Iranisches Kino wird nicht erst seit Familie Makhmalbaf im Ausland verehrt und zahlreich prämiert. Während Mohsen Makhmalbaf (zum Beispiel "Safar-E Ghandahar", "Die Reise nach Kandahar", 2001) Ende der 90er einen gewissen Berühmtheitsgrad erlangte und der Rest seiner Familie, insbesondere seine zweite Frau und seine beiden Töchter, nachzogen, liegen die Wurzeln persischen Kinos weiter zurück und beginnen, ob man das nun gut findet oder nicht, mit der Islamischen Revolution.
Zumindest gilt dies für Regisseurinnen, denn obgleich sich viele Bedingungen für Frauen nach der Revolution verschlechtert haben, verbesserte sich ihre Ausbildung. Während zu Schah-Zeiten die Hauptstadt Teheran als unzüchtig, wild und hemmungslos galt und traditionelle Familien ihren Töchtern nicht erlaubten, für ein Studium in die große Stadt zu ziehen, gab es nach der Revolution islamische Regeln - für genau diese traditionellen Familien war das die Möglichkeit eines züchtigen Studiums für ihre Töchter unter den Augen der Mullahs und garantiert ohne Disco Fever.
Trotz ebenso "islamischer" Curricula, waren Film und Kultur mitunter die beliebtesten Studienfächer. Zu diesen Zeiten begann Mohsen Makhmalbaf als politischer Regisseur, angeheuert vom Islamischen Kulturministerium. Doch auch wenn alle Makhmalbafs mittlerweile als politische Exilanten in Frankreich leben und dementsprechend ihre Filme vom iranischen Staat zensiert wurden oder werden würden, ist zumindest Herr Makhmalbaf weniger subversiv, als so mancher Westler glauben möchte. Dreh- und Angelpunkt dieses Urteils sind seine Frauenbilder, und um ein anderes, ich möchte behaupten, echteres Frauenbild aus dem heutigen Iran zu bekommen, gab es auf dem diesjährigen Frauenfilmfestival junge, unbekannte, aber auch durchaus renommierte persische Regisseurinnen, die ihre Filme vorstellten. In Makhmalbafs Filmen steht die Frau zwar vielfach im Mittelpunkt - die erste kleine Revolution -, verkörpert aber weiter traditionelle Rollenklischees, wie sie den konservativen Regierungskreisen eigentlich gefallen müssten. Während zu Schahzeiten nur zwei vorherrschende Frauenbilder existierten, nämlich das der Prostituierten und das der sorgsamen Hausfrau und Mutter, entdeckt man bei Makhmalbaf ein nur wenig differenzierteres Bild: Frauen sind entweder die den Mann verführende Prostituierte, "Todesengel", hilflose Romantikerinnen oder starke Ehefrauen, die sich für ihren Mann in jeglicher Hinsicht aufopfern.
