FUTURE PRIMITIVES

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The primitive future of garage rock?

Sie haben sich nach einer unmanierlichen Horde von Hippies, Rednecks und sonstigen Randexistenzen benannt, wie sie Robert Mailer Anderson in seinem Roman „Boonville“ skizziert, stammen aus Kapstadt und rumoren sich durch die analoge Ursuppe. „Pebbles“-One-Hit-Wonders bieten sich für ihren Sound ebenso als Referenz an wie THE CRAMPS, GUN CLUB oder Link Wray. Mit ihrem LoFi-Garagepunk nach Detroit-Schule inklusive Psych-Sprenkseln und Surfgitarre, der mal tempogeladen und unumwunden, dann wieder introvertiert seine Schleifen ziehend eine Menge Facetten des stilistischen Spektrums umreißt, haben sich die FUTURE PRIMITIVES innerhalb von nur zwei Jahren einen Namen gemacht – sowohl unter Genre-Traditionalisten als auch bei der THEE OH SEES-Fraktion. Die Freude am Experiment mit aus der Reihe tanzenden Arrangements und Produktionstechniken und eine zeitgleich deutlich hörbare Verwurzelung im 60s-Teenpunk erschaffen ein Soundhybrid, das jegliche Peinlichkeiten gekonnt umschifft und ihnen eine Sonderstellung im Neo-Garage-Orbit sichert. „It’s like Sixties sounding, but with a modern take on things“, hieß es dazu treffend in einer südafrikanischen Wochenzeitung.

Dabei ist Südafrika kein Land, das gemeinhin für eine pulsierende Musikszene bekannt ist. Aber es gibt eine kleine Garage/Psych-Szene um Bands wie THE DOLLFINS, THE MAKE-OVERS und BLACK LUNG, wobei THE FUTURE PRIMITIVES die Einzigen sind, die auch außerhalb der Landesgrenzen auf sich aufmerksam machen konnten. Nicht unwesentlich Anteil daran hatten Groovie Records, die wie stets geschmackssicher und im Vertrauen auf die Außergewöhnlichkeit dieser Band 2012 deren Debüt „This Here’s ...“ veröffentlichten. Knapp ein Jahr später folgt nun „Songs We Taught Ourselves“, betitelt in Anlehnung an das Tribut-Albumkonzept „Songs The Lord Taught Us“ der CRAMPS, das seitdem von Garage-Bands entweder bewusst oder durch posthume Ehrung als Fanclub-Edition weitergeführt wurde. Im Fall der FUTURE PRIMITIVES wird auf diesem Weg nicht nur Musikgeschmack, sondern auch Talent dafür bewiesen, Fremdmaterial den Stempel des eigenen Trademarksounds aufzudrücken. Mit ihrer Expertise in Live-Analogaufnahmen und unter der Prämisse, so wenige Mikros wie nötig einzusetzen, sorgten sie dafür, dass THE SPADES, CAPTAIN BEEFHEART und CHILDREN OF DARKNESS noch nie sie gut klangen wie nach dieser Grundsanierung durch die FUTURE PRIMITIVES. Für ihr neues Album „Into The Primitive“ wurden die Kräfte gebündelt: neben Groovie Records ist auch Voodoo Rhythm im Boot beim Release der Platte. Letztere kümmern sich zudem darum, im Herbst eine Europatour auf die Beine zu stellen. Damit es nachher nicht heißt, man hätte von nichts gewusst, wird es jetzt bei Erscheinen ihrer dritten Platte höchste Zeit, den FUTURE PRIMITIVES die verdiente Aufmerksamkeit zu widmen. Ich fühlte dafür Johnny Tex, Sänger, Gitarrist, Songschreiber der Band und wortkarger Inhaber eines coolen Namens, auf den Zahn.

