Franka Biederstädt hat sich mit ihrem YouTube-Kanal „Mädels an die Bässe!“ vor allem ein Ziel gesetzt: Mehr Frauen für den Bass begeistern. Seit drei Jahren veröffentlicht sie Tutorials zum Nachspielen, macht Interviews mit anderen Bassistinnen, um zu zeigen, wen es bereits an Vorbildern gibt, und sie redet über alles, was man sonst noch so über den Bass wissen sollte. Im Interview spricht sie über den Mangel an Frauen in Punkbands, mögliche Ursachen für dieses Ungleichgewicht und was sie sich in Zukunft von der Szene wünscht.
Wie bist du an den Bass gekommen? Hattest du Vorbilder?
Das ist eine gute Frage. Ich habe erst Blockflöte gespielt und ungefähr mit 13 angefangen, Schlagzeugunterricht zu nehmen. Ein, zwei Jahre später wollte ich dann Bass lernen. Und dann hat mir mein Schlagzeuglehrer erzählt, dass einer seiner Schüler für seine Band noch eine:n Bassist:in sucht, und darum bin ich ziemlich schnell in die Spielpraxis eingestiegen. Und beim Bass bin ich letztendlich geblieben. Warum ich aber konkret dazu gekommen bin, da gab es keinen konkreten Anlass oder ein bestimmtes Vorbild. Weibliche Bassistinnen waren mir damals kaum bekannt – als Einzige wohl D’arcy von den SMASHING PUMPKINS. Ich glaube, dieses Instrument entspricht am ehesten meinem Wesen – nicht unbedingt in der ersten Reihe stehen, aber subtil mit Power in der zweiten.
Hattest du damals eine Basslehrerin oder einen Basslehrer? Hat das deine Wahl des Musiklehrers beeinflusst?
In der Musikschule, in der ich mich damals angemeldet habe, gab es im Bereich Bandinstrumente keine Frau, die unterrichtet hat. Und die gibt es dort auch heute noch nicht, ich habe gerade nachgesehen. Ich war bei einem männlichen Basslehrer, den ich sehr mochte und der mir die Basics sehr gut beigebracht hat. Ich wollte mich vor kurzem bei ihm melden und ihm mitteilen, dass ich immer noch Bass spiele. Aber leider ist er schon gestorben. Ich habe damals nicht darüber nachgedacht, ob ich lieber zu einer Frau gehen würde, da die Option ja gar nicht da war. Aber es wäre sicher auch schön gewesen, von einer Frau zu lernen.
In deiner Kanal-Beschreibung steht, dass deine Tutorials vor allem für Mädels gedacht sind, weil du in deiner bisherigen Laufbahn nur sehr wenige Mädels in Bands getroffen hast. Warum, denkst du, sind so wenige Frauen in Bands aktiv?
Das ist eine schwierige, aber sehr wichtige Frage, über die es sich lohnt nachzudenken. Auf keinen Fall ist es so, dass Mädchen oder Frauen sich eben von Natur aus nicht dafür interessieren und basta. Sondern es liegt an Umständen, die sich so entwickelt haben, die sich aber in Zukunft auch ganz anders entwickeln können. Zum Beispiel neigen Mädchen und Frauen vermutlich durch eine bestimmte Erziehung dazu, ihre eigenen Fähigkeiten und ihr Potenzial zu unterschätzen. Sie sind oft bescheiden und lassen anderen den Vortritt. Und ein sehr wichtiger Grund ist, dass es noch zu wenige Vorbilder auf den Bühnen gibt. Ich kann das als Frau bezeugen und habe es auch in Gesprächen mit anderen Frauen schon oft bestätigt bekommen: Wenn ich im Publikum stehe und eine Band abfeiere und die besteht nur aus Männern, dann komme ich wahrscheinlich einfach viel weniger auf die Idee: Boah, das will ich auch machen und das könnte ich auch. Außerdem ist so eine testosteronlastige Proberaumumgebung nicht unbedingt der Ort, an dem sich Mädchen direkt pudelwohl fühlen. Wenn man immer das einzige Mädchen ist, muss man schon ein großes Interesse am Musikmachen haben, um dranzubleiben. Und wenn man dann vielleicht noch einen blöden Spruch hört, kann das auch schnell entmutigen.
