FORCE OF CHANGE

Wechselkraft

Beim Wetside-Unity Festival in Herzogenrath verzog ich mich, vom Tanzen stark durchschwitzt, nach stundenlangem Warten bei langweiligen Bands (außer LAST MAN STANDING, die die anderen locker an die Wand gespielt haben) mit Niko (20), dem Sänger von FOC, und Matze (26, was beweisen soll, dass die Jungs sich nicht mehr von Mami zu Shows fahren lassen müssen), dem Gitarristen in ein Kabuff in der ersten Etage des lokalen Bürgerhauses, um mein erstes Interview zu vollstrecken... Und nun, Ladies and Gentlemen, the almighty FORCE OF CHANGE, one of Germany´s finest...

Wann hat sich die Band gegründet, wer ist dabei, was hat sich seitdem geändert?


Niko: Die Band hat im Sommer ‘97 zusammen gefunden, damals noch in der Originalbesetzung mit Dirk, Phillip, Daniel und Niko... Auf jeden Fall haben wir anfangs versucht, Coversongs zu spielen, was aber nicht geklappt hat, war halt zu schwer für uns. Dann haben wir eigene Songs gemacht und wollten ein Demo aufnehmen. Wir haben deswegen einen alteingesessenen Hardcore-Freak namens Matze gefragt, der das dann gemacht hat. Der hat sich wahrscheinlich gedacht: Was sind das denn für bescheuerte Penner...
Matze: ...mit einem 4-Spur-Gerät, und ich hab die ganze Zeit bei den Aufnahmen gedacht: Was sind das denn für bescheuerte Penner?
Niko: Naja, nachdem wir ein paar Shows gespielt hatten, u.a. auf ‘nem Coverfestival in Bielefeld als YOUTH OF TODAY, haben wir uns irgendwann gedacht, dass wir noch ein bisschen fetter klingen müssten, und haben dann den großen Matze gefragt, ob er nicht die zweite Gitarre spielen will. Und bei der 7“ ist er dann eingestiegen, seitdem geht’s immer weiter: ‚The Challenge‘ aufgenommen und jetzt das Demo.

Ihr habt jetzt aber noch einen neuen Gitarristen, oder?

Niko: Nee, der Dirk hat nur immer viel zu tun, deswegen haben wir auch noch unseren Ersatz-Gitarristen Robin.
Matze: Der ist jetzt quasi sechstes Band-Mitglied.

Warum habt ihr nur eine Demo-CD aufgenommen, und keine „richtige“ Platte bei irgendeinem Label?

Matze: Ich mache ja mit meinem Kumpel Seb von HIGHSCORE zusammen Bushido Records. Da haben wir unseren Veröffentlichungs-Plan schon voll und für die FORCE OF CHANGE ist halt kein Platz mehr, erstmal, und deshalb brauchen wir jetzt ein anderes Label für die nächste LP. Das Demo haben wir aufgenommen, um jemanden zu finden, der Bock hat, die rauszubringen.

Wie ist das Label eigentlich zustande gekommen?

Matze: Damals hatte ich noch ein kleines Label namens Schoolbust Records, wo die erste FORCE OF CHANGE-Single rausgekommen ist, ebenso wie JANUARY oder SECOND THOUGHT. Seb hatte früher La Familia Records gemacht. Da Seb einer meiner besten Freunde ist, haben wir uns halt überlegt, einfach zusammen was zu machen, und betreiben jetzt dieses Geld-Loch. Wir haben unsere finanzielle Zukunft daran verkauft.

Ihr habt ja häufiger mal Probleme mit der PC-Fascho-Polizei gehabt, z.B. damals in Münster, in der Baracke, auf diesem komischen Frauenrechts-Festival. Könnt ihr vielleicht mal erzählen, was da so passiert ist?

Matze: Im einzelnen kann ich mich nicht mehr daran erinnern, jedenfalls hatten wir die halbe Show schon fertig, als irgend so ein Pärchen ankam, das gegen uns Stimmung gemacht hat, aufgrund eines Flyers, der auf dem Festival kursierte und besagte, dass wir intensiv Porno-Business-mäßig unterwegs wären, also von wegen intensivem Sammeln, Tauschen, bis hin zum amateurhaftem Vertrieb von solchen Filmen. Ich hab das Ganze eher als Scherz aufgefasst, und das hab ich auch versucht deutlich zu machen. Die Art und Weise, wie ich damit umgegangen bin, sollte nicht besagen, dass ich dieses Thema nicht ernstnehmen würde, sondern höchstens die Leute, die versuchen, so ein Thema in so einer Art und Weise zu diskutieren. Ich meine, da kann ich mir auch direkt meine Meinung aus der Bild-Zeitung holen. Irgendwas auf einem Flyer abdrucken, kann jeder. Naja, wir sind dann auch nicht unbedingt die Sorte Leute, die das auf sich sitzen lassen und dann noch vielleicht den reuigen Sünder rauskehren. Und bei der Planung der jetzigen Tour mit MISSING 23RD konnte ein Gig in Erfurt nicht stattfinden, weil die auch von diesem Vorfall gehört hatten. Das war denen wahrscheinlich zu heikel. Ich habe auch nicht so gerne mit Leuten zu tun, und wo ich mich nicht so richtig zu Hause fühlen kann, will ich auch nicht spielen.

