GHOSTLIMB

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Eine Band als politisches Sprachrohr

Das im sonnigen Kalifornien beheimatete Trio GHOSTLIMB ging aus dem Umfeld der Band GRAF ORLOCK hervor. Im Gegensatz zu den chaotischen wie verrückten Orlocks war die Triebfeder GHOSTLIMBs von Beginn an, sich Frust und Probleme von der Seele zu schreiben, die gibt es nämlich leider trotz Sommer, Sonne und Strand auch in Kalifornien. Politische und gesellschaftliche Konflikte existieren eben überall auf der Welt, meist muss man sich sogar mit den gleichen Problemen rumschlagen, die man selbst vor der Haustür hat. GHOSTLIMB machen keinen Hehl aus ihrem politischen Anspruch und hauen sowohl musikalisch als auch textlich mit der Faust auf den Tisch.

GHOSTLIMB sind ganz klar eine politische Band, kein Zweifel. Tatsächlich spielst du, Justin, auch bei GRAF ORLOCK. Wurde GHOSTLIMB als Gegenpol zu GRAF ORLOCK gegründet? Ich würde nämlich behaupten, dass GRAF ORLOCK nicht gerade die ernsthafteste aller Bands ist.

Justin: Das ist nicht ganz einfach, die Medaille hat mehr als eine Seite. Bei GRAF ORLOCK zu spielen war schon immer irgendwie schwer, weil wir tatsächlich einfach immer das gemacht haben was wir wollten, und ja, ich muss zugeben, dass wir wirklich nicht so ernsthaft sind wie GHOSTLIMB. Trotzdem habe ich häufiger versucht, da einen politischen Unterton hineinzubringen. Manchmal ging das aber auch nach hinten los beziehungsweise wurde als Nuance nicht ganz klar, weil es einfach nicht deutlich ausgesprochen wurde. Zum Beispiel dachten manche Menschen lange Zeit, wir würden ernsthaft Gefallen an Waffen finden, obwohl das von uns nur ironisch gemeint war. Jedenfalls startete GHOSTLIMB ungefähr ein Jahr nach GRAF ORLOCK und es ging von Beginn an um die Dinge, über die ich eigentlich schreiben wollte, denn technisch gesehen gibt es bei GRAF ORLOCK keine Texte. Das bedeutet nicht, dass GRAF ORLOCK keine politische Band ist, der Ansatz ist nur ein gänzlich anderer, da geht es um Sachen wie D.I.Y. und einfach die Möglichkeit, das zu tun, worauf wir Lust haben, ohne jedoch irgendwas explizit zu postulieren. Im Gegensatz dazu kannst du den politischen Standpunkt von GHOSTLIMB sehr wahrscheinlich genau erkennen, einfach weil die Band bewusst politisch ist.

Der direkte und unverfälschte Ausdruck eures politischen Bewusstseins wird auch durch eines eurer T-Shirt-Motive ausgedrückt. Dort sieht man einen Mann, der mit einem riesigen Hammer den Faschismus, verkörpert von einer Schlange, zerschlägt.

Justin: Das Motiv stammt von einem Poster aus dem Jahr 1936, welches damals im spanischen Bürgerkrieg von der CNT/National Confederation of Labor, einer antifaschistischen Organisation, veröffentlicht wurde. Ich dachte, es ist ein gutes Bild, das man verwenden könnte, denn „Smash Fascism!“ ist eine eindeutige Sache. Ich glaube aber auch, dass von dem Bild darüber hinaus weit mehr transportiert wird. Zum einen gefällt mir dieser Stil des sowjetischen Realismus aus den 1930er Jahren sehr gut, und zum anderen interessiere ich mich sehr für den spanischen Bürgerkrieg.

Eure aktuelle Platte „Infrastructure“ enthält ausführliche Erklärungen der Texte. Warum habt ihr so viel Aufwand um die detaillierte Beschreibung eurer Texte betrieben, während man sich für gewöhnlich als Hörer den Inhalt selbst erschließen muss?

