FEHLFARBEN / FAMILY 5 / PETER HEIN

Teil 2

Schön ist es, wenn bei einem Interview mehr als nur ein simples Frage- und Antwort-Spielchen rumkommt. Wenn man zum Beispiel ins Plaudern gerät, dabei noch das ein oder andere Bier trinkt und feststellt, dass derjenige, der einem da gegenüber sitzt, wirklich was zu erzählen hat. Von dieser Art war auch das Interview, das Joachim und ich irgendwann im Januar, in einem Düsseldorfer Brauhaus mit Peter Hein führten. Teil Eins dieses Gespräches gab es bereits im letzten Ox. Beim Anhören des zweiten Teils zwecks Niederschrift wurde mir jedoch klar, dass unser anfängliches Interview mehr und mehr in eben eine dieser Unterhaltungen abdriftete, wobei unsere gehobene Bierlaune ihr übriges dazu beitrug. Auch die Bierlaune der anderen Gäste des Brauhauses schien allmählich zuzunehmen, weshalb die entstandene Aufnahme auch noch mit allerlei Nebengeräuschen gespickt wurde, was auch nicht gerade zur heimischen Arbeitserleichterung führte. Kurzerhand traf ich mich also noch mal mit ihm, diesmal privat, ohne lästigen Lärm und führte der Einfachheit halber ein komplett neues Interview. Nichts destoweniger habe ich jedoch noch einige Fragen und Antworten aus unserem ersten Interview mit eingebaut.
Zum besseren Verständnis möchte ich dem Interview noch einiges vorne anstellen. Peter Hein, alias Janie J. Jones, gründete mit Franz Bielmeier zwischen ´76 und ´77 die Band CHARLEY´S GIRLS, die sich später in MITTAGSPAUSE umbenannten. Zeitgleich gab es noch ein Nebenprojekt, zusammen mit Gaby Delgado-Lopez (D.A.F.) und Jürgen Engler (MALE) namens DEUTSCHLAND TERZETT. Zusammen mit Thomas Schwebel von MIPAU, gründeten sie 1979 DIE ZÜNDAPPS, die sich jedoch unmittelbar darauf umbenannten in DIE FEHLFARBEN. Nach dem Erscheinen einer Single und einer LP verließ Peter Hein 1980 die Band, um ein halbes Jahr darauf wieder zusammen mit Schwebel und erstmals mit Xao Seffcheque, außerdem noch Peter Glaser, eine obskure Platte mit Coverversionen der eigenen Stücke, unter dem Titel O.R.A.V. (Ohne Rücksicht auf Verluste) aufzunehmen. Ungefähr 1981 gründete Xao mit ihm FAMILY 5, die bis 1989 aktiv waren, um die es seither ruhig geworden ist, die allerdings laut Eigenaussage der beiden trotzdem noch existent sind.
Neben FAMILY 5 gab es noch die SILLY GIRLS, mit sehr ähnlicher Besetzung und sein eigenes Nebenprojekt CAMP SOPHISTO. 1990 gab es weiterhin eine Reunion der FEHLFARBEN, aus der eine Studio- und eine Live-Platte entstanden sind. Ein weiteres Projekt der letzten Jahre, jedoch bislang ohne Veröffentlichung ist KOMPRESSOR. zusammen mit seiner Lebensgefährtin Sabrina Ceccherini von der Punkband ATOMIXX.


Deine musikalische Karriere umfasst ja so einiges. Jede Menge Veröffentlichungen mit FAMILY 5, außerdem MIPAU, DEUTSCHLAND TERZETT, CAMP SOPHISTO und die SILLY GIRLS und was weiß ich noch für kleinere Projekten. Trotzdem wirst du meistens mit den FEHLFARBEN in Verbindung gebracht, obwohl da ja nur einen eher kleinen Teil deiner Vergangenheit ausmacht. Nervt dich das?

Mittlerweile ist mir das eigentlich fast egal, weil die anderen Sachen auch schon ewig her sind. Auch wenn sich FAMILY 5 nicht aufgelöst haben, sind wir nun doch nicht gerade aktiv. In den fast 10 Jahren, die wir aktiv waren, hat das allerdings wirklich sehr genervt. Wir waren schließlich FAMILY 5 und nicht die FEHLFARBEN. Mittlerweile würde ich eher sagen, hat das einen gleichen Stellenwert für mich bekommen.