Vielleicht noch eine abschließende Bemerkung zum Thema PC?

Matze: Ich kann da jetzt nur für mich sprechen, da ich wahrscheinlich letzten Endes mehr PC bin, als es besagte Leute jemals sein werden, die das in sechs Monaten wahrscheinlich nicht mehr sein werden, wenn sie mit ihrer Lehre auf dem Finanzamt angefangen haben. Ich hasse einfach Leute, die keinen Spaß verstehen...

Es bringt sowieso nichts, jedes Wort, das jemand von sich gibt, ernst zu nehmen, so wie das damals mit FLOORPUNCH war, die ja boykottiert wurden, nur weil der Sänger gerne mal „Mosh it up, you faggots“ gerufen hat...

Matze: Ja, vor allem finde ich, dass Punkrock letzten Endes auch Provokation ist, was innerhalb der Punkrock-Szene wichtig ist, damit man sich nicht auf seinen Einstellungen ausruhen kann. Es gibt nichts Schlimmeres, als Leute, die meinen, dass sie Recht haben.
Niko: Das ist halt auch das Problem bei der ganzen Sache. Die Mission dieser Leute finde ich durchaus richtig, nur die Herangehensweise, irgendwo aufzutauchen und ‚Ihr habt das und das gemacht...‘ zu behaupten, ohne die Leute dahinter irgendwie zu bewerten oder was da hintersteckt, finde ich ziemlich blödsinnig...
Matze: Um mal die KASSIERER zu zitieren: Die können froh sein, dass wir sie am Leben gelassen haben.

Keine Ahnung, ob ihr den schon mal gesehen habt, aber ich hab mal einen Anti-Emo-Flyer in die Finger bekommen, mit Sprüchen wie „we believe that emo-kids must die...“, der ziemlich auf die Kacke haut, aber sicher auch ein paar Wahrheiten beinhaltet... Was haltet ihr von so was?

Matze: Ich höre teilweise schon diese Musik, die halt momentan als Emo bezeichnet wird, identifiziere mich aber nicht unbedingt mit den Leuten, die in dem Flyer angegriffen werden. Aber jemand, der so einen Flyer macht, finde ich total lächerlich. Wer nicht in der Lage ist, solche Leute einfach zu ignorieren oder zu tolerieren, dem kann ich auch nicht helfen. Jemand, der so in Schubladen denkt, ist für mich einfach ein Idiot!
Niko: Sprüche wie ‚Emo-Kids blown to shit‘ kann ich nicht so ganz ernst nehmen. Einige meiner Lieblingsbands sind Emo-Bands, und auch ein paar meiner besten Freunde machen Emo-Musik.
Matze: Was da mit ‚they took the energy and interaction out of punk and turned it into a passive performer-spectator event‘ beschrieben wird, kann man nicht nur auf Emo zurückführen. Das ist eine typische Konsum-Haltung, die sich bei vielen Leuten entwickelt hat, was letzten Endes nichts mit Emo zu tun hat. Das könnte man auf jede Musik beziehen. Es gibt Leute, die hören Emo und sind mehr Punk als irgendwelche Typen, die auf asselige Old School-Shows gehen... Es kommt darauf an, was die Leute machen, nicht, was sie hören.

Anderes Thema: eure Lieblingsbands und eure größten Einflüsse?

Niko: Bei mir heißt die Lieblingsband ZAO. Aber Einfluss kann man das nicht nennen.
Matze: Also meine Lieblingsbands sind auf jeden Fall BAD RELIGION und GORILLA BISCUITS. Die hat mir mit 13 ein älterer Skater aufgenommen. Und LIFETIME finde ich auch super, aber ich weiß nicht, ob das auf unsere Musik einen Einfluss hat, obwohl... GORILLA BISCUITS vielleicht schon.

Ihr als Old School-Band werdet ja kritisiert, wie viele andere auch, weil eure Texte nicht hoch-politisch sind, sondern sich auf das Zwischenmenschliche beziehen.

Niko: „Ich finde, dass dieses Zwischenmenschliche viel wichtiger ist. Ich will jetzt nichts gegen politisches Interesse oder politischen Aktivismus sagen, nur meiner Meinung nach stellt das Zwischenmenschliche die Basis dafür da. Erst mal muss das Zwischenmenschliche geklärt werden, denn ein Typ, der von Zwischenmenschlichkeit überhaupt nichts hält und am liebsten anderen nur Schlechtes zufügen will, in welcher Form auch immer, ist schlecht damit beraten, sich politisch zu betätigen.
Matze: Alles, was man macht, ist politisch. Ich würde jetzt nicht von mir sagen, dass ich Kommunist bin oder weil ich Sozialwissenschaften studiere, jetzt die ganzen tollen Phrasen runterdreschen kann, um allen Leuten zu beweisen, wie schlau ich bin.

Wie sieht es mit den Plänen für die Zukunft aus?

Matze: Reich werden, sexy werden, kann man alles lernen... So viele gute Shows spielen wie möglich, als nächstes ‘ne supergute LP aufnehmen, rumkommen in der Welt, viele Leute treffen, darum geht es doch, oder...
Niko: ...sich vor dem seriösen Leben drücken.
Matze: Ich habe gestern übrigens meine Gesellen-Prüfung als Mediengestalter bestanden. Ich bin jetzt Geselle.