FRANK KOZIK

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Ein Nachruf

Frank Kozik kam am 9. Januar 1962 in Torrejón, Madrid in Spanien auf die Welt. Sein Vater war ein amerikanischer Berufssoldat und seine Mutter eine spanische Aristokratin. Sie ließen sich noch vor seiner Geburt scheiden. Er wuchs bei der Familie seiner Mutter auf, die er einmal als „seltsamen, wohlhabenden, superaltmodischen Faschistenhaushalt“ beschrieb. Dies war noch in der Zeit von General Francos faschistischem Regime. Die mit diesen Kindheitserinnerungen verbundene Ikonografie sollte später noch einen wesentlichen Einfluss auf seine Arbeiten haben.

Nach einem Besuch bei seinem Vater in Kalifornien entschied sich Frank mit 15, bei diesem in Sacramento einzuziehen. Nach einem heftigen Streit, sein Vater war unter anderem Alkoholiker, brach er die Highschool ab und ging mit 18 zur US-Luftwaffe. Nach seinem Militärdienst arbeitete er tagsüber im Baugewerbe und versuchte sich abends in einer Punkband. Dies funktionierte gar nicht und nach eigener Aussage hatte er auch kein Talent. Somit begann er, ab 1982 in Austin, Texas, wie viele schon vor ihm, für befreundete, lokale, aber auch immer öfter für größere Acts Konzertplakate zu gestalten. Dies vor allem für den Cave Club und Bands wie SWANS, SCRATCH ACID, BUTTHOLE SURFERS, SONIC YOUTH und viele mehr. Die Qualität hob sich da schon deutlich von den damals üblichen Punk-Flyer-Collagen ab und sie wurden meistens in Schwarzweiß oder mit einer Farbe in Offsetverfahren gedruckt. Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde Frank, nachdem er für den lokalen Club Emo’s (für den er später etliche Day-Glo-Siebdruckplakate gestaltete) ein Wandgemälde anfertigte und dabei das Urheberrecht von Warner Brothers verletzte. Es zeigte Mitglieder der Familie Feuerstein mit ihrem Hausdinosaurier Dino, der SM-mäßig ausgepeitscht wird und es natürlich geil findet. Dies hielt ihn nicht davon ab, weitere Plakate mit den Feuersteins in provokanten Situationen zu veröffentlichen.

Dekonstruktion der Popkultur
Die Dekonstruktion der amerikanischen Popkultur war sein zentrales Thema. Er verwendete über all die Jahrzehnte wiederkehrende Motive wie Charles Mansons Fahndungsfoto, üppige „Teufelsweiber“ und Burlesque-Tänzerinnen aus vergangenen Zeiten, religiöse Figuren, militärische Abbildungen und Motive von Nazis und Kommunisten sowie das Logo von Man’s Ruin – so hieß sein eigenes Plattenlabel, das er von 1994 bis 2001 führte, und 1997 auch sein erstes Buch beim Comicverlag Fantagraphics. Dazu kamen etliche bekannte Comicfiguren, die zum ersten Mal bei Frank mit dem „echten“ Leben konfrontiert wurden. Er besaß eine große Sammlung von Büchern zu den unterschiedlichsten Themenbereichen und verwendete oft Bildmaterial daraus für seine Plakate und Schallplattenhüllen. Selbst gezeichnet hat er wenig, genauso wenig eigene Schriftzüge entworfen, und er sagte einmal:„Ich werde keine Wortspiele mit Bandnamen und keine Fotos von den Bands verwenden, wenn dies nicht explizit verlangt wird.“ Es sollten fast zehn Jahre vergehen, bis er im Mai 1991 für die Band PIG FACE sein erstes Day-Glo-Siebdruckplakat drucken konnte. Im Jahr darauf fand in der Galerie La Luz de Jesus in Los Angeles seine erste Solo-Ausstellung statt, was einem Ritterschlag in der US-Lowbrow-Szene gleichkam. Frank sagte, sein Ziel sei es, tausend verschiedene Plakate anzufertigen, danach suche er sich ein neues Spielfeld. Und dieses sollte er auch finden ...

