PECHSAFTHA proben nie und doch ist aus jedem Bandtreffen bisher eine Veröffentlichung entstanden. Trotz ihres eigenwilligen Stils haben sie mit Tumbleweed nun ein Label gefunden, um ihr neues Werk auf CD zum ersten Mal einem größerem Publikum zugänglich zu machen, als die vorher in strengst limitierter Kleinauflage via Musikzimmer erschienenen, handgebastelten Vinyl-only-Veröffentlichungen. Und auch die Musik ist zugänglicher, beinahe poppig geworden, ähnelt aber immer noch kaum einem der anderen Projekte der Beteiligten. Als da wären: Herr Kircher von EA 80, Herr Schneider und Herr Gelling von GRAF ZAHL, Herr Pech von KLOTZS und Herr Büsser, Musikjournalist, Autor und testcard-Herausgeber, mit dem ich mich im sonnigen Hinterhof des Ventil-Verlages unterhalten habe, während draußen irgendwelche Chorgruppen durch die Mainzer Altstadt zogen.
Wie ist PECHSAFTHA entstanden?
Sascha, unser Schlagzeuger, hat eine Diplomarbeit zum Thema Punk geschrieben und dafür unter anderem Martin von EA 80 als Musiker und mich als Fanzine-Autor interviewt. Ihm kam die Idee, ob man diese Leute nicht zu einer Band zusammenbringt. Da es zu dritt ein bisschen dünn gewesen wäre, sind die beiden von GRAF ZAHL mit eingestiegen. Die zwei gehen auch sehr stark in diese Poprichtung, während Martin jemand ist, der eigentlich aus dieser alten Punktradition kommt, aber nie so starr Deutschpunk war, weil der sich eben immer schon mit Bands wie WIRE beschäftigt hat, Sascha bringt bei PECHSAFTHA sehr geräuschhafte Sachen ein, und ich komme auch aus dieser Experimentier/Wave-Ecke und dadurch entsteht diese interne Spannung. Wir sind nie völlig Anti-Pop, aber wir sind auch nie völlig Pop, und wir sind deswegen auch nie völlig unpunkig, aber auch nie konventionell Punk.
Wie seid ihr zu dem Namen PECHSAFTHA gekommen?
Wir hatten noch keinen richtigen Namen, als wir zur ersten Session gefahren sind, und als unser Schlagzeuger sich in Holland angemeldet hat, hat er seinen Namen am Telefon eben schön, wie man das amtsdeutsch macht, gesagt, "Pech, Sascha", und als wir angereist sind, klebte da ein Schild, "Familie Pechsaftha bitte im Bootshaus melden". So hatten wir unseren Namen.
Ihr spielt keine Konzerte.
Wir sind schon live aufgetreten, aber das endet dann meist als Desaster. Das ist eher ein Happening als ein konventionelles Konzert. Wir haben einmal im Rahmen der PopKomm in Köln ein Sitzkonzert gespielt. Während des Konzerts sind zwei runter und haben den Leuten im wahrsten Sinne des Wortes die Stühle unterm Arsch weggetreten. Als wir einmal am Bodensee aufgetreten sind, ist Martin am Keyboard auf einen blöden Lambada-Rhythmus gekommen und der lief dann brachial laut durch, und weil er nicht wusste, wie der auszuschalten ist, weil er sich mit dem Gerät Null auskennt, hat er das Ding halt aus der Steckdose gerissen.
Wie ist die Herangehensweise bei euren Sessions?