Auf der Belgium Design Fair 2012 gab es eine Inneneinrichtungsreihe namens „Future Primitives“, die, um es vereinfacht auszudrücken, das Möbeldesign der Sechziger aufgriff und mit der Geradlinigkeit postmoderner Gestaltungsstandards wiederbelebte. Siehst du darin eine Analogie zu eurem Sound?

Absolut. Das ist so ungefähr das, worauf wir aus sind.

Bis zum letzten Jahr waren die FUTURE PRIMITIVES nur den wenigsten ein Begriff. Für all diejenigen, bei denen sich das bis heute nicht geändert hat: Wer seid ihr?

Wir sind die FUTURE PRIMITIVES aus Kapstadt und machen Lärm. Das ist es, was wir seit unserer Gründung 2011 durchziehen. Im Einzelnen sind das ich, Johnny Tex, Gitarre und Gesang, Heino Retief, Bass und Gesang, sowie Warren Fisher aka Mad Dawg, Drums und pompöse Frisur.

Kapstadt, Südafrika, ja der gesamte afrikanische Kontinent sind eigentlich weiße Flecken auf der Garage-Punk-Weltkarte. Das mag zwar an meiner Euro- und U.S.-zentrischen Sichtweise liegen, doch auch eine umfangreichere Recherche war nur leidlich ertragreich. Bitte klär mich auf.

Wir haben zwar eine Szene, doch die ist nicht wirklich an Garage interessiert, sondern sehr Psych-lastig. Davon abgesehen geht hier aber so gut wie nichts, auch nicht außerhalb der Stadtgrenzen. Und wenn ich von Szene rede, meine ich wirklich nur eine Handvoll von Bands. Kapstadt ist wirklich sehr klein.

Was sicherlich auch der Grund dafür ist, dass bisher nur europäische Labels daran interessiert waren, eure Musik herauszubringen.

Exakt, keine Szene – keine Plattenfirmen, die Interesse daran haben, uns zu veröffentlichen.

Die beiden Bands THE EPSILONS und THE REVELATORS, in denen du zuvor gespielt hast, sind stilistisch ganz anders als die FUTURE PRIMITIVES. Gibt es eine Erklärung für diese Entwicklung? Wobei ich diese eher als rückwärtsgewandt wahrnehme, mit einem Sound, der ursprünglicher, „primitiver“ klingt.

Ich würde es sowohl als Entwicklung im progressiven Sinne betrachten, als auch als die angesprochene Rückbesinnung auf das primitive Element der Musik. Als ich THE EPSILONS gründete, war ich 19 Jahre alt – im Januar 2014 werde ich 29. Das ist also fast zehn Jahre her und obendrein waren das die ersten Songs, die ich überhaupt jemals geschrieben haben. So ein Zeitraum sollte zwangsläufig einen Unterschied ausmachen, denke ich. THE REVELATORS sind ja erst seit kurzem Geschichte, und um ehrlich zu sein, sehe ich da keine wirklich großen Unterschiede. Mal abgesehen davon, dass THE REVELATORS etwas straighteren Garage-Punk gespielt haben, während die FUTURE PRIMITIVES mehr Sechziger- und Psych-Anteile besitzen.

Du hattest also schon vor Gründung der Band diesen Sound im Kopf, der die FUTURE PRIMITIVES ausmacht?

Nach dem Ende der REVELATORS hatte ich bereits eine neue Band im Kopf und ich wusste, dass ich sie THE FUTURE PRIMITIVES nennen wollte, hatte aber keine Ahnung, wen ich in der Band haben wollte. Ich brauchte zu diesem Zeitpunkt eine Auszeit, fühlte mich musikalisch festgefahren und wollte neue Songs schreiben. Der Plan war also, einfach irgendetwas zu machen – ganz egal, ob Rockabilly oder Garage – und zu schauen, was dabei rauskommen würde. Als ich dann die ersten Songs beisammen hatte, fing ich an, wieder mit Heino, der ja auch bei den REVELATORS war, zu jammen, was ein smarter Schachzug war, denn es gibt nicht viele Leute, die so Bass spielen können wie er. Von da an ging es los, wir fanden durch gemeinsame Freunde den perfekten Drummer – mit perfekter Frisur – und halten uns heute beim Songwriting immer noch an die Richtlinie, einfach das zu machen, was einem gerade in den Sinn kommt, und auf gar keinen Fall Pläne zu schmieden. Vielleicht ist mein Songwriting über die Jahre auch etwas gereift, wer weiß. Wir sind niemandem etwas schuldig, was unseren Sound betrifft. Entweder magst du ihn oder nicht. Wir halten uns nicht an das, was angesagt ist und werden es wohl auch nie tun.