Politische Aussage?
Etliche seiner Plakate haben vor allem in den Neunziger Jahren zu Spekulationen darüber geführt, ob Frank ein Faschist sei, und warum eigentlich nicht auch Kommunist? Dazu hier eine Aussage zu seiner politischen Haltung aus einem Interview, das 1999 in Ox #35 erschien: „Hinter meiner Arbeit steckt keine Politik. Meine Großeltern waren Kommunisten, sie wurden von den Faschisten umgebracht. Ich wuchs in einem faschistischen europäischen Land auf, im Spanien des Diktators Franco, kam nach Amerika, wurde von diesem Land gut behandelt und habe mit dem Kapitalismus nur die besten Erfahrungen gemacht, und behaupte deshalb mit Überzeugung, dass der Kapitalismus das beste aller Systeme ist. Er hat mir ermöglicht, alles zu machen, was ich machen will, und meinen Freunden zu helfen, und deshalb sage ich, dass sich die ganzen Polit-Typen ihre Ideologie in den Arsch schieben können. Alle Ideologien sind scheiße, weil sie den Leuten vorschreiben wollen, wie sie leben und was sie denken sollen: Die Rechte wie die Linke kann mich gewaltig am Arsch lecken. Ich hasse Politik, und ich will, dass jeder sein Leben leben kann. Ich wuchs mit einem faschistischen und einem kommunistischen Teil der Familie auf, ich habe beide Seiten erlebt und kann dir sagen, dass beide Seiten gleich beschissen sind. Ich stehe außen vor, und ich glaube an die Wirtschaft: Wenn du ein eigenes Geschäft hast, musst du dir Gedanken darüber machen, wie du deine Rechnungen bezahlen kannst, und das zählt. Aber Politik, das ist was für Leute, die zu viel Zeit haben, oder für solche, die Arschlöcher sind und andere kontrollieren wollen. Wegen mir kann man alle Politiker in einen Sack stecken und draufhauen, das trifft immer den Richtigen. Von den Dogmatikern vom Maximum Rockn Roll bis zu den Republikanern, das ist für mich das Gleiche. Ich glaube an die Realität.“

„Be at the right time at the right place“, wie die US-Amerikaner so gerne sagen
Im Frühling 1993 besuchte der Autor dieses Nachrufs den Künstler Mike Roman in seinem Atelier im Mission Cultural Center in San Francisco. Ich lebte zu der Zeit in New York, wo ich ihn kennen lernte. Er kollaborierte bei etlichen Projekten mit DIE TOTEN HOSEN in ihrer Frühphase, siehe michaelroman.net/bio. Eine „Halloween“- und „Day of the Dead“-Ausstellung in Zürich mit Begleitprogramm und Publikation war geplant. Mikes Siebdruckplakate und bedruckten Stoffe waren zu dieser Zeit für mich das Nonplusultra. Er druckte freestyle mit verschiedenen Sieben hauptsächlich mexikanische Motive, somit glich kein Plakat dem anderen. Es war beeindruckend, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Zur gleichen Zeit stieß ich in Phil Cushways ArtRock-Galerie auf Frank Kozik. Frank war einige Monate zuvor von Austin nach San Francisco gezogen. In Austin kollaborierte er schon länger mit Lindsey Kuhn. Lindsey druckte alle seine Plakate und Schallplattencover unter dem Logo „Printed at Wackyland“. Er übernahm nun auch Franks Position, in Austin weiter Siebdruckplakate für die dort stattfindenden Konzerte zu gestalten und zu drucken. Ebenso wurde Chris Coop zur Zeit meines Besuches neu bei der ArtRock-Galerie unter Vertrag genommen. Es blieb mir somit nichts anderes übrig, als mein ganze verfügbare Kohle in Siebdruckplakate und Schallplatten des Labels Man’s Ruin zu investieren. Frank ließ mich wissen, dass er eine Einladung für die Popkomm-Messe in Köln für das kommende Jahr im August erhalten habe. Zurück in NY kontaktierte ich telefonisch Bekannte von mir in Zürich, um sie von der Idee einer großen „Kozik, Coop & Kuhn – Globi kann fliegen!“-Ausstellung in einer leerstehenden Villa am Züriberg für den 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag, zu überzeugen. Ich weiß noch, dass Frank, als ich ihm von dieser Idee erzählte, leicht misstrauisch war und sich das nicht wirklich vorstellen konnte, fragte mich aber gleichzeitig nach der bekanntesten Comicfigur der Schweiz. Dies war zu der Zeit immer noch „Globi“, ein blauer Papagei, wohlgemerkt ein sehr biederer Zeitgenosse, wie halt vieles aus dem Alpenland. Frank wusste vom „Needlepark“ in Zürich zu der Zeit und fand, dass Globi endlich mal ausgiebig ficken sollte. So war auch schon die Idee für das Ausstellungsplakat „Kozik, Coop & Kuhn – Globi kann fliegen!“ geboren. Es war ein riesengroßer Erfolg in Anwesenheit von Frank und seinem Geschäftspartner. Es wurde komplett alles verkauft und bis in die Morgenstunden gefeiert. Auch wurde in den kommenden Jahren noch das eine oder andere Plakat von Frank, Coop und Kuhn für die hiesige lokale Szene gestaltet. Anthony X. Martin und Ralf Krüger vom Automatic Mailorder in Hamburg übernahmen im Jahr darauf den Verkauf der Plakate für den europäischen Raum. Franks Siebdrucke sollten nun eine weltweite Renaissance des Mediums aufwändig gestalteter Musikplakate auslösen. Ebenso gelten seine Werke für die US-Underground-Musikszene der Neunziger Jahre als stilprägend – er arbeitete für BEASTIE BOYS, NIRVANA, SOUNDGARDEN, DINOSAUR JR., GREEN DAY, GASS HUFFER, MELVINS, BOSS HOSS, HOUSE OF PAIN, Ice-T bis zu den LUNACHICKS, um hier einige wenige zu erwähnen.