Gibt es denn etwas, wo du besonders gerne drauf zurückblickst?

Ja schon. MIPAU war schon ´ne klasse Zeit, aber auch der Anfang mit den FEHLFARBEN damals. Wenn ich allerdings jetzt von "Wir" rede, oder von der Band, dann meine ich aber doch eigentlich immer FAMILY 5. Das war halt das, was ich am längsten gemacht habe und auch das, was ich als letztes gemacht habe. Außerdem sind wir mit F 5 am meisten verkannt worden. Jede Menge Leute kannten uns, aber keiner hat´s gekauft, der Effekt eben. Bei FEHLFARBEN ist das etwas anders. Da gibt es ein Stück, was alle Welt kennt, aber sonst auch nix.

So ein bisschen höre ich da auch Wehmut raus. Trauerst du dem nach, oder denkst du dir, dass es ´ne geile Zeit war, die aber jetzt vorbei ist?

Irgendwo muss man das realistisch sehen. Trotzdem kommt man auch schon mal schlecht drauf, je nachdem in welcher Stimmung man sich gerade befindet. So nach dem Motto, es war ja doch toll damals.. Hinzu kommt, dass man zwischen 20 und 30 ja auch anders drauf ist. Also das kann ich schon nicht ganz von mir weisen. Ich denke schon, dass wir damals lustige Sachen gemacht haben. Aber was sollste groß machen, es ist vorbei. Wie´s gelaufen ist, ist es gelaufen, aber es hat ja jetzt auch keinen Sinn zu sagen, Scheiße!

Was war dein Grund für den Ausstieg bei den FEHLFARBEN? Wurde dir das Ganze zu kommerziell, oder gab es andere Gründe?

Oh Gott, ich weiß nicht, wie oft ich diese Frage schon beantworten musste... Also den kommerziellen Aspekt kann ich allein schon damit verwerfen, dass zur Zeit des Ausstiegs, meines Wissens nach um die 9.900 Platten verkauft waren. Also das waren nicht zu wenige, aber auch nicht so schrecklich viel, sondern guter Schnitt. Das hatte also überhaupt nichts damit zu tun. Es gab da ein paar persönliche Sachen, über die ich aber nicht reden will und ausschlaggebend war dann schließlich eine Tour, die auf zwei Wochen konzipiert war, für die ich auch Urlaub hatte, die allerdings dann, so hieß es bis Ende April gehen sollte. Da war es gerade Februar. Das war so nicht abgesprochen und ich hatte auch gar nicht den Urlaub dafür, kündigen wollte ich nicht, und weil wie gesagt noch was persönliches dabei kam, bin ich ausgestiegen. Das war´s.

Wie stehst du denn heute zu den Sachen, die du ganz früher gemacht hast. Es gibt ja durchaus Musiker, die nicht mehr zu dem stehen, was sie mal gemacht haben.

Also es gibt eigentlich nichts, wovon ich mich heute distanzieren würde. Dafür ist Öffentlichkeit aber auch da. Also bei Sachen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen wären, oder bei privatem Kram, da wäre das Scheiße. Aber wenn ich etwas gemacht habe, muss ich zwar Jahre später nicht mehr der gleichen Meinung sein, oder alles toll finden, was ich mal gemacht habe, aber ich kann durchaus dazu stehen. Wenn ich das nicht will, darf ich halt nichts mehr sagen oder machen.

Aber kann einem nicht auch mal der alte Scheiß von damals peinlich sein? Also wenn ich mir anhöre, was ich irgendwann mal mit Freunden aufgenommen habe, denke ich mir heute schon manchmal, au weia.

Ja, hast du´s denn veröffentlicht?

Nee.

Na also.

Ja, aber ich kann mich auch ja auch still für mich zu Hause schämen.

Ja gut, aber wenn du dir den Kram heute anhörst, kannste ja sagen, "Was bin ich froh, dass es nicht rausgekommen ist." Damals warst du wahrscheinlich tierisch sauer, dass es nicht rausgekommen ist.

Stimmt. (Lachen) Egal. Nachdem du DIE FEHLFARBEN verlassen hattest, wie ging es dann bei dir weiter?