Diese Klischeerollen wollte ich von den iranischen Regisseurinnen widerlegt wissen und begann gespannt meinen fünftägigen Exkurs in die Welt des iranischen Frauenkinos mit einem mitreißenden Film über ein persisches Frauengefängnis, den sich auch Frau Schwarzer nicht entgehen ließ. "Zendan-E Zanan" ("Frauengefängnis", 2002) von Manijeh Hekmat schildert den Alltag in einem Frauengefängnis in Teheran über den Zeitraum von 20 Jahren, beginnend kurz nach der Revolution 1984, dann 1992 und 2001. Den roten Faden stellt die Protagonistin Mitra her, die als junges, aufständisches Mädchen in einer verdreckten Zelle den Mord am zweiten Ehemann ihrer Mutter absitzt, der diese schlecht behandelte. Schon die Anfangsszene, ein schwarz-weißes Bild, ankettete Füße, die sich über jede Menge Müll hinwegbewegen und leises Wimmern und Stöhnen, deutet auf die Stimmung des Films hin. Bedrückend spiegeln sich die Veränderungen in der Gesellschaft und für Frauen seit der Revolution im Mikrokosmos Gefängnis wider. Mitras Gegenspielerin Tahareh (übersetzt passend: "sauber", "rein") ist eine strenggläubige Kämpferin der Revolution, die 1984 die Führung der Frauen übernimmt und Zucht und Ordnung in den Laden bringt. Das schafft sie nicht durch Überzeugung, sondern durch rabiate Mittel. Die islamische Kopf- und Körperbedeckung wird ab jetzt selbst im Frauengefängnis streng genommen, wer zickt, kommt in die Isolationszelle. Mitra beugt sich bis zuletzt nicht dem Druck der Autorität, auch wenn sie sich mit der Zeit anpasst. Interessant sind dabei ihre Freundschaften zu anderen Gefangenen, die die typischen Probleme der Generationen aufzeigen: Da ist die wohlhabende und aus politischen Gründen verurteilte Frau, die gegen die Islamische Revolution an der Seite der Kommunisten kämpfte und letztendlich zum Tode verurteilt wird. Oder das verarmte junge Mädchen, das von einer Insassin vergewaltigt wird. Und zu guter Letzt ein Teenager, der 1984 im Beisein Mitras schon im Gefängnis geboren wurde und deren Aufsässigkeit weiterführt.
Hekmat wurde nach zweijähriger Recherche und einigen Schwierigkeiten mit den Ministerien erlaubt, den Film zu drehen, der dann allerdings 2002 von dem national bedeutendsten Filmfestival Fajr in Teheran ausgeschlossen wurde, aber im selben Jahr wenigstens bei den Filmfestspielen in Venedig Premiere hatte. Unter Einsatz der Chatami-Regierung wurde jedoch eine zensierte Fassung erlaubt und brach in Teheran alle bis dato gesehenen Rekorde, obwohl er weiterhin in vielen anderen Städten nicht aufgeführt werden durfte. Aus der Perspektive der Islamischen Republik fast schon verständlich, da der Film nicht nur unterschwellig, sondern direkt die Themen Vergewaltigung, Prostitution, Korruption, Verbrechen und Drogenabhängigkeit anspricht.
Ein ähnlich gesellschaftskritischer Film ist das Spielfilmdebüt der aufstrebenden Regisseurin Mona Zandi Haghighi "Asr-E Jome" ("Freitagnachmittag", 2005), der 2006 auf dem Fajr-Festival den Preis für das beste Debüt und den Spezialpreis der Jury erhielt. Die Thematik wird insofern vorangetrieben, als die Protagonistin des Films aus einem Frauengefängnis mit ihrem dort geborenen Sohn Omid (deutsch: "Hoffnung") entlassen wurde. Als 15-Jährige ungewollt schwanger, von ihrem Vater verstoßen und zu einer der zahlreichen jungen weiblichen Ausreißerinnen geworden, endet Sogand im Gefängnis. "Asr-E Jome" beschränkt sich auf die Schwierigkeiten einer iranischen Ex-Inhaftierten, die ohne Ehemann oder Familie mit Mühe und Not versucht, den Lebensunterhalt für sich und ihren aufmüpfigen Sohn zu bestreiten. Als die jüngere und mittlerweile in Teheran studierende Schwester Sogands ihre verschollene Schwester sucht und findet, damit diese sich doch noch mit dem todkranken Vater versöhnen kann, kommt das schreckliche Geheimnis Sogands zu Tage, woran ihr Sohn Omid zerbricht: Sogand wurde von ihrem Onkel - an einem Freitagnachmittag - vergewaltigt. Und keiner glaubte ihr.
