noten, lediglich John nutzt da ein eigenes System. Würde man seine Notizen einem anderen Musiker geben, der hätte keine Ahnung, was er spielen sollte.“

Nun sind sie im Stall von Skingraft angekommen, wo im Herbst ja das neue Album erscheinen soll – neben neuen Scheiben von U.S. MAPLE und dem Debüt der CHINESE STARS (Ex-ARAB ON RADAR/SIX FINGER SATALITE), jede Menge Erwachsenenmusik für den aufgeschlossenen Hörer.

Dies war auch zu erwarten, arbeiteten sie doch als COLOSSAMITE schon mit Skingraft. Labelchef Mark Fischer wurde zum guten Freund, den sie seit 1996 kennen. GORGE TRIO brachten allerdings ihre ersten Scheiben auf Freeland Records raus, mit Sitz in Sizilien. Deren Boss ist des Englischen nicht ganz so mächtig, und deshalb traten Kommunikationsprobleme auf. Schwerwiegender und entscheidend für den Labelwechsel waren die schlechten Vertriebsstrukturen von Freeland, da die Alben in den Staaten nicht zu bekommen waren. Dies ist für eine Band aus den USA natürlich recht frustrierend, und so kam eine Anfrage von Mark Fischer, eine Platte zu machen, doch recht gelegen. Abgesehen davon hat Skingraft natürlich neben einiger Bekanntheit und dem gewissen Kultfaktor auch noch viele andere, sehr interessante Bands zu bieten, und darüber hinaus einen recht ordentlichen Vertrieb. Chad lebt wie Mark Fischer in Europa, und genau wie Mark hielt ihn die Liebe hier fest, die er auf der 98er-Tour mit COLOSSAMITE fand. Dazu kam die Faszination, in einem anderen Land zu leben und die jeweilige Sprache zu lernen, was ihm ja schon während seines Studiums in Indien möglich war. Aus einem Jahr auf Probe sind nun vier geworden, und ein Weggang ist nicht absehbar.

Zum Ende unseres Gesprächs kamen wir noch mal auf die Jugendzeit und auf Vorlieben an etwas heftigerer Musik. Chad meinte, er würde auch durchaus immer noch gern mal ein MESHUGGAH-Tape im Bus hören, oder auch SLAYER, und irgendwie kamen wir noch auf ICEBURN zu sprechen, bei denen Chad einige Zeit mitwirkte: „ICEBURN war ja zu Beginn eher Punkrock. Irgendwann sind wir, ich glaube, es war 1996, mit ihnen auf Tour gewesen. Kurz darauf stieg ich da als Drummer ein. Sie nannten sich damals schon THE ICEBURN COLLECTIVE, da ihre Besetzung ständig variierte. Als wir mit ihnen unterwegs waren, traten sie als zwölfköpfiges Orchester mit Vierer-Bläsersatz, drei Gitarristen, drei Bassisten und zwei Schlagzeugern auf. Aber es gab auch Zeiten, da war die Band nur ein Duo, bestehend aus mir und halt Gentry Densley. Die Band hatte ihr Quartier in Salt Lake City, Utah und bestand eigentlich nur aus Gentry, der schon seit 15 Jahren oder so unter demselben Namen mit unterschiedlichen Mitstreitern Musik gemacht hat. Dies hatte ihn zum Ende hin ermüdet, da seine aktuellen Sachen doch schon stark vom ICEBURN-Konzept abwichen. Ich denke, das soll es dann auch erstmal für das Kapitel ICEBURN gewesen sein. Eine 7“ mit acht Minuten wirklich extremer und sehr intensiver Musik haben wir noch aufgenommen, die wohl dieses Jahr herauskommen wird. Das ist aber dann definitiv die letzte Platte, die den Namen ICEBURN auf dem Cover haben wird.“