Die ersten Male sind wir für die Singles jeweils nach Holland gefahren, haben uns am Ijsselmeer ein Einfamilienhaus gemietet und im Wohnzimmer die Instrumente aufgebaut. Am Anfang war es natürlich schwer, einen gemeinsamen Sound zu entwickeln. Die drei Songs von der ersten Single waren auch das einzig Brauchbare, was die erste Session hergegeben hat. Aber inzwischen sind wir schon aufeinander eingespielt, die LP haben wir an einem Wochenende aufgenommen. Wir wissen schon eher, was PECHSAFTHAS ist und will, deswegen entstehen die Songs inzwischen viel schneller. Es ist so, dass immer mal wieder Leute rausgehen und andere vor sich hinspielen lassen. So entsteht eigentlich alles ziemlich schnell, ohne dass die Leute sich, bevor sie sich getroffen haben, groß Gedanken gemacht haben. Am Anfang ist das nur Rumimprovisiere, bis sich überhaupt mal eine Melodie oder irgendeine Struktur rausschält, dann kommt irgendwann der Gesang dazu, und dann überlegen wir, was für Arten von Nebengeräuschen noch dazu passen. Es war gerade bei der letzten Platte so, dass wir Chöre und andere poppige Elemente noch mit einsetzen wollten. Das wirkt am Schluss ziemlich in sich geschlossen, aber es entsteht eher stückweise.
Es ist vorher nichts festgelegt, auch nicht die Texte?
Ich gehe, ohne eine einzige Zeile zu haben, in diese Wochenenden.
Habt ihr ein gewisses Konzept oder ist das einfach nur Rumexperimentieren?
Sascha hat von Anfang an gesagt "Wir sind Kunst, wir machen Kunst", aber mehr so spaßhaft. Insofern war schon von Anfang an klar, es wird kein konventioneller Punk. Ich glaube aber, dass wir auch aufgrund der Biografien der anderen Musiker wesentlich songorientierter, stringenter arbeiten als irgendein Free-Jazz-Kollektiv. Allerdings auch freier als die Leute arbeiten würden, wenn sie für ihre "Heimbands" arbeiten. Das ergibt sich daraus, dass wir sehr stark auch mit Geräuschquellen arbeiten, Blech und Wasser, das umgestülpt wird, also Sachen, die auf einer EA 80-Platte nichts verloren haben. Aber ich glaube, wenn es Anknüpfungspunkte gibt, weil es sich sehr früh ergeben hat, dass wir deutsche Texte machen, dann ist das eher eine andere Tradition. Wir wurden ja auch schon mit DIE TÖDLICHE DORIS und MUTTER verglichen, vielleicht spielt das dann eher rein.
Ihr habt mittlerweile schon einen typischen PECHSAFTHA-Stil.
Es gibt halt einen gewissen Dissens beziehungsweise ein Desinteresse an diesem klassischen Rock-Haudrauf-Sound. Andererseits war oder sollte das immer ironisch sein. Schon die erste Single mit dem Song "Ramm-Stein" ist im Grunde eine Persiflage auf Rock. Weil aber Sascha und Martin gerne wieder in ihre alten Verhaltensmuster zurückfallen und anfangen, vor allem je später der Abend wird, Punkrock zu spielen, verirrt sich auch immer eine klassische Punkrock-Nummer auf die Alben. Wenn wir einen typischen PECHSAFTHAS-Stil haben, dann soll das aber auch nicht krampfhaft Kunstkram sein. Es gibt ein HipHop-Stück auf der neuen Platte, wo ich in einem Raum den Text eingesungen habe, ohne die anderen zu hören, und die im anderen Raum die Musik dazu gemacht haben, ohne mich zu hören.
Wie entstehen die Texte? Ich kann mir das, anders als bei der Musik gar nicht vorstellen, das in so kurzer Zeit zu schreiben.
Die Texte entstehen relativ schnell. Bei den Themen hat es sich ergeben, dass die auch eine ganz bestimmte PECHSAFTHA-Linie bekommen haben. Es geht sehr stark um prekäre Arbeitssituationen, um Leute, die sich in Praktika ausbeuten lassen, und es geht sehr stark um Nationalismus. Das ist immer sehr versteckt, denn im Grunde gibt es keine Parolen, aber bei Sätzen wie "Die NPD-Plakate flattern im Wind und erzählen von Leuten, die längst verschwunden sind", sind das zum Teil Texte, die ganz bewusst offen sind. Wer ist verschwunden? Sind das die Nazis, die in die Hauptstadt gegangen sind, oder sind das vielleicht die Opfer der neuen Nazis? Ich versuche auch immer, eine bedrohliche, beklemmende oder unangenehme Stimmung zu erzeugen. Und es gibt diese Stücke, die wie Alltagsgeschwätz wirken, wo Dialoge zwischen Leuten wiedergegeben werden und diese ganze Borniertheit von dem, was Leute so den ganzen Tag reden, auf die Spitze getrieben wird.