Die Tragik dieser Geschichte spricht immer noch existierende - teils in der Tradition verankerte - Probleme von Frauen in Iran an. Während der Film sowohl zu Tränen rührt als auch vor Wut weinend macht, wundert es mich immer noch, dass "Asr-E Jome" ohne größere Probleme Preise im Iran gewinnen konnte. Die anwesende Regisseurin Haghighi erläuterte dazu, dass die einzigen Schwierigkeiten für sie eine Epilierszene und die stellenweise sehr lose Kopfbedeckung der weiblichen Darstellerinnen war - was bei dem sensiblen Thema Vergewaltigung für mich noch viel lachhafter ist als sonst schon. Zur Entstehung des Films berichtete Haghighi, dass sie ursprünglich einen auf einer wahren Begebenheit beruhenden Film über ein 13-jähriges, von ihrem Vater vergewaltigtes Mädchen machen wollte, mit dem sie zahlreiche Interviews im Gefängnis geführt hatte. Sie entschied sich dagegen, da der Fall schon mehrere Jahre zurücklag und die Problematik einer allein erziehenden Ex-Gefangenen für Haghighi ein herausfordernderes und aktuelleres Problem war.
Mein Freitagnachmittag auf dem Festival bekam dann mit "Morabbayy-E Shirin" ("Süße Marmelade", 2001) von Marziyeh Boroumand eine ganz andere Richtung: Hier lief die Art Kinofilm, die ich im iranischen Fernsehen schon oft gesehen habe. Ein leichter, lustiger Kinderfilm, der all die kulturellen Besonderheiten in den Vordergrund stellt. Boroumand arbeitete tatsächlich für das staatliche Fernsehen und auch wenn das nicht wirklich für sie spricht, revolutioniert sie auf ihre Art das iranische Kinderfernsehen und -kino. In "Morabbayy-E Shirin" dreht sich alles um den kleinen Jalal, der ein Glas Marmelade nicht öffnen kann. Das Problem wird zu einem Problem der Nation, denn niemand kann das Glas öffnen, vielmehr noch bleiben alle Gläser der Firma verschlossen. Jalal reicht nach einigen Hürden eine Beschwerde beim Verbraucherministerium ein und die Firma wird zu Entschädigungen gezwungen. Jalal wird zum Held der Nation. Das schnulzige Thema des kleinen Helden Jalal wird dank des iranischen Humors zu einer sehenswerten Komödie inklusive einiger Musicaleinlagen. Gesellschaftskritisch macht den Film, dass er in einer Gesellschaft, in der Kinder zwar geliebt, aber nicht wirklich ernst genommen werden, ein Kind als vernünftige und ernst zu nehmende Hauptfigur in den Vordergrund stellt. Auch "Morabbayy-E Shirin" hatte - aus mir unerfindlichen Gründen - Probleme, Verleiher im Iran zu finden und kam erst 2006 in die Kinos, wo er zum Kassenschlager wurde.
Am Abend ging es weiter mit dem heiß erwarteten "Top Act" - so kam es mir zumindest vor, als ich die Schlangen vor dem Kölner Kino sah. Tahmineh Milani, eine renommierte und in den USA vielfach ausgezeichnete junge iranische Regisseurin sollte ihren brandneuen Film "Atash Bas" ("Waffenstillstand", 2006) aufführen und stand danach noch zur Diskussion zur Verfügung. 95 Prozent der Anwesenden waren - wie eigentlich bei allen Filmen des Fokus Iran - iranische Exilantinnen, der Rest deren Ehemänner, interessierte Deutsche (Frauen) und als vielleicht einziger deutscher Mann mein Freund. Ich hatte ihn ein wenig überreden müssen, mich zu begleiten, schließlich wurden alle Filme ausschließlich auf Persisch mit hauptsächlich englischen Untertiteln aufgeführt - was verständlicherweise Filmen viel nimmt, denn genau wie im Englischen gibt es viele persische Besonderheiten, die sich nicht so einfach übersetzen lassen. Dementsprechend war ich gespannt auf seine Reaktion, denn mit "Atash Bas" erwartete uns eine Komödie.