Kannst du dir vorstellen, dass das Ungleichgewicht von Männern und Frauen in Bands bereits bei der Wahl des Instruments beginnt?
Offenbar ist das so. Denn in Orchestern und generell in der klassischen Musik gibt es ja, soweit ich das wahrnehme, sehr viele Frauen. Es ist also nicht so, dass Frauen generell nicht gern Instrumente spielen. Aber klar, wenn ich mich dazu entscheide, Schlagzeug zu lernen oder Bass oder E-Gitarre, läuft es ja darauf hinaus, dass man früher oder später in einer Rockband spielt. Und diese Instrumente wählen viele Mädchen dann eben nicht aus, aus oben genannten Gründen.
In deiner Kanal-Info steht auch, dass es mehr Vorbilder auf diesem Gebiet braucht. Denkst du, dass das ein Grund ist, warum weniger Frauen in Bands spielen?
Ja, das ist meiner Meinung nach der Hauptgrund. Mädchen und Frauen haben durch zum Beispiel ausschließlich männliche Line-ups bei Festivals und ausschließlich männliche Mitglieder in Bands das Gefühl, das wäre wohl nichts für sie. Das ist eine subtile Geschichte, die unterbewusst wirkt. Sobald da aber eine Frau auf der Bühne abgeht, das haben mir schon einige Bassistinnen bestätigt, bekommen sie von Mädchen und Frauen die Rückmeldung, dass sie das ganz toll finden und das jetzt auch machen wollen. Es wirkt unglaublich aktivierend und ermutigend, jemanden in einer Rolle zu sehen, der einem ähnlich ist, und hier ist es eben das Geschlecht, das viel ausmacht.
Welches Feedback hast du bisher von Frauen auf deine Videos bekommen?
Ich muss sagen, ich bediene ja durch den Titel des Kanals eine Nische, denn es gibt wie gesagt ja noch nicht so viele Bassistinnen da draußen, im Vergleich zu männlichen Bassisten. Darum sind auch meine Zuschauer:innen nur zu etwa 10 bis 15% weiblich, laut YouTube-Statistik. Aber ich habe das Gefühl, es wird mehr. Und das Feedback, das ich von Mädchen und Frauen bekomme, ist durch die Bank weg sehr positiv. Viele haben sich schon bedankt und auch gesagt, wie sehr sie sich durch den Kanal ermutigt fühlen, wieder Bass zu spielen oder es zu lernen. Und sie schreiben mir ihre persönliche Geschichte, weil sie sich angesprochen fühlen. Das freut mich so sehr. Ich habe letztens gelesen, wenn du nur eine Person inspirierst mit dem, was du tust, dann tust du das Richtige.
In Bands sind Frauen meistens als Sängerin aktiv, aber auch der Bass wird oft von Frauen besetzt. Warum, glaubst du, sind das die beliebtesten Rollen für Frauen in Bands?
Ja, das stimmt, das nehme ich auch so wahr. Bezüglich der Sängerinnen: Viele Mädchen singen eben gern und werden darin auch von kleinauf gefördert und dazu ermutigt, weil man das als passende Beschäftigung für Mädchen betrachtet. Dann singen sie vielleicht auch im Schulchor. Außerdem greift hier die Vorbildfunktion, denn Sängerinnen gibt es eben viele und dann sieht man sich als Mädchen oder Frau auch eher in dieser Rolle in einer Band. Was das Bassspielen angeht: Der Bass wird ja oft unterschätzt. Er wird in einigen Musikrichtungen durch ungeübte Ohren oft nicht bewusst wahrgenommen und bekommt deshalb nicht so viel Aufmerksamkeit. Auch sind viele immer noch der Meinung, der Bass wäre ein „einfaches“ Instrument. Was ich so keinesfalls unterschreiben würde. Denn was man auf dem Bass alles so anstellen kann, das erfordert sehr viel Sitzfleisch und Hornhaut beim Üben. Und vor allem legt man das Fundament für die Band. Und das ist ganz bestimmt keine Nebensache. Wahr ist aber, dass man als Bassist:in auch schon in eine Band einsteigen kann, wenn man noch nicht so viel drauf hat. Dann spielt man eben erst mal die Grundtöne und das ist für den Anfang auch okay. Man kann dann durch viel Praxis enorm besser werden. Das ist vielleicht ein Grund dafür, dass Frauen, die sich erst mal nicht so viel zutrauen, dann am ehesten Bass spielen. Ich habe aber auch schon oft gehört, dass Frauen an den Bass kommen, weil die Position in der jeweiligen Band noch unbesetzt war und es kein anderer machen wollte. Und so kommen Frauen manchmal zufällig dazu, in einer Band zu spielen. Aber natürlich ist der Bass einfach ein großartiges Instrument und viele Frauen haben eben Geschmack.
