GLUECIFER

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Revisited

Alle Platten der Osloer Rock-Helden werden nach und nach auf Vinyl neu aufgelegt. Wir baten Arne Skagen aka Captain Poon, Album für Album in Erinnerungen zu schwelgen.

„Ridin’ The Tiger“ (1997)


Bei „Ridin’ The Tiger“ waren wir blutige Anfänger. Das war unsere erste richtige Albumaufnahme, für die wir uns das semi-legendäre Sunlight Studio in Stockholm ausgesucht hatten, hauptsächlich aufgrund unserer Liebe zu den Death-Metal-Göttern ENTOMBED und natürlich dem ersten HELLACOPTERS-Album, welches zu dem Zeitpunkt gerade rausgekommen war. Wir beluden den Van, fuhren nach Stockholm und zogen in ein Hausboot-Hostel. Wir hatten zwei Wochen Zeit, um 18 Lieder aufzunehmen und es war ein Haufen Arbeit. Wenn wir nicht im Studio waren, verbrachten wir die Nächte damit, auf dem Boot abgelaufenes australisches Foster’s-Bier zu trinken, oder gingen aus, um in das Stockholmer Nachtleben einzutauchen.

Wir hatten durch ein paar gemeinsame Shows schon eine gute Beziehung zu den HELLACOPTERS und noch bevor das Album fertig war, hatte Nicke dem Chef ihres Labels White Jazz schon gesagt, dass er uns unbedingt unter Vertrag nehmen müsse. Wir hatten keine Ahnung von der Plattenindustrie und allein der Gedanke, dass ein Label uns unsere Studiokosten zahlen würde, hat uns total begeistert. Ich werde jetzt hier nicht detailliert über das Label White Jazz berichten. Es ist bekannt als das großartige Label, das die ersten Sachen von GLUECIFER und HELLACOPTERS rausgebracht hatte, aber sie wussten auch genau, wie sie ihren Vorteil daraus ziehen, dass wir nie noch im Leben einen Vertrag gelesen hatten. Sei’s drum, „Ridin’ The Tiger“ und das Feedback auf das Album haben uns enorm weitergebracht und von uns aus konnte es so weitergehen.

„Soaring With Eagles At Night To Rise With The Pigs In The Morning“ (1998)

Ja, ich weiß, der Titel ist zu lang, haha. Ich schätze, das war nur so ein mittelschlaues Zitat, auf das Biff durch seine berüchtigte Leidenschaft für Bücher kam. Seit „Ridin’ The Tiger“ hatten wir viel getourt, unseren Drummer ausgewechselt (Danny Young ersetzte Eros Bagfire) und ein bisschen mehr Selbstbewusstsein gesammelt. Für die Aufnahmen des neuen Albums waren wir wieder in Stockholm, diesmal aber im Das Boot-Studio. Fred Estby – wir nannten ihn Fred Spector – übernahm wieder die Rolle als Produzent und wir nahmen ein Album auf mit Songtiteln wie „Get the horn“, „The year of manly living“ oder „Go away man“. Danach haben wir nicht eine Show mehr ohne diese Songs gespielt. Das Album an sich war ziemlich gut, ein bisschen ambitionierter als das erste, dafür hatte es weniger von diesem kantigen, jugendlichen Stil. Für viele GLUECIFER-Fans der ersten Stunde ist es trotzdem ihre Lieblingsplatte von uns. Von unserem Label bekamen wir das Angebot, das Album in den legendären Polar Studios abmischen zu lassen, das ABBA gehörte, und wo schon solche Ikonen wie LED ZEPPELIN aufgenommen hatten.