Das „Labbit“
Bei einem Tokio-Aufenthalt erkannte Frank das Potenzial des Kunst-Toys-Marktes. In einer japanischen Kneipe skizzierte er nun seine eigene Figur, das „Smorkin’ Labbit“, ein zigarettenrauchendes Kaninchen (Frank war selbst starker Raucher), eine Anspielung auf die „Hello Kitty“-Katze. Bald entwarf er verschiedene Labbits und andere Spielzeugfiguren für das Unternehmen Kidrobot, das von Paul Budnitz, einem Unternehmer aus Berkeley, gegründet wurde. Frank war Kreativdirektor von Kidrobot, das zu seiner Blütezeit Stores in London, Miami, San Francisco, Los Angeles und Manhattan betrieb.

Kozik starb am 6.5.2023 in seinem Haus durch Suizid
Ich verlor unterdessen den Kontakt zu Frank und hörte hier und da mal was über ihn. Am Tag nach Bekanntwerden seines Todes bestellte ein Kunde aus den USA das 2004 von Frank gestaltete Plakat „Suicide Humbert“, das auch gleichfalls als Spielzeugfigur existiert, bei uns auf der Website des Klang und Kleid-Mailorders. Es zeigt den Teddy Humbert stehend auf einem Stuhl, vor ihm hängt ein Galgenstrick. Ich zitiere hier Sharon Kozik, seine Frau, die am Abend der Trauerfeier für Frank durch eine Freundin die Laudatio vorlesen ließ, die sie geschrieben hatte. „Frank baute sein Leben auf, indem er seine eigenen Entscheidungen traf. Tragischerweise hat er aus Gründen, die ich weder kenne noch verstehe, beschlossen, seinem Leben zu seinen eigenen Bedingungen ein Ende zu setzen. Ich weiß, wir alle wollen Gründe, aber so einfach ist das nicht“, sagte Sharon in einem Interview eine Woche nach der Beisetzung. „Da war Kozik und dann war da noch Frank.“

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Triggerwarnung: Thema Suizid
Wenn Sie darüber nachdenken, sich das Leben zu nehmen oder mit jemandem reden möchten – hier finden Sie Hilfe: Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern lauten 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.

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Zum Autor
Lurker Grand, Schweizer Punk der ersten Stunde, war nicht nur von der Musik, sondern auch von der Visualisierung des Punk gleich stark begeistert. Während seiner Lehre als Dekorateur schuf er am Feierabend seine ersten Konzertplakate, teilweise schon im Siebdruckverfahren. Von 1983 bis 1997 lebte er in New York und lernte 1993 in San Francisco Frank Kozik kennen. Im Jahr darauf veranstaltete er in Zürich die erste Ausstellung in Europa mit Plakaten von Kozik, Coop und Kuhn. Viele weitere Ausstellungen überall in Europa mit zahlreichen Poster-Art-Künstlern:innen sollten folgen. Anfang der Zweitausender lernte er Chuck Sperry und Ron Donovan von Firehouse Kustom Rockart Company aus San Francisco in Berlin kennen. Er organisierte mit ihnen etliche Ausstellungen und Buchvernissagen und 2005, anlässlich der Veröffentlichung der Poster-Bibel „Art of Modern Rock“ von Paul Grushkin, diverse Rockposter-Ausstellungen in Frankreich, Schweiz, Deutschland, Italien und Österreich. Grand verfasste zwei Bücher zu dem Thema, 2015 erschien „Die Not hat ein Ende – The Swiss Art of Rock“ und 2022 „Heinz Meier – Rock, Chole, Chaos“.