Erst mal war halt kurz Sendepause und so ein halbes Jahr später haben wir dann diese O.R.A.V.-Geschichte gemacht. Das kam so aus ´ner Laune heraus. Wir kamen irgendwie von Hölzchen auf Stöckchen und dann kam diese Idee auf, wir spielen jetzt NDW-Folk. Also bevor andere sich an unseren Sachen versuchen und schlechte Cover machen, bringen wir das lieber selber. Zu der Zeit hat die NDW total geboomt und das wurde auch verwässert mit dem ganzen neuen Scheiß. Da haben wir uns gefragt, was eigentlich noch schlimmer wäre. Die Antwort hieß Folk. Bevor uns wie gesagt andere verhunzen, machen wir das eben selber. Dann gab es halt so jemanden wie den Alfred Hilsberg, der alles gepresst hat. Bei dem ging alles. Diese Platte war echt eine Frechheit. Besonders die Rückseite mit DEUTSCHLAND TERZETT drauf. Schon die Aufmachung. Nur unsere Nachnamen, so als wären wir die großen Stars. Hein, Engler, Oehlen, Lopez. Weißt du, zu der Zeit hat Delgado-Lopez mit D.A.F. Milliarden Platten verkauft und da bringt der Alfred so ´ne Platte raus, mit dem seinem Namen drauf. Aber der war ja dabei.

Wobei, den hört man gar nicht.

Ja, komisch eigentlich. (Alles lacht) Aber der war wirklich dabei, das sieht man ja auch an den Bildern.

Bei den Bildern auf der Platte steht aber im Hintergrund CHARLEY´S GIRLS.

Ja, aber Bilder und Aufnahmen liefen nicht unbedingt immer konform ab. Die Bilder sind aus dem Ratinger Hof, wo wir als unsere eigene Vorband aufgetreten sind. Das war auch dieser Umbenennungsgig. Wir sind als CHARLEY´S GIRLS auf die Bühne gekommen, haben ein paar Stücke gespielt und dann verkündet, dass wir uns jetzt auflösen. Dann haben wir MITTAGSPAUSE gegründet und haben weiter gespielt.

Noch mal zum DEUTSCHLAND TERZETT. Da muss ich dir recht geben, das Dingen ist wirklich eine totale Frechheit, alleine schon die Aufnahmequalität.

Ja, aber das DT ist einer der Höhepunkte meines musikalischen Schaffens.

In der Tat?

In der Tat! Das ist Punkrock pur. Wir haben da so ungefähr dreimal gespielt. Allein schon das Repertoire war großartig.

"Da sprach der alte Häuptling der Indianer", "Ein Loch ist im Eimer" und irgend so ein Karnevalssong.

Ja genau. Nenn mir mal einen, der so ein geniales Repertoire auf die Bühne gebracht hat.

Damals wohl niemand. Heute allerdings jeder Hinz und Kunz.

Ja, aber heute hört sich das auch an wie Karneval, oder Lindenberg, oder was weiß ich. Das hört sich nicht an wie Punkrock, sogar ziemlich schlechter Punkrock obendrein, das war ja das schöne daran. Wir waren ja alle irgendwie dagegen. Karneval war nicht angesagt, also mussten wir dafür sein, also genau so etwas machen. Du musst dabei noch sehen, unter welchen Umständen das stattgefunden hat. Wir haben da nicht aus Spaß vor ´nem Haufen Punks gespielt, sondern irgendwo an einer Kunstakademie, vor so völlig verkopften Leuten und Studenten. Die hatten ja gewisse Erwartungen. Wie gesagt, war Punk damals noch so ein Gespenst in den Köpfen der Leute, wegen Bild Zeitung und so. Die wollten halt mal sehen, was es jetzt damit auf sich hat. Ja, und da kommen wir und machen Karnevalsmusik. Wir schunkeln jetzt. Da haben die überhaupt nicht mit gerechnet und konnten damit natürlich auch nix anfangen. Die sind fast alle abgehauen. Am Anfang waren da vielleicht 30 oder 40 Kunststudenten und hinterher vielleicht noch drei. Das hörst du auf der Aufnahme halt nicht. Das hört sich an, als wären die alle gut drauf gewesen. Wobei die, die du da hörst, waren ja auch gut drauf. (Lachen)

Das wollte ich gerade sagen. Das hört sich eigentlich nach großartiger Stimmung im Publikum an.