Es geht um ein junges Ehepaar, deren Leben nach zwei Jahren immer mehr von Zankereien bestimmt wird. Die Bauingenieurin Sayeh entscheidet sich, die Scheidung einzureichen, landet aber zufällig in der Praxis eines Paartherapeuten anstatt beim Rechtsanwalt. Sie beginnt, ihm in Rückblicken von ihrer Ehe mit Yousef zu erzählen und bald wird deutlich, dass beide Partner lernen müssen, ihr Verhalten zu kontrollieren und sich zu respektieren. Nach der Zustimmung Yousefs, sich auf die Empfehlungen des Therapeuten einzulassen, hat der Film - natürlich - ein Happy End. Was sich nach einer recht uninteressanten Allerweltsgeschichte anhört, wird in den Eherückblicken zu einer unglaublich witzigen Kömodie à la Woody Allen. Ich habe lange nicht mehr so gelacht und selbst mein Freund konnte sich dem nicht verwehren. Obwohl Milani in diesem Film von einer jungen Familie der Oberschicht mit sehr emanzipierten Frauenfiguren (der ohne das Kopftuch genauso in jedem anderen Land hätte spielen können) erzählt, gibt sie doch ein typisches Bild der modernen iranischen Ehe, die humorvoll auf den Prüfstand gestellt wird. "Atash Bas" wird so zu einem "Mainstreamfilm", der jedoch für die Entwicklung der vielfach noch sehr traditionellen iranischen Gesellschaft wichtig ist. Und dass er dessen Nerv trifft, beweist, dass der Film Anfang 2006 alle iranischen Box Office-Rekorde der letzten fünf Jahre brach und über 80 Tage in den Teheraner Kinos lief. Was mich persönlich wundert, da der Lebens- und Sinneswandel der Protagonisten im Film dem Kulturministerium der Islamischen Republik eigentlich nicht gefallen dürfte.
Aber an diesem Beispiel sieht man vorzüglich, dass es immer nur darauf ankommt, wer gerade in welcher Position sitzt und urteilt - mal hat man Glück, mal Pech, so auch Tahmineh Milani. Zum Beispiel Milanis Film "The Hidden Half" (2001), in dem sich eine Studentin gegen die Islamische Revolution und für die linke Bewegung engagiert, erregte die Gemüter des Regimes. Milani, die eigentlich Architektin ist, wurde aufgrund dieser unterstellten politischen Stellungnahme verhaftet und letztendlich nach zwei Wochen aufgrund einer Petition namhafter internationaler Regisseure (wie Francis Ford Coppola, Martin Scorsese und Sean Penn) und dem Einlenken des damaligen Staatspräsidenten Chatami freigelassen.
Samstagmittag ging es dann direkt weiter mit Tahmineh Milani und "Zan-E Ziadi" ("Die unerwünschte Frau", 2005). Dieser Film ist keine Komödie, sondern ein ernst zu nehmendes Road Movie über komplexe Frauenfiguren und einen untreuen Ehemann. Das Reisen ist für Frauen im Iran zusammen mit dem Ehepartner, dessen Erlaubnis oder Verwandtschaft verbunden. Sima ist junge Mutter und Lehrerin. Skeptisch stimmt sie ihrem Mann Ahmad zu, vor der Polizei zu bestätigen, dass das junge verwitwete Mädchen Saba, das Ahmad im Auto zu ihrer Familie in die Berge bringen möchte, eine Verwandte ist - und fährt mit der kleinen Tochter einfach mit. Die Reise spitzt sich zu, als ein Unwetter alle zur Übernachtung in einem überfüllten Hotel zwingt, in dem sich auch noch ein Mord ereignet hat. Für Sima wird die Reise zum kompletten Alptraum, als sie merkt, dass Saba die Geliebte ihres Mannes ist. Die Nacht ist turbulent und problematisiert sowohl die Gefühle der betrogenen Ehefrau und der jungen Geliebten als auch die des Ehemannes.
