Zunächst war ich mir nicht so ganz sicher, ob ich die GHOULS, eine Coverband, interviewen sollte. Nachdem ich allerdings eine sehr gute Show von ihnen gesehen hatte, die mich wirklich umgehauen hat, waren meine Zweifel beseitigt. Wem die MISFITS heute zu peinlich sind, der besuche umgehend ein Konzert der GHOULS, denn hier stimmt die Illusion. Sowohl musikalisch als auch imagemäßig glaubt man von der ersten Sekunde an, die MISFITS etwa im Jahre 1982 vor sich zu sehen. Also zerrte ich in Leverkusen Sänger Roderick Usher vor das Mikro.
Mit wem führe ich jetzt das Interview. Mit dem Sänger der GHOULS oder dem von THE OTHER? Wo genau liegt der Unterschied zwischen beiden Bands?
Wie du willst. Ich habe zwei Persönlichkeiten in meinem Körper. Das versetzt mich in die Lage, unter dem Namen Roderick Usher MISFITS-Songs bei den GHOULS zu singen und eigene Horrorpunk-Stücke bei THE OTHER. Musikalisch gibt es hoffentlich wenig Unterschiede. Bei den GHOULS covern wir die MISFITS-Klassiker originalgetreu, mit dem entsprechenden Outfit und der Bühnendeko. Damit sind wir ja bekannt geworden. THE OTHER ist für uns die Möglichkeit, selbst kreativ zu sein und eigene Songs zu spielen, die natürlich stark von den MISFITS und SAMHAIN beeinflusst sind. Glücklicherweise waren alle, die unsere ersten Songs gehört haben, begeistert darüber.
Du hast früher bei FORCED TO DECAY gespielt. Wie kommt man dazu, eine Coverband ins Leben zu rufen?
Weil FORCED TO DECAY wirklich anstrengend war. Wir haben teilweise an einem Break im Song wochenlang rumgedoktort. Da musste etwas Entspannendes zum Ausgleich her. Und als riesiger MISFITS-Fan lag eine Coverband nahe. Bevor wir auch nur einmal geprobt hatten, stand das erste Konzert fest, also gab es kein Zurück.
Gibt es FORCED TO DECAY noch?
Nein, es gab Versuche unter anderem Namen weiterzumachen, aber momentan ist die Luft raus. Allerdings verstehen wir uns gut und haben auch schon mit IDEOBLAST zusammengespielt, der neuen Band der Ex-FORCED TO DECAY-Leute Gitarrist Carsten, Sänger Daniel und Drummer Mark. Witzig ist, dass ich wegen FORCED TO DECAY mittlerweile mehr E-Mails bekomme als zu der Zeit, als die Band noch existierte. Posthumen Erfolg nennt man das wohl ...
Du machst ja Interviews für fiendforce.de, wo du auch Leute wie die aktuellen MISFITS, Bobby Steele oder eben Glenn Danzig interviewst. Wie reagieren die denn auf die Tatsache, dass es eine MISFITS-Coverband wie THE GHOULS gibt?
Paddy Scum macht fiendclub.de, mit dem ich jetzt auch das Label Fiendforce gegründet habe. Ich habe Paddy eigentlich nur durch seine großartige Horrorpunk-Fanpage kennen gelernt und fühlte mich berufen, ihn zu unterstützen, anstatt nur zu konsumieren. Ich arbeite hauptberuflich als Journalist und da lag es nahe, den betreffenden Bands auch mal persönlich auf den Zahn zu fühlen. Die Reaktionen auf die GHOULS waren ebenfalls großartig. Für THE UNDEAD haben wir kurz nach dem Interview als Vorgruppe fungiert, und Bobby Steele von den MISFITS war sehr begeistert. Er riet mir direkt – natürlich im Spaß –, mich als neuer MISFITS-Sänger zu bewerben. Und beim MISFITS-Interview bot mir Jerry Only an, beim Konzert in Holland am nächsten Tag ‚Skulls‘ als Lead-Sänger zu singen. Das habe ich dann auch vor ausverkauften Haus mit riesigem Herzklopfen und mit Jerry Only, Marky Ramone und Dez Cadena von BLACK FLAG neben mir getan. Ein Traum. Nur Glenn Danzig habe ich beim Interview-Termin nichts von den GHOULS erzählt, da wir auch Songs aus der Post-Danzig-Ära im Programm haben, und er darauf bekanntlich sehr aggressiv reagiert. Reiner Selbstschutz meinerseits. ‚Gelobt von Jerry Only und Bobby Steele, verprügelt von Glenn Danzig‘, wollte ich nicht auf unsere Homepage schreiben.
Was hältst du von Bands wie SONS OF SAM oder BALZAC, die den Spirit bzw. das Image von SAMHAIN bzw. den MISFITS übernehmen und mit eigener Musik weiterspinnen?
Großartig! Warum auch nicht? Es gibt tausende von Bands, die wie die RAMONES klingen oder das Outfit kopieren und so gut wie keine, die sich von MISFITS oder SAMHAIN haben inspirieren lassen. BALZAC und SOS finde ich auch ziemlich geil, und andere Horrorpunks wie THE SPOOK, BLITZKID, DR. CHUD‘S X-WARD, etc. sind ebenfalls großartig. Generell ist es die Mischung aus einem düsteren Image, welches nicht so romantisch-kitschig rüberkommt wie im Gothic-Bereich, sondern trashig und wirklich gruselig, und den fast immer großartigen Sängern, fantastischen Melodien und hymnischen Refrains, die mir in diesem Genre einfach super gefällt.
Erzähl mal was über Fiendforce Records, du hast das Label ja eben schon kurz angesprochen.
Fiendforce Records ist wie gesagt von Paddy Scum und mir gegründet worden, da es einfach kein Label für Horrorpunk oder Horror-Punkabilly gibt. Uns geht es darum, die Musik und die dazugehörigen Interessen wie Gothic-Literatur, Horror- und B-Movies, Comics usw. endlich auch in Europa zu fördern. In den USA gibt es zahlreiche Bands und auch ein paar Labels, hier noch gar nicht. Dabei kriege ich jeden Tag zahlreiche Mails von Leuten, die eigenes Material von uns hören wollen, weswegen auch THE OTHER entstanden, oder die nach anderen Horrorpunk-Bands fragen. Es hat sich eine richtige Horrorpunk-Szene entwickelt. Da lag es nahe, mal einen Sampler rauszubringen, wo alle wichtigen Bands des Genres drauf zu finden sind. ‚This Is Horrorpunk‘ gibt es als CD und bald auch als farbiges Vinyl über Cargo-Records. THE OTHER, THE UNDEAD, MAD SIN, NEKROMANTIX, THE SPOOK, BALZAC, DR. CHUD‘S X-WARD mit dem Drummer der MISFITS, GRAVEYARD BOULEVARD mit den Ex-FRANKENSTEIN DRAG QUEENS, ROCK CITY MORGUE mit Sean Yseult von WHITE ZOMBIE, DEVILS WHOREHOUSE mit MARDUK-Leuten und viele weitere sind drauf zu finden. Und natürlich wollen wir mit ganzen Alben der verschiedenen Bands weitermachen, bei denen alles stimmt, vom Outfit und Sound der Band, bis zum Horror-Artwork oder den Special-Sammler-Editions der Veröffentlichungen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #53 Dezember 2003/Januar/Februar 2004 und Guntram Pintgen