Hat man erst ein paar Jahre in den Veranstaltungshallen der Region hinter sich gebracht, reißt einen nicht so leicht mehr jede x-beliebige Combo von den Hufen, nur weil man sehr stramm ist und die Band laut. Man merkt: Vieles von dem, was sich Band nennt und vorgibt, ein heißer Act zu sein, hinterlässt den Konzertgast mit einem schalen Nachgeschmack der Langeweile. Da trifft es sich, dass es dennoch einen gewissen Prozentsatz wirklich mitreißender Unterhalter im Geschäft gibt.
Dies können jungblütige Neuentdeckungen sein, wie etwa die grandiosen GHETTO WAYS, die bereits im letzten Heft vorgestellt wurden, es können jedoch auch alte Recken sein, verlässliche Größen, die über Jahre hinweg immer wieder aufs Neue fantastische Rock’n’Roll-Shows abliefern. Exakt eine solche Band sind die Sixties-Reverb-Rock’n’Roller FIREBIRDS aus der nordholländischen Stadt Groningen. Sie sind gewissermaßen die Party-Band schlechthin. In einem Genre, das allzu oft von styleverliebten Kleiderständern als Forum dazu missbraucht wird, das teuer erworbene Retro-Equipment auf der Bühne auszustellen, sind Bands wie diese so wichtig wie nur was. Von Konzertbeginn an packen die vier Niederländer ihr Publikum da, wo der Tanznerv sitzt. Der Rest ist ein makellos funktionierendes Uhrwerk, bei dem im Minutentakt die Hits herunter klingeln.
Solcher Art Könnerschaft kommt natürlich nicht von ungefähr, entsprechend agieren unter dem Namen FIREBIRDS Männer im besten Alter, die bereits eine vorzeigbare R’n’R-Bio vorzuweisen haben. Einer von ihnen ist Titus Smid, eine Art legendärer Typ, einst in Groningen, seit längerem jedoch schon in Amsterdam wohnhaft. Er hat mir freundlicherweise einige Fragen beantwortet, die ich ihm stellvertretend für euch freundlicherweise gestellt habe.
Hallo Titus, ich bin der Nafets. Wie wär’s, wenn du dich mal unseren Lesern vorstelltest?! [/b]
„Okay, ich bin der Titus, Bassist und Sänger der FIREBIRDS aus Groningen in Holland. Ich bin 24, äh, 42 Jahre alt, und erzähl euch jetzt was über die beste holländische Rock‘n‘Roll-Band, die bald wieder in eurem örtlichen Club zu sehen ist.“
Von welchem Auftritt sprichst du?
„Am 30.10. spielen wir in Oberhausen, in einem Laden namens Druckluft. Das liegt im Ruhrgebiet. Wir spielen übrigens zusammen mit CAVE 4 und der SURFPATROUILLE – ein wirklich exzellentes Line-up.“
Hört sich cool an! Ich glaube, da komme ich auch. So, jetzt erzähl mal, wie es so losging mit den FIREBIRDS!
„Die FIREBIRDS entstanden vor mehr als zehn Jahren aus den FIVE FANTASTIC FIREBIRDS. Von denen blieb nur Hans übrig, unser Sologitarrist bei den FIREBIRDS. Das einzige, was die FIREBIRDS mit den FIVE FANTASTIC FIREBIRDS gemeinsam haben, ist, dass beide nur Originale aus den 60ern spielen. Die FIREBIRDS stellen ihr Repertoire aus amerikanischem Sixties-Garagepunk und Surf-Instrumentals zusammen.
Und wo hattet ihr euren ersten Auftritt?
„Weiß ich nicht mehr so genau. Eine unserer ersten Shows war jedenfalls im Keller des Vera Clubs in Groningen. Da ging es auch mit unserem Erfolg so richtig los, und dort sah uns auch Jan Kooi, der zu dieser Zeit mit seinem Label Kogar Records anfing. Bei ihm haben wir schließlich die erste FIREBIRDS-Single gemacht, ‚Same all over the world‘, und außerdem eine weitere mit den BEAVERS, bei denen ich Gitarre gespielt und gesungen habe. Bei den BEAVERS spielte übrigens auch der damalige FIREBIRDS-Organist.“
Die BEAVERS! Da kommen mir spontan die herrlichsten Erinnerungen aus den goldenen Zeiten des Garagepunks. In der ersten Hälfte der 90er, vor ca. zehn Jahren muss das gewesen sein, als von Amerika die LoFi-Welle rüber schwappte und auch hierzulande die saubere Produktion das Feindbild schlechthin wurde. Die BEAVERS waren zu dieser Zeit, noch vor den später international Erfolge feiernden STIPJES, die ebenfalls aus Groningen kamen, die Speerspitze des Garage-/LoFi-Punkrocks. An zwei fantastische Singles kann ich mich erinnern, sowie an eine grandiose Nacht, in der die Band in der „Goudvishal“ im nahen Arnheim spielte. Und wir, jung, dumm und rollig wie wir waren, fuhren natürlich hin, hatten Spaß, kamen nicht mehr zurück und übernachteten bei einem Studenten aus Münster. Der wiederum war seitdem, als wir ihn später im Münsteraner Gleis 22 wieder trafen, nicht gut auf uns zu sprechen. Bis heute weiß ich nicht warum. (Vielleicht sollte ich ihn einfach mal fragen …?)