Das waren halt Freunde von uns, die da alle um den Kassettenrekorder standen und die haben natürlich ein Höllenspektakel gemacht. So entstehen ja viele Liveaufnahmen. Da wird so was manchmal ja auch einfach reingemischt.

Trotzdem schade, dass die Tonqualität so schlecht ist.


Ja, aber das war auch nicht geplant, das aufzunehmen. Da hatte irgendwer halt einen Rekorder dabei und hat den laufen lassen. Klar hört sich das mies an und vor allem dilettantisch, aber das war uns auch egal. Wir haben das ja nicht ernst genommen. Wenn du dir dagegen so Müll anhörst, wie die NEUBAUTEN damals, die alles tierisch ernst genommen haben, das war mindestens genauso eine Unverschämtheit. Dagegen war das bei uns rheinischer Humor, statt Berliner Engstirnigkeit.

Mit MIPAU habt ihr ja schon den Song "Kebabträume" gespielt, den ihr später mit FEHLFARBEN als "Militürk" noch mal aufgenommen habt. Der Song ist ja, wenn man sich den heute so anhört, nicht ganz unumstritten. Gab es da nie irgendwelche Unterstellungen?

Also ich hab das nur gesungen, der Text ist nicht von mir. Aber man muss den Text auch in dem Kontext sehen, in dem er geschrieben wurde, also Ende der 70er Jahre. "Wir sind die Türken von morgen" heißt quasi nichts anderes als, wir sind die Ärsche von morgen. Also morgen wird sich keiner mehr um dich scheren. Heute noch erfolgreicher Schulabgänger und morgen gesellschaftlicher Außenseiter. Hinzu kommt, dass der Text von Delgado-Lopez ist. Der ist selber Ausländer, Spanier und kam obendrein aus einem linksextremen Elternhaus. Die sind aus Franco-Spanien ausgewandert. Also jedwede Fascho-Unterstellung muss man da echt von sich weisen. So was wäre wirklich an den Haaren herbeigezogen. Dazu muss ich auch sagen, damals hat das niemand so gesehen, also da irgendwelche bescheuerten Ansichten unterstellt. Man kann das nicht mit heutigem Background interpretieren. Die Türken hatten damals noch einen anderen Status und haben teilweise niedere Arbeiten verrichtet. In so einem Kontext heißt es dann nämlich, morgen sind wir selber die Ärsche der Gesellschaft.

Ich muss jetzt einen Sprung machen. Nach O.R.A.V. haben Xao und du FAMILY 5 gegründet. Wie fing das damals an?

Wir hatten so irgendwie aus Spaß diese Dance Maxi aufgenommen. Das waren alles Leute, die der Xao schon kannte, mit denen er teilweise auch schon vorher Musik gemacht hatte. So bandmäßig war da aber noch nichts Richtiges geplant. Irgendwann kam dann Xao an und sagte mir, da wollen uns welche live haben, das gibt Geld. Da haben wir dann so Funk- und Soul-Sachen gespielt, teilweise auch eigene ältere Stücke, aber dann eben in dem Stil. Manche fanden das klasse, Andere meinten wie kann man nur. Es ist halt auch immer wichtig, den Leuten vor den Kopf zu hauen. Wir haben da glaube ich so eine Latin-Version von "Es geht voran" gespielt, das hat einige schon irritiert. Jetzt gab es also ´ne Band, aber solche Musik war halt auf die Dauer nix. Daraus wurde dann eben mit der Zeit diese Soul Punk-Geschichte.

Bei den FEHLFARBEN habt ihr ja die Texte zu zweit gemacht, während du bei FAMILY 5 die Texte alle alleine geschrieben hast. Woher hast du dich da inspirieren lassen und wie lief das im Einzelnen ab?

Also das war meist so, dass es zuerst den Song gab, den ich mir dann angehört habe. Wenn der mich an irgendwas erinnert hat, habe ich halt einen entsprechenden Text dazu geschrieben. Wenn es halt richtig an eine neue Platte ging, wo ich ja mehrere Texte brauchte, wusste ich vorher nicht immer genau, welcher Text jetzt wo drauf passt. Da hab ich dann auch schon mal rumprobiert. Wo halt die Strophen am besten hinpassen und wo kann ich den Refrain unterbringen. Geschrieben habe ich die Texte meist im Büro, während der Arbeit. Am Besten funktioniert so was, wenn man sich nicht allzu sehr darauf konzentriert. Wenn du dich hinsetzt und denkst, so, jetzt brauch ich aber einen Text, dann hat das bei mir zumindest nicht geklappt.