Wodurch ihr es zur Veröffentlichung von mittlerweile drei Alben innerhalb von nur zwei Jahren gebracht habt. Ich gehe also davon aus, dass ihr sonst nicht viel zu habt.

Haha, genau, wir sind gelangweilt und wissen sonst nichts mit unserer Zeit anzufangen. Nein, wirklich, alles was ich machen möchte, sind gute Alben. Eigentlich ist mir das das Wichtigste im Leben. Das reicht doch als Grund, oder?

Eine eurer Platten ist streng genommen ja kein rein eigenes Werk. Wie kam es zu der weit gefächerten Tracklist auf „Songs We Taught Ourselves“?

Nun ja, unsere Einflüsse sind eben vielfältig und das spiegelt sich in der Songauswahl wider. Früher Garage und Psych sowie Surf sind aber die entscheidenden Einflussfaktoren.

Gibt es auch Songs, die ihr niemals zu covern wagen würdet?

„Autumn’s child“ von CAPTAIN BEEFHEART – niemand sollte es jemals wagen, diesen Song zu covern. Und ich hoffe wirklich, dass es niemand bisher getan hat. Und falls doch, erzähl mir bitte nichts davon, denn dann wäre ich gezwungen, ihn zu hören, was mein weiteres Leben vollständig versauen würde.

„Into The Primitive“ klingt erstaunlich anders, irgendwie poppiger als „This Here’s ...“ und doch scheint sich am Trashpunk-Grundrezept nichts verändert zu haben.

Ja, unser neues Album ist irgendwie anders und gleichermaßen scheinen wir unsere Spur kaum verlassen zu haben. Neuerungen und Altbewährtes geben sich die Klinke in die Hand – eine Symbiose aus Catchiness und Rohheit. Wir wollen niemanden enttäuschen und geben den Leuten das, was sie auf den vorangegangen Alben mochten, wollen aber dasselbe Album nicht ein zweites Mal aufnehmen. Davon abgesehen, kann ich es nicht ausstehen, wenn Bands sich zu sehr verändern – man muss Kontinuität erkennen können.

Was sich offenbar auszahlt, denn momentan gibt es einigen Wirbel um euch; selbst eingefahrene Traditionalisten haben Gefallen an eurem Sound gefunden. Warum sind die FUTURE PRIMITIVES so überzeugend, dass ihr euch auch in den letzten Ecken der Szene mittlerweile einen Namen gemacht habt – also dort, wo man vornehmlich mit dem Sammeln von arschteuren Originalsingles beschäftigt ist?

Aus dem ganz einfachen Grund, dass wir von niemanden erwarten, seine arschteuren Originalsingles aus der Hand zu legen. Und man es auch gar nicht muss, um uns zu mögen.

Was fehlt deiner Meinung nach den meisten zeitgenössischen Bands?

Seele, Leichtfertigkeit und musikalische Ungebundenheit. Man muss nicht technisch versiert sein. Alles, was man braucht, sind Leidenschaft und die Fähigkeit, sich in der Musik fallen lassen zu können. Natürlich gibt es auch aktuelle Bands, bei denen das der Fall ist. Viele machen großartige Musik, aber im Allgemeinen treffen 50s- und 60s-Sachen den Nagel eher auf den Kopf. Maybe I’m an old soul.