Unser Drummer und ich sind mit Fred Spector und dem jungen, ehrgeizigen Toningenieur Stefan Boman dahin gefahren. Das war noch bevor man unfertige Mixes durchs Internet schicken konnte und sofort eine Rückmeldung der Bandmitglieder hatte. Wenn du als Band ein Mitspracherecht haben wolltest, musstest du vor Ort sein, und es war saulangweilig. Warten, ein paar Kommentare abgeben, wieder warten. Glücklicherweise hatten die Polar Studios einen ziemlichen netten Warteraum. Was mir etwas in Erinnerung geblieben ist von den Sessions, dann wie wir in der Lounge abhingen und die Fußball-WM geschaut haben. Das war das Jahr, in dem unser norwegisches Team Geschichte schrieb, weil sie es irgendwie schafften, Brasilien zu besiegen. Leider konnte ich den Augenblick mit niemand anderem feiern als mit unserem Schlagzeuger Danny Young, der sich aber einen Scheiß für Fußball interessiert.

„Tender Is The Savage“ (2000)

Die Aufnahmen für unser drittes Album waren vermutlich die schlimmsten, an die ich mich erinnern kann. Es war auch das erste und einzige Mal, dass wir mit einem international bekannten Rock’n’Roll-Produzenten zusammenarbeiteten – Daniel Rey aus New York, bekannt für seine Arbeit mit den legendären RAMONES, der auch einige meiner absoluten Lieblingssongs wie „I wanna live“ mitgeschrieben hatte. Daniel trifft für das, was bei der Scheibe schief lief, keine Schuld – ein toller Typ, sehr entspannt und natürlich sehr talentiert. Ich schätze, wir waren einfach auf der falschen Fährt, die interne Situation der Band war nebenbei auch nicht so prickelnd. Unserem Bassist und Gründungsmitglied Jon Average war im Vorfeld freundlich zu verstehen gegeben worden, er möge die Band verlassen – aus verschiedenen Gründen. Als anständiger Kerl willigte er dennoch ein, mit uns nach Schweden zu kommen, um in Malmö noch mal mit uns ins Studio zu gehen.

Wir hatten ein Apartment in der Innenstadt, aber wir fühlten uns nicht wirklich wohl. Die Art, wie Daniel Rey die Aufnahmen anging, bescherte uns sehr viel Freizeit, in der wir gelangweilt rumhingen. Und was tun Rockbands, wenn ihnen langweilig ist? Sie trinken. Wir hießen jeden Grund zum Trinken herzlich Willkommen. Wir stießen sogar an, wenn Jon vom Schuhekaufen zurückkam. Vielleicht übertreibe ich ein wenig, aber an diese Zeit habe ich nur unangenehme Erinnerungen. Ich würde niemandem empfehlen, dreieinhalb Wochen in Malmö zu verbringen, wenn man nichts zu tun hat. Das Album selber war letztendlich ganz in Ordnung und ich denke, Daniel hat ganze Arbeit geleistet, was den Sound und die Produktion angeht. Außerdem bescherte es uns, unseren ersten kleinen Hit „I got a war“, und es wurde über Sub Pop in den USA veröffentlicht.

„Basement Apes“ (2002)

Bei der Produktion dieses Album war alles eine Klasse besser: ein größeres Budget, größere Plattenfirmen (SPV und Sony), größere Produktion. Seit „Tender Is The Savage“ haben wir ein paar sehr ermüdende Zeiten durchgemacht. Unser Label in Europa und Sub Pop in den USA hatten uns in Situationen manövriert, die uns dazu brachten, uns aus unseren Verträgen mit ihnen herauskämpfen zu müssen. Wir überlegten sogar, die Band aufzulösen, weil der Spaß, den wir anfangs hatten, sich in juristischen und geschäftlichen Scheiß verwandelt hatte. Jedenfalls konnten wir uns aus unseren Verträgen befreien und gingen erstmal mit unseren schwedischen Kumpels THE PEEPSHOWS auf Europatour. Das sorgte dafür, dass wir uns als Band wieder gut fühlten mit dem, was wir machten, und ich kann nur all unseren Fans danken, die den GLUECIFER-Motor damals wieder mit Treibstoff füllten. Wir schrieben sogar einige Songs während der Tour, was wir vorher noch nie gemacht hatten.