Also mehr spontane Inspiration als lang daran feilen?

Jaja, schon so.

Du hast ja auch einige Texte ein zweites Mal verbraten.

Ja sowieso. Die Texte, die mir wirklich gut gefallen haben, die hau ich dann in die nächste Band noch mal rein.

Mir ist immer aufgefallen, dass viele deiner Texte einen recht provokativen Touch hatten, ein Aspekt, der mir immer besonders gefallen hat. Hast du dabei gezielt an bestimmte Leute gedacht, oder hast du dich vielleicht sogar selbst mit einbezogen?

Meistens war das so ´ne Kombination aus allem, ehrlich gesagt. Je nachdem wie man sich gerade fühlt, biste das auch selber, oder jemand der dich grad genervt hat. Das kann aber auch ´ne Botschaft an die Allgemeinheit sein, weil die ja alle irgendwo blöd sind. Wenn du ein Stück hast, kommt da erst mal die Kernbeschimpfung, das ist dann meist jemand, den du wirklich kennst und den du auch meinst. Aber so was hältst du nicht drei Strophen durch. Am Schluss kommen dann noch andere vorbei, die auch Scheiße sind und so machst du aus Dreien Einen, den du beschimpfst. Defakto musst du, wenn du realistisch bist, aber auch zugeben, dass das auf dich selber aber auch ganz schön zutrifft. Irgendwo ist man ja selbst auch immer ein Arschloch und mit jedem Beschimpfungsstück, kannst du dich auch selber ganz gut treffen

Du sagtest ja eben selber, dass der Erfolg mit F 5 ja leider ausblieb. Gab es denn bei euch das Ziel, von der Musik zu leben, oder ging es mehr um den Spaß?

Also ich hätte davon nicht leben können, dafür hat´s einfach nicht gereicht. Das war auch bei mir nie die vordergründige Absicht, die dahinter steckte. Wenn es gekommen wäre, gut. Wenn also irgendein Label unsere Platten gekauft und rausgebracht hätte, na klar, aber nicht um den Preis, dass man sich hätte arrangieren müssen. Also wirklich nur so, wie es von uns auch gewollt gewesen wäre. So war das eigentlich auch bei den FEHLFARBEN, wo wir ja einen Majordeal gehabt haben. Also wie gesagt, von mir war das kein Ziel, vielleicht von anderen in der Band ja, aber das kann ich so nicht richtig beurteilen.

Xao hat mir erzählt, dass er zur Zeit an der Veröffentlichung eines F 5 Tribute-Samplers arbeitet. Wie stehst du dazu, dass Leute wie Farin Urlaub oder DIE TOTEN HOSEN eure Songs, deine Texte interpretieren?

Das ist schon erstaunlich irgendwo. Also wie dich die Anderen sehen, so hast du dich selbst ja nie betrachtet. Irgendwie hat auf der einen Seite kein Schwein deine Platten gekauft, auf der anderen Seite sagt dir aber jeder, den du so siehst, wie toll und wichtig das alles war, was du gemacht hast. Klar finde ich das gut, dass Bands Lust dazu haben, unsere Sachen zu covern, aber wir selbst haben das nie so gemerkt, wie toll das alles gewesen sein soll. Irgendwie sollte der Sampler so "Tribute to the Losers" heißen, oder "Wir haben´s geschafft, wir sind davon gekommen". Aber da sind gute Sachen drauf. "Stein des Anstoßes" von Farin ist wirklich großartig.

Gibt es da bei dir manchmal Neid auf die Bands, aus eurem Umfeld, die es, wie du sagst geschafft haben?

Ja logisch, auf ´ne Art, geb ich zu. Neid gehört dazu. Let´s spend the Neid together. (Lachen) Andererseits, wenn ich mir anschaue, wie manche Bands dahin gekommen sind, so 5 Jahre auf´m Fußboden im Jugendheim pennen, möchte ich auch nicht mitmachen.

Der Preis war dir zu hoch?