Der Heiratszwang, der sich hinter vielen iranischen Familien verbirgt, wird hier vielschichtig an die Oberfläche gebracht. Gleichzeitig stellen sich für die Betrogene Fragen nach Hass und Rache, die ebenfalls problematisiert werden. Milani fällt kein moralisches Urteil, sie wirft Fragen auf und konfrontiert ihr Publikum mit Problemen der iranischen Gesellschaft. Milani erklärte dem Publikum nach dem Film, dass es ihr besonders darum ging, zu verdeutlichen, dass es viele iranische Frauen ohne Perspektive gibt, die sich für ein besseres Leben Männern hingeben und dabei das Leben der Ehefrauen zerstören - ohne es zu beabsichtigen. "Zan-E Ziadi" soll etwa durch der Figur eines Polizisten, der sich enorm für die betrogene Sima einsetzt, ein positives Beispiel geben. Denn die Polizei in Iran ist alles andere als hilfreich in derartigen Fällen, aber das Beispiel des verständnisvollen männlichen Polizisten soll insbesondere das männliche Publikum zum Nachdenken anregen. Hierzu fiel Milani eine interessante Geschichte ein, die die iranische Paradoxie widerspiegelt. Die Jury des letzten Polizeifilmfestivals wollte ihr einen Preis für "Zan-E Ziadi" überreichen, entschied sich aber letztendlich dagegen, da sie peinlich berührt war, weil sie Milani 2001 aufgrund ihres Films "The Hidden Half" verhaftet hatten.
"Zan-E Ziadi" durfte im Iran gezeigt werden. Abgeändert wurden allerdings eine Szene, in der die politischen Überzeugungen der Erzkonservativen und die der liberalen Jugend aufeinander treffen und die Jugend inhaltlich gewinnt, und eine andere Szene, in der Saba von ihrem im Irak-Iran-Krieg (1980-88) gefallenen Vater erzählt. Der Grund bei letzterer Szene: für potenzielle zukünftige Kriege seien traurige Geschichten wie diese zu abschreckend. Es lebe der Propaganda-Staat.
In der darauf folgenden Podiumsdiskussion "Frauen zwischen Tradition und Wandel - Indien und Iran" mit den anwesenden Regisseurinnen Tahmineh Milani, Mona Zandi Haghighi und Madhusree Dutta (Dokumentarfilmerin und Frauenrechtlerin aus Indien) wurde klar, dass Indien, die größte Demokratie der Welt, in Bezug auf Frauenrechte und Frauen im Kino durchaus auf einem ähnlichen Niveau ist wie die Islamische Republik. Frappierende Überschneidungen, auch im Hinblick auf die Zensur, traten hervor - wobei diese im Iran offensichtlicher sei, während in Indien der große Markt und das traditionelle (und frauenfeindliche) Bollywood-Kino indirekt Zensur ausübten.
Um die Kernaussagen darüber hinaus auf den Punkt zu bringen, hier ein kurzer Überblick: Für Tahmineh Milani ist es klar, dass sich die iranische Gesellschaft im Umbruch befindet, daher ihre These: "Football, women and cinema will change Iranian society". Mona Zandi Haghighi betonte insbesondere die Zusammenarbeit von Frauen und Männern, die in einem Land gravierender Geschlechtertrennung wie Iran, besonders tragend für Frauenrechte sei. Madhusree Dutta machte auf die enormen Schwierigkeiten in Indien aufmerksam, mit der Betonung darauf, dass das Politische das Persönliche sei. Sie brach eine Lanze gegen Bollywood und die Rückkehr zu traditionellen Rollenvorstellungen. Und sie wurde durchaus politisch, indem sie auf ein 2002 geschehenes Massaker religiöser Hindi an Moslems aufmerksam machte und die Einmischung der USA in derartige Probleme in Frage stellte: Dutta ist der Meinung, dass die USA nicht helfen können, wenn man sich selber in solchen Fällen nicht helfen kann. Gleichzeitig warf sie die Frage auf, wer auf die USA für ihre Verbrechen an afghanischen und irakischen Frauen Druck ausübe. Diese Podiumsdiskussion war die interessanteste, die ich auf den fünf Tagen Filmfestival erleben durfte. Leider war oftmals die Sprachbarriere ein großes Manko, da vielfach Englisch, Deutsch und Persisch durcheinander liefen und einige Diskussionen chaotische Züge annahmen.
