Fast vier Jahre nach Veröffentlichung ihres Debütalbums "Aesthetic Arrest" steht seit ein paar Wochen der selbstbetitelte GLASS AND ASHES-Nachfolger im Regal. "It's about time", brüllt Sänger und Bassist Mike Carter daher wohl nicht ganz zufällig beim ersten Songimmer. GLASS AND ASHES kommen aus Ventura, Kalifornien, was ganz in der Nähe der Oxnard Plaines liegt, einem Gebiet, aus dem in den frühen 80ern eine ganze Menge an exzellenten HC-Bands kamen. Mit diesen so genannten Nardcore-Bands wie ILL REPUTE oder R.K.L. teilt man aber nur die räumliche Nähe. Ihre schwer einzuordnende Mischung aus brachialem Gitarrensound, subtilen Dischord-Melodien und klassischem Rock ist weit entfernt vom eher eingängigen Punk der Bands aus dem kalifornischen Nachbartal. Vor der Show im Hamburger Hafenklang war Mike so freundlich, bei einer Tasse Kaffe über die Entstehung des Albums zu berichten.
Ihr kommt aus Ventura, gelegen ganz in der Nähe der Oxnard Plaines. Hatten Oxnard-Bands wie ILL REPUTE oder DR. KNOW Einfluss auf euch?
Absolut. Das sind die Bands, die ich mir als Teenager angeschaut habe. Viele Bands aus der Gegend um Ventura traten häufig dort auf wie RKL oder AGRESSION. Sie hatten ihre Hochphase zwar vor meiner Zeit, traten aber noch Jahre später immer mal wieder auf. ILL REPUTE gibt es sogar immer noch
Wie seid ihr als Kalifornier eigentlich zu No Idea aus Florida gekommen?
Vor Jahren hießen wir noch KENJI, konnten unter diesem Namen aber nie unser Ziel umsetzen, ständig auf Tour zu sein. Wir lösten uns also auf und gründeten GLASS AND ASHES. Ohne richtiges Release entschieden wir uns etwas naiv für eine komplette US-Tour, die uns dann schließlich und endlich durch ganze fünf Städte führte. Eine davon lag in Florida, wo die Jungs von No Idea auftauchten. Sie mochten unseren etwas eigenwilligen Sound und unsere Leidenschaft fürs Touren. Und wir mochten ihre Philosophie, nicht nur Bands eines Stils zu präsentieren. Sie werden zwar immer mit dem HOT WATER MUSIC-Sound in Verbindung gebracht, aber wenn man genau hinschaut, haben sie wirklich jegliche Art von Musik auf ihrem Label.
Vor zwei Jahren gab es einen Line-Up-Wechsel. Kannst du dazu etwas sagen?
Dave Hall, der von Anfang an mit dabei war, entschloss sich damals, die Band zu verlassen. Für Dave sprang schon nach kurzer Zeit Josh Hayes ein. Er war seit Jahren mit uns als Roadie auf Tour und kannte demnach alle Songs. Es lag also nichts näher, als ihn zu fragen, und es klappte auf Anhieb hervorragend. Dave hat mittlerweile seine eigene Band namens YOUNG LIVERS gegründet, die auch bei No Idea untergekommen ist und bei der ich Bass spiele, wenn sie auf Tour geht, in Vertretung von Chad Darby. Es gibt in Gainesville einige Musiker, die fest in einer Band spielen, durch ihre beruflichen oder familiären Verpflichtungen aber nie mit auf Tour gehen können. Das ist dem Fall toll für mich, weil ich so meinem Ziel näher komme, konstant unterwegs sein zu können.
Warum hat es nach "Aesthetic Arrest" so lange gedauert, ein neues Album aufzunehmen?
Wir lieben es, wie gesagt, als Band unterwegs zu sein, und gingen nach dem ersten Album sofort auf Tour. Das Ganze dauerte dann etwas länger. Und irgendwann waren wir wieder an dem Punkt, etwas Neues veröffentlichen zu wollen und da waren drei Jahre vergangen.