Als wir wieder in Oslo waren, taten wir uns mit dem norwegischen Produzenten Kåre Vestreim zusammen und fingen an, an einem neuen Album zu arbeiten. Es unterschied sich ein wenig von unseren vorherigen Platten und ich weiß noch, wie viel Freude wir daran hatten, verschiedene Instrumente und Sounds in die Aufnahmen zu integrieren. Wir hatten zwar einen typischen GLUECIFER-Sound, aber es war an der Zeit diesen ein wenig aufzufrischen und genau das taten wir zusammen mit Kåre. Ich weiß, dass viele unserer alten Fans finden, wir hätten bei „Basement Apes“ einiges an Härte eingebüßt, aber damit kann ich umgehen. Ich weiß nur, dass es eine ziemlich großartige Rock’n’Roll-Platte wurde, auf die ich mächtig stolz bin. In Norwegen hatten wir damit ein paar Radio-Hits, wie „Easy living“ oder „Brutus“ und das Album verkaufte sich in Europa besser als all unsere letzten drei Alben zusammen. Komischerweise nehmen es einem gewisse Leute in der Szene übel, wenn man viele Platten verkauft, für sie zählt man dann schon zum Mainstream. Sie können sich anscheinend nicht vorstellen, wie wichtig es für eine Band ist, dass es nicht nur zwanzig Fans gibt, die gut finden, was man macht.

„Automatic Thrill“ (2004)

Diese Scheibe ist mein GLUECIFER-Favorit. Es ist das Album, in das alles eingeflossen ist, was wir in zehn Jahren Live-Shows und Plattenaufnehmen gelernt hatten. Wenn ich zurückdenke an den Sommer 2003, wird mir ein wenig mulmig. Wir hatten das Grundgerüst des Albums schon fertig und genehmigten uns eine kleine Sommerpause. Doch als ich in die bisherigen Aufnahmen reinhörte, bekam irgendwie nicht das richtige Gefühl dafür. Wir hatten 15 oder 16 Songs, aber vieles von dem Material hörte sich unfertig an. Ich sprach daraufhin mit unserem Produzenten, machte meiner Frustration ein wenig Luft und er sagte dann zu mir: „Ihr habt wirklich viel aufgenommen, sogar einige eurer besten Stücke bisher. Lass dich nicht blenden von den Sachen, mit denen du nicht hundertprozentig einverstanden bist, sondern konzentrier dich auf die, die du magst.“ Die Songs, die er meinte, waren fast genau die gleichen, die wir alle auf der Liste hatten, und von da an liefen die Aufnahmen sehr fokussiert und kreativ ab. Wenn ich mir das Album heute anhöre, denke ich immer noch, dass es großartig produziert ist und den ultimativen Klang hat. Nicht zu glattpoliert, aber sogar mit seinem rohen und mächtigen Sound spricht trotzdem jeden Hörer an. Man muss natürlich auch sagen, wenn eine Rockband aus dem kleinen Norwegen gute 80.000 Euro für ein Album ausgibt, und nicht mal für eine superteure amerikanische Produktion, dann sollte es gefälligst auch gut sein.

„Automatic Thrill“ wurde zu unserem Abgesang. Kaum ein Jahr nach der Veröffentlichung hatten Biff und Raldo die Schnauze voll davon, pausenlos auf Tour zu sein. Sie wollten sich auf ihre Privatleben konzentrieren. Auch wenn ich nicht derjenige sein wollte, der letztendlich den Stecker zog, war ich doch froh, dass es bei „Automatic Thrill“ passierte. Es etablierte GLUECIFER als starken Namen und ich freue mich sehr darauf, unser Vermächtnis mit dem Rerelease unseres Backkatalogs auf meinem eigenen Label Konkurs Records lebendig zu halten. Meine kreative Energie stecke ich derzeit in meine neue Band BLOODLIGHTS, aber das wäre nie möglich gewesen ohne all das, was ich zusammen mit den Jungs von GLUECIFER gelernt habe.