GOODBYE FAIRGROUND

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Das Leben ist ein Konjunktiv

GOODBYE FAIRGROUND haben ihren Ursprung in Essen und bestanden seit 2006 unter dem Bandnamen PARAQUAT, unter dem sie zwei Jahre später auch ihr Debütalbum „Goodbye Fairground“ veröffentlichten. Seit Ende 2010 sind Benjamin Bruns (Sänger), Alex Pilz-Lansley (Gitarre), Jan Filek (Gitarre), Benjamin „Benni“ Bunzel (Bass) und Julia Franzen (Drums) als GOODBYE FAIRGROUND aktiv. 2011 folgte die in Eigenregie veröffentlichte EP „We’ve Come A Long Way“, doch seitdem war es ruhig um die mittlerweile zum Quintett geschrumpfte Band. Die Gründe dafür waren aber nicht etwa mangelnde Kreativität oder Schreibblockaden – die Band fand einfach kein passendes Label. Dank Concrete Jungle konnte das zweite Album und Quasidebüt „I Started With The Best Intentions“ nun endlich veröffentlicht werden – ein Album, das zwischen schwungvollen Rhythmen und Folkeinflüssen auf einem wuchtigen Punk-Fundament gebaut ist und an FAKE PROBLEMS oder AGAINST ME! erinnert.

Ihr seid in der glücklichen Lage, die Single „Western Gold“ und euer Album auf Vinyl veröffentlichen zu können. Spürt ihr den Rückenwind von Concrete Jungle, verglichen mit den Jahren ohne Label?

Benjamin:
Ja, tausend Mal „Ja“! Wir haben nicht mehr wirklich damit gerechnet, dass das noch passieren würde und dann noch so gut läuft.

Benni: Ich freue mich sehr, dass das Vinyl herauskommt. Wir haben die Platte zwar noch nicht auf Vinyl, aber sie dann in Händen halten zu dürfen, ist doch noch einmal etwas anderes, als nur eine CD zu haben.

Ist es für euch schon ein Privileg, überhaupt ein Label im Rücken zu haben? Wie groß ist der Stellenwert eines Plattenvertrags heutzutage noch?

Benjamin:
Ich finde es sehr wichtig. Durch das Internet kann man zwar schon vieles leichter alleine schaffen als vor zehn Jahren. Aber wenn man mal an die Kontakte denkt, die wir einfach nicht haben, oder die Kohle, die in Werbung reingesteckt wird, um den Namen zu verbreiten ... Das Internet hat ja auch die negative Seite, dass jede Band exakt die gleichen Möglichkeiten hat. Das Gute an einem Label ist, jemanden zu haben, der versucht, die Band ein wenig hervorzuheben, und das auch ganz gut schafft. Einfach das Gefühl, jemanden zu haben, dem das echt wichtig ist und der bereit ist, Zeit und Geld zu investieren, weil er wie wir daran glaubt, das ist schon eine Menge wert.

„After all, it is not the scene, it is the song that matters.“ Dieser Satz von eurer Bandcamp-Seite gibt schon ganz eindeutig die Richtung vor. Fühlt ihr euch trotzdem einer Szene verbunden?

Julia:
Das mit den Schubladen ist insofern schwierig, weil die Leute dann bestimmte Erwartungen haben und wir diese in gewisser Weise erfüllen müssen. Daher ist es eigentlich immer gut, wenn man versucht, etwas Eigenständiges aufzubauen und sich nicht unbedingt an anderen messen lassen muss.

Benjamin: Wir sind eben keine geradlinige Punkband oder die klassische Hardcore-Band. Da jeder seine Einflüsse mitbringt, ergibt sich das von alleine, dass man nicht einer bestimmten Musikrichtung zuzuordnen ist. Ich bezeichne uns als Punkband, weil ich glaube, dass diese freigeistige Haltung Teil des Punkgedankens ist, mal abgesehen davon, dass unsere Musik da auch am ehesten anzusiedeln ist.