Es gibt immer wieder diese Kritik an Deutschland und seiner Popkultur, zum Beispiel bei "Ramm-Stein" oder "Mannheim".
Da wir eine Band sind und da wir uns in diesem Musikgewühl bewegen, bietet es sich an, wenn wir Kritik an Deutschland üben, das eben auch zu verknüpfen mit den Leuten, die sozusagen pro-deutsch operieren als Musiker oder die Aushängeschilder sind. Wie Xavier Naidoo, der ja auch die Nationalmannschaft bei ihrem großen Empfang in Berlin gefeiert hat. Vielleicht gibt es demnächst eine SPORTFREUNDE STILLER-Verarsche, obwohl ... so ernst sollte man die gar nicht nehmen.
Ist das in diesen Erzählertexten nur ein Wiedergeben dessen, was dich umgibt oder bist du da zu einem bestimmten Teil selbst drin?
In diesen Stücken geht es darum, irgendeinen Alltagsschrott zu persiflieren. Sei das, wie Paare sich verhalten, wenn sie sich gegenseitig umwerben, zum Beispiel auf der ersten Single das Stück "Talk im Turm", oder Situationen, wenn jemand auf seinen neuen Arbeitsplatz eingeführt wird, oder in "All you can eat" hast du jemand, der brabbelt die ganze Zeit - da scheint wohl jemand neu in eine Kleinstadt gekommen zu sein -, wie toll die Stadt ist. Es geht zugespitzt darum, rauszuarbeiten, aus welchen Floskeln Kommunikation besteht.
Es gibt in all diesen Texten immer einen politischen oder gesellschaftlichen Bezug. Ist das bewusst?
Ich glaube, ich kann keine Songtexte schreiben, die völlig ohne irgendeinen gesellschaftlichen Bezug sind. Deswegen ist es auch dort, wo es scheinbar privat ist, wie bei "Talk im Turm", unglaublich banal und damit hoffentlich entlarvend, weil ich denke, dass sich eben auch die gesellschaftliche Deformation in der Deformation abbildet, die die Leute privat leben. Deswegen wird es also klassische Liebeslieder von PECHSAFTHAS nie geben.
Du beschäftigst dich in deinen Artikeln sehr stark mit Formen angloamerikanischer Gegenkultur in der Musik. Sind PECHSAFTHA da eine Ausnahme für so etwas in Deutschland? Sieht man mal von DIE TÖDLICHE DORIS und anderen NDW-Sachen ab, gab oder gibt es in Deutschland kaum Formen davon.
Ich denke, dass es im Moment in Deutschland sehr wenig Progressives gibt, während in den USA wieder unwahrscheinlich viele Leute experimentieren. Formal sind die hier "hippen" Bands so was von grottenkonservativ, egal, ob das jetzt KANTE, DIE STERNE oder BLUMFELD sind, vielleicht noch mit Ausnahme der GOLDENEN ZITRONEN, da bewegt sich musikalisch wirklich niemand mal auch nur einen Millimeter weg von dieser festgelegten Form und alle glauben, ihre tollen Diskurstexte würden es rausreißen. Insofern denke ich schon, dass die Vorbilder da eher bei Bands aus den USA liegen. Ich sehe das schon so, dass zumindest in Deutschland die Zwanzig- bis Dreißigjährigen sehr stark wieder auf diese Melodie- und Popschiene stehen. Und das ist auf Dauer einfach langweilig. TOMTE ist für mich das, wo ich PECHSAFTHAS fast als Antithese oder Antifolie dazu sehe. Ich will keine privaten Befindlichkeiten, keine Kuscheltexte zu Kuschelrockgitarren. Deswegen werden wir bei allem Pop-Appeal nie wie TOMTE enden. Dazu ist PECHSAFTHA doch noch zu anders.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Chris Wilpert