Das Album hat keinen Titel. Hat das einen Grund?
Wir hatten keinen übergeordneten Slogan oder gar ein Konzept für die Songs. Sie sollten vielmehr für sich selbst stehen und damit Ausdruck genug haben. Viele Bands benennen ihr erstes Album nach sich selbst, bei uns ist es eben das zweite geworden. Alles ist mehr oder weniger zufällig entstanden. So wie zum Beispiel auch das Artwork von Kim Keivers, über den ich einen Artikel in einer Zeitung las. Er malt Landschaftsbilder, die er dann in ein leeres Aquarium legt. Dann füllt er nach und nach Wasser hinzu und alles Mögliche, was er so auf der Straße gefunden hat: Steine, kleine Figuren oder sonst was. Daraus entstehen dann die beeindruckenden Bilder, die irgendwie nach Apokalypse, totaler Finsternis oder Tod aussehen. Wir fragten Kim einfach und er fand die Idee toll, dass wir zwei seiner Bilder für unser Cover nutzen wollten.
Ihr habt wieder mit dem Produzenten Armand John Anthony gearbeitet.
Ja, er ist ein Freund von uns und die Zusammenarbeit in seinem Studio war stets anregend. Er ist sehr penibel, gerade was das Aufnehmen des Gesangs anbelangt. Das dauert immer ewig und ich habe immer Angst, dass ich wegen des Schreiens irgendwann meine Stimme verliere. Armand ist ein Technikfreak, der sich immer wieder mit guten Anregungen einbringt, aber keinen direkten Einfluss auf unsere Musik hat. Er schlug zum Beispiel vor, das Album zu gleichen Teilen analog und digital aufzunehmen, um die Vorzüge beider Methoden zu kombinieren.
Kannst du mit der Beschreibung "Mischung aus FROM ASHES RISE und YAPHET KOTTO mit einem leichten Dischord-Einfluss" für euren Sound leben?
Viele Leute haben schon versucht, unseren Sound zu beschreiben, das ist eine Variante davon. Ich persönliche tue mich sehr schwer damit, da es einfach zu viele verschiedene Einflüsse gab, die allesamt unter dem Überbegriff Punk zu fassen wären. Die Parallelen zu HOLY MOUNTAIN, die einige Kritiker heraushören wollen, kann ich definitiv nicht bestätigen, PLANES MISTAKEN FOR STARS schon eher.
Auf dem neuen Album befinden sich erstmals auch zwei Instrumentalsstücke.
Wir haben im Studio eine Menge instrumentaler Sachen aufgenommen und sie dann später in andere Songs eingearbeitet. Zwei dieser Stücke wollten wir aber nicht zerpflücken und einigten uns darauf, sie als eine Art Verbindung des letzten Songs von Seite A und Intro für Seite B zu verwenden.
Woher findest du Inspiration für deine gesellschaftskritischen Texte?
Es gibt da keine übergeordnete Idee oder ein Ziel, das ich mit den Texten verfolge. Ich schreibe meist über genau das, worüber ich mich auch in Gesprächen mit Leuten, die mir nahe stehen, so austausche. Ich beobachte darüber hinaus sehr gerne Menschen und was um sie herum passiert. Was ich nicht so mag, ist, wenn Bands auf der Bühne zwischen jedem Song zehn Minuten erklären, um was es in den einzelnen Liedern jetzt genau geht. Stattdessen ermutige ich das Publikum, mich nach einer Show einfach anzusprechen und zu fragen, falls etwas unklar geblieben ist. Ich weiß, ich nuschle ganz gerne beim Singen also ist das ein faires Angebot. Leider machen das nicht allzu viele, da es wohl auch etwas Mut braucht, einen Musiker nach der Show tatsächlich etwas Konkretes zu fragen. In den Fällen, in denen es Leute gemacht haben, war es aber stets ein sehr anregendes Gespräch und ich habe so schon viele sehr interessante Menschen kennen gelernt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #80 Oktober/November 2008 und Bodo Unbroken
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #78 Juni/Juli 2008 und Bodo Unbroken