Zurück zum Film: Samstagabend beschloss ich den Tag mit jenem Iran, das für mich nach zahlreichen Reisen den höchsten Wiedererkennungswert hatte. Gezeigt wurde der Film "Zir-E Pust-E Shahr" ("Unter der Haut der Stadt", 2000) von Rakhshan Bani-Etemad, die als beste iranische Regisseurin gilt und schon 1987 ihren ersten Spielfilm drehte. "Zir-E Pust-E Shahr" ist ein Drama, das Einblicke in die Probleme und Ängste einer Arbeiterfamilie in Teheran gewährt. Im Mittelpunkt des dokumentarisch geprägten Film steht die Familienmutter Tuba, die pflichtbewusst den Haushalt schmeißt, Geld verdient und letztendlich das zusammenhaltende Glied in der Familie ist. Die Probleme der typischen iranischen Familie drehen sich um innerfamiliäre Misshandlungen und die großen Träume von einem besseren Leben im Ausland, die nur zu mehr Schwierigkeiten führen. Das große Drogenschmuggelproblem im Land wird ebenfalls thematisiert. Insgesamt ein Film, der einfühlsam die patriarchalen Strukturen im Land aufdeckt und die Frau als starken Mittelpunkt der Familie ins rechte Licht rückt.
Nachdem ich die Kurzfilme und Filme der Exil-Iranerinnen leider aus zeitlichen Gründen nicht sehen konnte, bildete der Dokumentarfilm "City Walls - My Own Private Tehran" am Sonntagnachmittag den krönenden und gebührenden Abschluss des Festivals für mich. Der Film von Afsar Sonia Shafie, mittlerweile seit einigen Jahren als Exil-Iranerin in der Schweiz, hatte die Absicht, drei Frauengenerationen im Iran zu dokumentieren. Im Land angekommen, merkte Shafie schnell, dass sie diese drei Generationen in ihrer eigenen Familie findet - weshalb "City Walls" ein Film über ihre Großmutter, ihre Mutter und sie selbst ist. Der Film ist unglaublich intim und privat, die Frauen nehmen kein Blatt vor den Mund. Dabei scheint er universell gültig, es sind (leider) keine Einzelfrauenschicksale. Das Kölner Kino ist überfüllt, es sind (mal wieder) hauptsächlich iranische Frauen gekommen. Keine dieser Frauen bleibt unberührt. Im Gegenteil, nach den ersten zehn Minuten schluchzt das gesamte Kino, selbst ich kann die Traurigkeit nicht unterdrücken. "City Walls" geht nahe - in jeglicher Hinsicht. Er macht bitterböse, manchmal kann man aus vollem Herzen lachen, oftmals überkommt einen ein Gefühl seltsamen Heimwehs (trifft auf mich, als Halbiranerin in Deutschland geboren, zugegebenermaßen nicht ganz so zu wie auf die Exil-Iranerinnen, mit denen ich im Anschluss gesprochen habe) - aber in erster Linie ist der Film einfach nur sehr traurig. Als Frau möchte man schreien und weinen vor Ungerechtigkeit. Nichtsdestotrotz: "City Walls" ist gleichzeitig ein Zeugnis sich ändernder Frauenrollen und -geschichten. "City Walls" soll Mut machen und ist dabei erfolgreich - darüber hinaus ein exzellentes Dokument der sich transformierenden iranischen (Frauen-) Gesellschaft. "City Walls - My Own Private Tehran" von Afsar Sonia Shafie wird im nächsten Jahr bei arte laufen, ich empfehle akribisches Durchforsten der Fernsehzeitung.
Alle anderen Filme (bis auf "Atash Bas" und "Asr-E Jome", die noch zu neu sind) sind auf VHS oder DVD erhältlich - entweder im iranischen Laden eueres Vertrauens oder online (meist aus den USA). Informationen über die Regisseurinnen und deren Filme findet ihr in der Regel auch auf unser aller liebsten Website Internet Movie Database, IMDB.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #70 Februar/März 2007 und Sarah Shokouhbeen