In der Popmusik sieht das Ganze anders aus: Hier stürmen auch viele Frauen die Charts, allerdings immer als Sängerinnen. Glaubst du, dass das dazu beiträgt, dass junge Mädchen heute weniger Lust auf Punkbands und mehr Interesse am Singen haben?
Ja, Mädchen wachsen mit diesen Popsängerinnen auf und träumen davon, das Gleiche zu tun. Da gibt es sicher einen direkten Zusammenhang. Und das ist ja auch gut, dass es im Pop-Bereich viele kreative Künstlerinnen gibt, die Mädchen inspirieren. Was Punk angeht: Man sagt ja, die jüngeren Generationen wären eher angepasst und konservativ. Das kann ich nicht aus eigener Erfahrung sagen, weil ich mit dieser Altersgruppe selbst nichts zu tun habe und auch keine Soziologin bin. Aber wenn das so ist, haben sie vielleicht gar nicht mehr so viel Lust auf Punk beziehungsweise nicht das Bedürfnis danach, zu rebellieren oder etwas zu hören, das ihre Eltern vielleicht ablehnen. Außerdem ist Punk schon immer zum Großteil männlich dominiert gewesen. Davon fühlen sich Mädchen nicht angesprochen. Aber es gab ja natürlich die Riot Grrrl-Szene und jetzt auch immer mehr Frauenbands in diesem Genre. Das kann viel bewirken bezüglich der Geschlechterrollen, die wir im Kopf haben.
Was, denkst du, muss die Punk/Rock/Alternative-Szene anders machen, um attraktiver für Frauen zu werden, so dass mehr Frauen Lust auf Instrumente und das Spielen in Bands haben?
Wichtig ist, Bands mit weiblicher Besetzung sichtbar zu machen und sie zu fördern. Über sie in Zeitschriften und online zu berichten und sie auf Festivals einzuladen. Hier finde ich es auch sinnvoll, über die Etablierung von Quoten nachzudenken. Die werden nur zu Anfang nötig sein. Dann wird sich die Szene mit der Zeit in eine ausgeglichene Richtung entwickeln. Jeder, der jemanden im Booking für einen Club beschäftigt, sollte schauen, ob es eine geeignete Frau für den Posten gibt, genauso wie zum Beispiel bei der Besetzung des Postens für die Technik. Denn durch eine geschlechtermäßig durchmischte Besetzung wird eine Atmosphäre geschaffen, die angenehm für alle ist. Auch das Bewusstsein für Sexismus in der Szene sollte immer mehr wachsen. Wenn jemand einen sexistischen Spruch macht oder frauenfeindlich handelt, sollte es immer jemanden im Umfeld geben, der ihn darauf hinweist und klarstellt, dass das ein inakzeptables Verhalten ist.
Welchen Tipp hast du für junge Mädchen, die ein Instrument lernen oder eine Band gründen wollen?
Sei stolz darauf, dass du etwas gefunden hast, das dir Spaß macht und womit du dich ausdrücken kannst. Das gehört zu den wichtigsten Dingen im Leben. Starte was, nimm es ernst, aber vergiss nie den Spaß bei der Sache. Probier dich aus und zieh durch, was du wirklich willst, egal, was andere darüber sagen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #156 Juni/Juli 2021 und Isabel Ferreira de Castro