Existiert dieser Szenegedanke für euch überhaupt?

Benni:
Ich finde das immer recht schwierig, weil da viele hineininterpretieren, dass es ein abgeschlossenes Ökosystem sei. Ich finde es wichtiger, mit Bands zu spielen, mit denen man sich gut versteht und befreundet ist. Das kann man dann meinetwegen als „Szene“ bezeichnen, aber das ist dann eben nicht auf das Musikgenre begrenzt, sondern eher auf das Feeling an sich bezogen und auf die Menschen, mit denen man zu tun hat.

Mittlerweile fallen im Zusammenhang mit euch Namen wie AGAINST ME! oder THE GASLIGHT ANTHEM. Fühlt ihr euch da eher geehrt oder missverstanden?

Benjamin:
Das Label muss die ganze Sache ja bewerben und die Leute wollen wissen, was sie sich unter der Band vorzustellen haben. Als Eckpfeiler verstehe ich das. Das hat mit Sicherheit auch irgendwo seine Berechtigung. Dazu kommt, dass AGAINST ME! meine Lieblingsband sind. Daher wäre es auch komisch, wenn die mich nicht beeinflussen würden. Wobei ich den krassen Einfluss, den manche Leute in unserer Musik sehen, nicht unbedingt nachvollziehen kann. Es gibt sicherlich Anknüpfungspunkte, aber ich würde niemals sagen, dass wir uns anhören wie die deutschen AGAINST ME!. Ich bin da aber vielleicht auch nicht weit genug weg. Das Problem ist, wenn Leute dadurch Erwartungen aufbauen, die schwer zu erfüllen sind und die wir vielleicht auch gar nicht erfüllen wollen, weil wir letztendlich versuchen, etwas Eigenständiges zu machen. Es gibt aber sicherlich schlechtere Vergleiche als diese Bands ... zumindest musikalisch.

Der Albumtitel „I Started With The Best Intentions“ fasst nicht nur gut die konzeptionelle Story dahinter zusammen, sondern spiegelt ironischerweise auch den langwierigen Tumult vor der Veröffentlichung wider. Benjamin, bei einer Ansage im AZ Mülheim nanntest du es auch „das Album, an das keiner mehr geglaubt hat“. Wieso hat sich die ganze Veröffentlichung so hinausgezögert?

Benni:
Zum Großteil lag es daran, dass wir kein Label gefunden haben und an den nicht vorhandenen Kontakten. Das ganze Teil in Eigenregie zu veröffentlichen, hätte den finanziellen Rahmen gesprengt.

Benjamin: Dazu kommt, dass wir das Album mit einem Freund aufgenommen haben. Im Kaputtmacher Studio, um etwas Namedropping zu betreiben, hehe. Er hat es gemacht, weil er unser Freund ist und ihm die Musik gefällt, er hat kein Geld dafür genommen. Deshalb konnten wir nicht sagen, dass wir nun zwei Wochen ins Studio gehen. Wir mussten schauen, wann er Zeit hatte. Dadurch hat sich das dann in die Länge gezogen. Darüber hinaus standen wir in Kontakt mit Labels, was sich aber zerschlagen hat. Dann wollten wir das Album in Eigenregie veröffentlichen. Ein paar Wochen vor Veröffentlichung hatten wir wieder Kontakt zu Labels, woraus aber wieder nichts wurde. Dann erst kam die Sache mit Concrete Jungle auf den Tisch. Deswegen haben wir gar nicht mehr richtig daran geglaubt. Mit der Zusage war es bis zur Veröffentlichung aber immer noch ein Dreivierteljahr hin. Sie brauchten eben selbst noch Vorlaufzeit. Was auf jeden Fall verständlich ist, aber es fühlt sich halt scheiße und seltsam an. Man selbst kennt die Songs schon in und auswendig, aber niemand sonst kennt sie.