Ganz klar. Wenn´s da hieß, ich bringe euch ganz groß raus und in sieben Jahren seid ihr Stars, das war mir zu blöd. Aber da muss ich halt heute mit leben und bereue das auch nicht. Entweder du spielst das Spielchen mit, oder es ist dir scheißegal. Klar hieß das im Endeffekt auch, dass mal wieder ein paar FEHLFARBEN-Platten über den Tisch gehen mussten, um ´ne neue F 5-Platte zu machen.

Parallel zu F 5 hattet ihr eine Weile noch die 60ies Cover-Band SILLY GIRLS laufen. Da gibt es soviel ich weiß nur diese Live-EP, oder?

Wir haben da, glaube ich, so vier oder fünf Gigs gemacht. Damals gab es ja so eine Welle von deutschen Neo-Psychedelic-Bands, wie MULTICOLOURED SHADES und so. Wir wollten damit eigentlich zeigen, dass wir diese Songs auch kennen und spielen können. Allerdings sollte das nicht diesen ästhetischen Popstil haben, sondern das sollte schon dreckig und kaputt sein.

Du hörst dich auf der Aufnahme auch gut betankt an.

Ja, da stand ja auch drauf. Das war ja kein Psychedelic, sondern Alcedelic. Diese Aufnahme ist glaub ich ein Mitschnitt aus der Markthalle in Hamburg. Das war eigentlich grandios. Wir haben da mit irgendeiner Hannoveraner Psych-Band zusammengespielt und sind da völlig abstrus, wie in einem Wahn auf der Bühne rumgekrochen und haben so nach Bierflaschen gesucht, ich weiß nicht mehr. Auf jeden Fall hat das den Leuten was gegeben. Wie gesagt, das war ziemlich kaputt alles.

Wie stehst du denn heute zu dem, was so abgeht, auch im Punkbereich?

Da krieg ich irgendwie gar nichts mehr mit. Auch wenn ich mir das Ox so durchblättere. Das ist mir alles viel zu viel und da weißt du im Endeffekt gar nicht mehr, was denn jetzt gut ist, oder wer wichtig ist, was weiß ich! Das war früher schon ein bisschen einfacher. Es gab ja nicht viel und dann galt es immer, sich von den Bands, die es gab, alles zu kaufen. Das geht ja heute gar nicht mehr. Die Sache ist für mich zu unübersichtlich geworden. Wir haben ja auch irgendwann festgestellt, das ist auch nur Musik, wie jede andere und die Weltherrschaft wird es doch nicht geben. Das ist eben auch nur ein Business, den man wie alles Andere verkaufen kann. Dann die ganzen Splitterszenen, Revivals, Neos, was weiß ich alles, da kannst du gar nicht mehr mithalten.

Das sehe ich ähnlich. Der Markt ist so was von voll, dass man immer befürchten muss, dass man was verpasst. Irgendwann bleibt man dann bei dem stehen, was man hat und freut sich, wenn man mal durch Zufall auf was neues stößt, was genau dein Dingen ist. Aber wenn du dir Platten kaufst, was holst du dir dann so?

Was bei 2001 billig ist. Ich hole mir lieber ´ne Doppel CD für 5 DM als irgendeine CD für 35 DM, mit 30 Minuten drauf. Irgendwelcher Kinderscheiß, Brit Pop-Gedöns. Was will ich mit Sachen von Leuten, die Sachen nachspielen, von Leuten, die auch schon Sachen nachgespielt haben? Das langweilt mich.

Kann ich verstehen, aber habt ihr mit der ersten FEHLFARBEN Single nicht auch Sachen nachgespielt, nämlich Ska im Stil der SPECIALS, die allerdings selber auch nur die alten Jamaica-Sachen nachgespielt haben?

Ja, irgendwo schon, aber das hat außer uns sonst niemand gemacht. Wir haben Ska gespielt, aber sonst hat keiner Ska gespielt. Außerdem haben wir, anstatt das nur nachzuspielen, oder genau so sein zu wollen, Deutsch gesungen. Wir waren da nicht die x-te Band, die so was nachgemacht hat, sondern die einzige. Außerdem haben wir wenigstens den Anstand besessen, eben was eigenes daraus zu machen. Wir kamen nicht aus Lübeck und wollten uns anhören wie Liverpool. Oder aus Reutlingen und wollten gerne San Francisco sein, sondern wir waren immer aus Düsseldorf. Es sei denn, wir haben Coverversionen gespielt. Da gehe ich nicht hin und übersetze das krampfhaft. Die sollten schon so sein, wie das Original.

