FRONTAL wurden 1998 in Zug, Schweiz gegründet und können mittlerweile auf diverse Veröffentlichungen wie auch einige Besetzungswechsel zurückblicken. Seit 2014 sind sie zu fünft: Silvia (bs, voc), Martina (key), Leemä (voc), Luc (dr) und Häcki (gt). Ihr fulminanter Gig im März im Limes, Köln war meine erste Begegnung mit FRONTAL. Ihr abwechslungsreicher und dabei extrem tanzbarer Punkrock mit Anklängen an diverse Punk/New Wave-Sounds der frühen Achtziger, bedingt auch durch das manische Keyboard, war einer der Gründe, der Band ein paar Fragen zu stellen.
Mittlerweile gibt es FRONTAL seit zwanzig Jahren. Was ist die Motivation nach all den Jahren weiterzumachen – zumal schon einige Besetzungswechsel hinter euch liegen?
Häcki: Die Freude an der Musik und die Freundschaft.
Leemä: Die Besetzungswechsel betrafen immer die gleiche Position: den Bass. Von daher blieb der Kern der Band stets bestehen. Die Doppel-Neu-Besetzung 2014 hat den Bandhorizont aber definitiv erweitert. Positiv! Ein Grund weiterzumachen ist die fortbestehende Lust live zu spielen. Die Begegnungen mit dem Publikum. Die Musik gibt mir die Möglichkeit, alles rauszulassen, gemeinsam etwas zu kreieren und Zeit zu verbringen. Für mich ist Punkmusik auch eine Art Seelentherapie.
Wie würdet ihr die Musik von FRONTAL selbst beschreiben? Optisch habt ihr mich beim Konzert in Köln – vielleicht auch wegen des Keyboards – an die frühen NDW-Bands erinnert. Zufall oder gewollt?
Silvia: Sie ist spritzig. Wir lieben Ursprüngliches und machen Neues.
Martina: Wir sehen unsere Musik als ständigen fortwährenden Diskurs mit unseren eigenen und gesellschaftlichen Begrenztheiten und Dehnungspotenzial.
Häcki: Ah, ich hasse dieses Schubladendenken und will mich gar nicht damit auseinandersetzen.
Luc: Und sie macht auch einfach Spaß.
Leemä: Das mit der NDW ist Zufall!
Ihr sagt selbst, dass euch Ansagen auf Konzerten nicht so sehr liegen und ihr lieber Musik macht, anstatt groß zu reden. Texte gehen auf Konzerten dann doch unter. Worüber schreibt ihr?
Häcki: Über alles, was uns bewegt. Von großen Themen bis zu kleinen Geschichten.
Leemä: Texte sind Verarbeitung von Erlebnissen, Ereignissen und etwas, das raus muss. Ich will etwas senden und deshalb muss ich als Sänger zu 100% hinter den Texten stehen können, weil ich sie direkt übertrage. Das gilt natürlich für alle, aber für mich im Speziellen.
Luc: Im Grundsatz dahinterstehen und dann Rock’n’Roll.
Ihr schreibt sowohl englische, deutsche als auch französische Texte. Entscheidet ihr spontan, welche Sprache ihr nutzt?
Leemä: Eigentlich sind alle unsere Texte auf Deutsch, weil dies am einfachsten geht beim Schreiben und Singen. Die anderen sind Ausreißer, weil es gerade so gut passte. Eigentlich sind wir überhaupt nicht sprachbegabt, aber wir probieren eben auch mal Sachen aus, die wir nicht perfekt können.
Martina: Ja, genau. Sogar unsere Muttersprache, Schweizerdeutsch, war bisher ein Ausreißer.
Beschreibt euer Text „Punk is change“ eine Lebenseinstellung oder ist das doch nur auf die Musik bezogen?
Leemä: Ein Prozess, der passiert ist. Ein solcher Text wäre vor zehn Jahren nicht denkbar gewesen. Er ist ein Tritt gegen das Bein der konservativen Punks, die sehr engstirnig sind.
Silvia: Punk ist Lebenseinstellung!
Martina: Ich sehe das auch so, aber ich wünsche Veränderung.
Häcki: Tatsache, beides!
Spielt ihr noch Songs aus eurer Anfangszeit? Sind die Texte, die ihr damals geschrieben habt, immer noch aktuell?
Häcki: „Flucht“, der Song war 1998 aktuell und ist es auch geblieben.
Leema: Ja, vor zwei Jahren war es an der Zeit, ihn wieder zu reaktivieren. Das ist jedoch der einzige Text, der die Jahre überdauert hat.
Häcki: Die früheren Sachen waren direkter. Es ist krass, dass dieser Text immer noch aktuell ist. Die Menschheit lernt nicht.
Leema: Manchmal singe ich alte Texte vor mich hin, weil sie mir gerade in den Sinn gekommen sind. Ist dann wie ein Blick in die Vergangenheit und tut gut. Die finde ich nach wie vor toll, sie würden aber heute nicht mehr zu uns passen und dann gibt es natürlich auch die Songs, bei denen du denkst, na ja ...
Punk in der Schweiz wirkt – zumindest – im Internet wie ein Phänomen der späten Siebziger Jahre und die heutige Szene scheint sich auf nur wenige Bands zu beschränken. Täuscht mein Eindruck?
Leemä: Das lässt sich so gar nicht vergleichen, weil das eine völlig andere Zeit war. Das ganze Punk-Ding spielte sich früher viel mehr im öffentlichen Raum ab und war emotionaler. Die Leute setzten sich für bestimmte Anliegen ein. Punk heute lässt sich nicht mehr so leicht zuordnen, zum Beispiel über das Aussehen, und es gibt auch keine allgemeingültige Definition, was Punk ist und was nicht.
Martina: Das finde ich super. Ich stehe hinter vielen Ansichten, die sich dem Punk zuschreiben lassen, aber ich muss deswegen keine bunten Haare haben oder eine mit Nieten und Aufnähern bestückte Jacke tragen.
Häcki: Ende der Neunziger Jahre gab es in Zug eine relativ große Punk-Szene. Da wusstest du immer, wohin du gehen konntest, wenn du Punks treffen wolltest. 1998 fand in Zug ein Punkfestival mit sieben lokalen Punkbands statt.
Leemä: Viele Bands streben nach Erfolg und die Sache ist ihnen nicht mehr wichtig.
Euer letzter offizieller Output liegt ja schon einige Jahre zurück und das „neue“ Material, das im Internet zu hören ist, hat wirklich Potenzial. Wann können wir endlich mit einer neuen Veröffentlichung rechnen?
Silvia: Ich hoffe bald.
Häcki: Die Produktion läuft auf Hochtouren.
Leemä: Februar 2019 kommt was auf euch zu.
Was könnt ihr empfehlen, wenn es jemanden mal nach Zug verschlagen sollte?
Häcki: Das Kulturzentrum Galvanik und der Zytturm, das Wahrzeichen von Zug. Nachtschlitteln am Zugerberg.
Martina: Du kannst eine ungeführte „Tour de Rohstoffausbeuter“ machen. Tipp: Bei der Glencore AG in Baar finden regelmäßig kleinere Demos statt.
Und was hält euch in dieser Stadt?
Leemä: Was uns hier hält, haben wir uns auch schon oft gefragt.
Martina: Die Leute und die Bequemlichkeit.
Häcki: Freunde und Familie.
Martina: Velofahren im Sommer in der Nacht.
Letzte Worte?
Leemä: Yeah, soeben das erste Interview für ein Fanzine gegeben.
Häcki: Eigentlich lustig. Jetzt haben wir etwa alle fünf Jahre ein Interview gegeben.
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