Neal: Das hat zwei Gründe. Offensichtlich spielen wir sehr laute Musik, die meisten Lieder sind sehr kurz und der Gesang ist in der Regel eigentlich Geschrei. Deswegen fällt es dem Hörer sehr schwer, den Inhalt beim Hören zu begreifen. Außerdem wollten wir mit diesem Album etwas anderes erreichen als bisher. Wir wollten verschiedene Ideen einbringen, und Erklärungen mitzuliefern ist ein Mittel, um einerseits sicherzustellen, dass genau verstanden werden kann, was wir ausdrücken wollen, aber auch um zusätzlich bei einem einminütigen Song mehr Raum für die Inhalte zu schaffen.

Justin: Seit 2006 veröffentlichen wir Platten, „Infrastructure“ von 2011 ist unsere vierte. Bei den ersten drei hatten wir oftmals das Problem, dass die Leute Dinge nicht so aufgefasst haben, wie wir es uns vorgestellt hatten, sei es, weil ich mich vielleicht komisch ausdrücke. Also wollten wir dieses Mal sichergehen, dass klar wird, worum es geht. Wir haben uns genaue Gedanken darüber gemacht, was Inhalt der Platte sein sollte und wie wir das rüberbringen wollen. Das soll aber nicht bedeuten, dass die Hörer sich nicht auch selbst ihre Gedanken zu den Texten machen können. Wir wollten nicht unterbinden, dass man sich selbst die Inhalte erarbeitet, aber wir wollten sicherstellen, dass es keine Missverständnisse gibt.

Die Lieder haben Namen wie zum Beispiel „Concrete“, „Asphalt“ oder „Incomplete work“ und scheinen somit im Einklang mit dem Titel „Infrastructure“ zu stehen, obwohl die Inhalte der einzelnen Lieder gänzlich unterschiedliche Themen ansprechen. Ist das Zufall oder habt ihr versucht, einen roten Faden in das Album zu bringen?

Justin: Ich würde sagen, dass es auf jeden Fall eine bewusste Herangehensweise war. Jeder der einzelnen Titel geht einher mit dem Inhalt des Liedes. Sie fügen sich aber auch in ein größeres Ganzes ein. Für mich zählen zur Infrastruktur solche Sachen wie Menschen, Denken und Erinnern, was in „Substructure“ aufgegriffen wurde. Da geht es um persönliche und kollektive Erinnerungen. Ich glaube, dass es ein loses Netz von Zusammenhängen innerhalb des Albums gibt, ohne dass es homogen ist.

Glaubt ihr, dass persönliche Konflikte und die Positionen als Individuum der Fokus eurer Musik sind?

Neal: Hauptsächlich ist die Quelle unserer Musik das, was wir außerhalb der Musik machen. Justin unterrichtet Geschichte und Kritische Theorie, Alex beschäftigt sich mit Geografie, während ich stadtplanerisch tätig bin. Generell würde ich sagen, dass egal, was du tust, du dir immer deiner eigenen Position bewusst sein musst als auch des großen Ganzen, und ich hoffe, dass wir geschafft haben, das in unseren Liedern zu vermitteln.

Justin: Das erste Lied unserer neuen Platte behandelt beide Ebenen. Auf der einen Seite gibt es die persönliche, innere Rationalität und dann, wie Menschen sich in der Welt selbst verorten und verhalten. Zu Hause, in den USA, gibt es Leute, die extrem republikanisch sind oder sogar Christen. In der Gesellschaft und in ihrer Arbeit sind diese Leute außerordentlich funktional und total rational, während sie aber privat an Dinge glauben, die man als psychologischen Selbstmord bezeichnen könnte. Dieser Kontrast, der absolut keinen Sinn ergibt, ist lächerlich, zeigt aber die Korrelation beider Ebenen.