Wie lange existierten zum Zeitpunkt des Signings die Aufnahmen der Songs schon?

Julia:
Mit den Aufnahmen haben wir vor zweieinhalb Jahren angefangen. Das Eigenempfinden ist ja schon ein anderes. Ein normaler Produktionszyklus, vom Songwriting bis zum „Finished Product“, nimmt massig Zeit in Anspruch. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hat man ja meist schon wieder den Drang, etwas Neues zu machen.

Ihr müsstet also ziemlich weit mit dem Schreiben neuer Songs sein, oder?

Julia:
Die EP „We’ve Come A Long Way“ ist eigentlich nach dem Album entstanden. Die haben wir dann vorgeschoben, damit wir schon mal etwas veröffentlichen konnten.

Benjamin: Ansonsten haben wir jetzt fünf fertige Songs und fünf Fragmente, die wir mit ein bisschen Feinschliff im nächsten Monat aufnehmen könnten. Wir haben konsequent immer weiter geschrieben. Auch wenn wir wussten, dass wir erst mal nichts aufnehmen werden. Aber dadurch, dass die Songs bislang niemand kannte, freuen wir uns schon, jetzt Konzerte zu spielen, wo tatsächlich Leute im Publikum stehen, die mehr als einen Song kennen, und idealerweise mitsingen können.

Auch wenn ihr konsequent weiter an Songideen gearbeitet habt, kamt ihr trotzdem mal an einen Punkt, wo ihr aufgeben wolltet?

Benjamin:
Nein. Ich wusste einfach, dass ich genau mit diesen Leuten weiter Musik machen will. Das soll jetzt keine Rumheulerei sein, aber es kostet Zeit und Geld, man muss bei vielen anderen Sachen zurückstecken, um eine Band am Laufen zu halten. Das haben wir gemacht und machen wir nach wie vor. Irgendwann überlegt man sich halt: „Ist es das überhaupt wert?“ Wenn es niemals den Hobbystatus verlassen wird, muss man dementsprechend an die Sache rangehen und anderweitig planen. Bei mir gab es nie andere Pläne, als Musik zu machen, dementsprechend ist auch mein Leben gestaltet. Da habe ich mich dann schon hinterfragt, denn es sah zwischenzeitlich nicht so aus, als ob das Ganze auf eine Ebene kommt, auf der ich es vor mir selbst rechtfertigen kann.

In eurem Leben liegt der Fokus stark auf eurer Band, ihr geht Kompromisse ein, verabschiedet euch ein Stück weit vom normalen Leben ... Da hinterfragt man schon manchmal seine Lage – kommt man beim Durchspielen so einer Story nicht eher in einen Teufelskreis?

Benjamin:
Mein Grundgedanke dabei war einfach: Wenn ich folgende Entscheidungen treffen würde, und diese das komplette Gegenteil von denen sind, die ich bisher getroffen habe, wie hätte dann mein Leben laufen können – was hätte ich verpasst oder vermisst? Es ging vielleicht auch ein wenig um das Zelebrieren von dem, was man wirklich gemacht hat – auch wenn es sich nicht immer finanziell oder anderweitig gelohnt hat. Nimm zum Beispiel das Gefühl, nachdem man ein Konzert gespielt hat. Man muss sich bewusst machen, wie wichtig und schön so etwas ist. Ich bin Musiker in einer bisher nicht gerade erfolgreichen Band. Natürlich hinterfragt man da ständig seine Entscheidungen. Mit einem „Karriereleben“ wäre ich aber niemals glücklich, und irgendwann würde ich den verpassten Chancen nachweinen. Der Versuch wäre also zum Scheitern verurteilt, da es für alles genau eine Chance gibt. Daher mache ich weiter wie bisher. Das ist aber nur die Konsequenz, die ich ziehe. Jeder Hörer mag da anders herangehen.