Das mit dem Ska hat sich bei FEHLFARBEN aber auch schnell wieder erledigt. Auf der LP hört man da ja nix mehr von.

Ja, wir waren ´ne Ska-Band, aber haben genauso schnell wieder damit aufgehört. Das war noch ganz lustig. Als wir die LP dann rausgebracht haben, wo sich die Hälfte der Jugend am liebsten zu aufgehangen hätte, schrieben die Blätter in den Konzertankündigungen immer noch, "Die deutsche Ska-Band mit den witzigen Texten". Nur haben wir weder Ska gemacht, noch waren wir witzig.

Stilmäßig hast du dich ja nie auf eine Sache festgelegt. Mit CAMP SOPHISTO habt ihr beispielsweise halbwegs elektronische Musik, die ja sogar ein wenig technoid ist und als Vorläufer von so Richtungen wie Industrial gesehen werden könnte, gemacht.

Ich hatte eigentlich immer schon Bezug zu elektronischer Musik. Selbst mit MIPAU haben wir da bei "Testbild" ein bisschen mit rumexperimentiert. CAMP SOPHISTO lief ja parallel zu F 5. Das war so zwischen unserer ersten Mini-LP und der "Resistance". Da haben wir die erste CS-Single aufgenommen und später dann die Mini-LP.

War CS denn für dich eine ernsthaftes Nebenprojekt, das vielleicht sogar als zweites Standbein gedacht war, also diese technoide Richtung?

Ja, gerade darum. Das war halt was anderes und das hat mich auch interessiert. Eigentlich stand auch der Xao auf solche Musik, aber mit F 5 wollten wir halt so was nicht spielen. Außerdem war das für mich die Möglichkeit, auch mal an der Musik mitarbeiten zu können, was so bei den andren Bands nicht war, weil ich kein Instrument kann.

Eben auch ein häufiger Kritikpunkt, weil man elektronischer Musik ja auch gerne nachsagt, das könne jeder und es wäre nicht handgemacht.

Stimmt ja eigentlich gar nicht. An Knöpfen drehen kann zwar jeder, aber das kann sich dann auch Scheiße anhören und handgemacht ist diese Musik ja auch, nur verläuft der Entstehungsprozess etwas anders. Mit CS hatten wir übrigens sogar einen Teilerfolg: wir waren "Single of the week" beim englischen NME.

Du sagtest, du spielst kein Instrument. Xao erzählte mir aber, er hätte dir mal Gitarre beigebracht und du wärst nicht mal untalentiert gewesen.

Ja, das waren 11 Akkorde, aber da war ich schon weit über 30 und da hast du dann irgendwie keinen richtigen Bock mehr zu üben, wenn du von der Arbeit kommst.

Bist du wegen Ermangelung eines Instrumentes Sänger geworden?

Ganz am Anfang, bei CHARLEY´S GIRLS, war ich ja Bassist, weil ich halt einen hatte. Natürlich wusste ich überhaupt nicht, was man damit macht. Den kann man sich umhängen und dann zupft man an den Saiten. Der Franz hat mir damals gezeigt, wie das Rock´n´Roll-Schema geht. Wenn wir dann so Sachen von den RAMONES nachgespielt haben, reichten dann zwei Saiten aus. Allerdings hat sich dann herausgestellt, dass ich mehr Texte konnte als die Anderen, aber weil beides gleichzeitig nicht ging, habe ich den Bass drangegeben. Danach habe ich dann nie wieder instrumentalen Ehrgeiz entwickelt.

Nachtrag:

Lange nachdem das Aufnahmegerät abgestellt war, stellte sich heraus, das Peter mir etwas Eklatantes verschwiegen hatte. Er wolle nicht über ungelegte Eier reden, deshalb hätte er nicht erwähnt, dass er sich in letzter Zeit wieder mit den FEHLFARBEN getroffen habe, und dass dabei einige neue Stücke entstanden sind. Durchaus möglich also, dass sich in dieser Hinsicht demnächst wieder was tut. Man darf glaube ich, sehr gespannt sein.