„Die BEAVERS haben sicherlich eine Menge ‚high volume fuzzing garagepunk bands‘ beeinflusst, z.B. die SPIDER BABIES oder auch die BUDGETICS aus Amsterdam.“
(Na, da schnalz ich doch schon wieder mit der Zunge! Die „Face Down“-7“ von EDDIE COCKRING & THE BUDGETICS ist ganz ohne Zweifel eine der besten Garagepunk-Singles, die je gepresst wurden!)
„Das war damals die Zeit, als die MUMMIES und SUPERCHARGER in Europa tourten und eine Menge Rock‘n‘Roll-Excitement in der Luft lag. Ich erinnere mich z.B. an eine großartige Show von GIRL TROUBLE und auch an eine der HEADCOATS.“
Ja was ist da los?! Der Mann redet mir ja so was von aus der Seele, das gibt es gar nicht. All die Bands, die Titus nennt, zähle auch ich zu meinen Favoriten. SUPERCHARGER und die MUMMIES?! Keine Frage! Im Bochumer „Planet“ und im Kölner „Underground“ habe ich sie damals gesehen. (Da passt es ja, dass zur Zeit mit einem SUPERCHARGER-Live-Album an die goldene Ära der Garage erinnert wird. Siehe Album-Reviews!). Und GIRLTROUBLE? Eine der besten Live-Bands überhaupt. Noch heute bete ich jeden Abend an meinem Elvis-Schrein, dass sie es bitte noch einmal über den Ozean schaffen mögen! Doch genug der Nostalgie! Titus soll mal weiter erzählen ...
„Als ‚Pulp Fiction‘ heraus kam, also der Soundtrack, wurden die FIREBIRDS immer populärer und wir nutzten damals die Gelegenheit, auf den fahrenden Zug der Amsterdamer TREBLE SPANKERS aufzuspringen. Wir spielten fast immer als Support-Band für sie und machten uns damals einen Namen als Instro-Surf-Band. Obwohl ich eigentlich nicht denke, dass wir je eine wirkliche Surf-Band waren. Meiner Meinung nach sind wir immer eine Frat-Rock-Band gewesen, mit einer eher geringen Verbindung zur Surf-Musik.“
Was passierte eigentlich mit den BEAVERS und den BUDGETICS?
„Ich bin damals von Groningen nach Amsterdam gezogen. Und nachdem es noch einen Line-up-Wechsel bei den BEAVERS gab, hörten sie einfach auf zu existieren. Eine personelle Verbindung zu den BUDGETICS hat es nie gegeben.“
Was gibt es denn zurzeit für holländische Bands, die du empfehlen kannst?
„Die einzige holländische Band, der ich mich momentan verbunden fühle, sind die NO GOODS, deren ‚Please, please, please‘ wir spielen. Ansonsten sind meine Helden die CRAMPS, Link Wray, THE FLESHTONES und Dick Dale. Für all diese Acts konnten wir schon als Support-Band spielen. Und letztens haben wir sogar vor BLONDIE gespielt ...“
Ihr habt ja relativ spät angefangen, in Deutschland aufzutreten.
„Den ersten Gig in Deutschland hatten wir im Kölner ‚Underground‘, zusammen mit LUST-O-RAMA. Danach haben wir aber auch schon einige Male in Oberhausen gespielt und dort immer eine großartige Zeit gehabt. Mittlerweile ist es dort für uns wie zu Hause. Am besten gefällt uns an Deutschland das Becks-Bier und die Bremer COOL JERKS.“
Was hat sich veröffentlichungstechnisch so bei euch getan?
„Nachdem wir erst einen ganzen Haufen von Singles gemacht haben, gibt es mittlerweile jedoch auch schon zwei Full-Length-CDs. Das Beste ist aber immer noch, uns live zu erleben!“
Dem stimme ich zu! Ihr habt auf der Bühne immer alle die gleichen Hemden an. So mit Blumen drauf.
„Die habe ich mal auf einem Flohmarkt entdeckt und fand, dass die doch perfekt für unsere Auftritte wären. War übrigens ein wirklich guter Flohmarkt, da habe ich nämlich auch das VENTURES ‚Christmas Album‘ bekommen.“
Tatsächlich? Das ist eine prima Scheibe, ich hab sie auch. Habt ihr auch schon mal eine Weihnachts-Platte gemacht?
„Nee, nur mal einen Song für eine Compilation. ‚Hey Santa‘ von den CROSSFIRES.“
[b] Was hast du denn sonst noch so für Platten?
„Ach, ich habe eine große Sammlung mit allem möglichem Kram. Eine Menge Soul und Punk, aber auch Mariachi-Platten. Die besten neuen Bands, die ich kenne sind die BLACK LIPS und die REAL LOSERS. Aber die HIVES mag ich auch.“
[b] Zum Abschluss letzte Worte und ein Blick in die Zukunft?
„Kommt alle zu unserem Auftritt am 30. Oktober in Oberhausen! Und für die Zukunft haben wir uns vorgenommen, keine CDs mehr zu machen, sondern nur noch Vinyl.“
Nefats Yttuom
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #56 September/Oktober/November 2004 und