FAMILIA REAL aus Santa Cruz de Tenerife auf der bekannten Kanareninsel, sind eine spanische Punk-Legende. Bei den Kanaren denkt jeder erst mal an Touristenhochburgen und nicht an Punkrock. Ihr Name – „Königsfamilie“ – war damals pure Provokation gegen das spanische Königshaus und Establishment. FAMILIA REAL haben jetzt nach dreißig Jahren ihr erstes richtiges Album aufgenommen, für das kleine Label Los ’80 Pasan Factura, mit alten und neuen Songs. Zu hören ist UK-beeinflusster Achtziger-Punk, schnell, melodisch und mit eingängigen Refrains. Wie es dazu kam, dass FAMILIA REAL wieder auftreten, erzählten mir die Gründungsmitglieder Silver (Gesang) und Pistol (Drums), sowie Endika und Juanjo, vor ihrem genial-umjubelten Gig im Callejón Lisa in Arrecife, Lanzarote.
Wie kam es Anfang der Achtziger dazu, dass ihr ausgerechnet auf Teneriffa Punkrock entdeckt habt? Wie gründeten sich FAMILIA REAL?
Silver: Teneriffa hat durch den Tourismus viel Einfluss aus England, wir bekamen das über Zeitschriften und Radio mit, was dort abging. Der Rest war Zufall. Ich sah Pistol in Santa Cruz auf der Straße mit einer Jacke mit dem SEX PISTOLS-Logo rumlaufen.
Pistol: Er sprach mich einfach an, ob ich nicht Lust hätte, eine Punkband zu gründen, so fingen wir an!
Als FAMILIA REAL tratet ihr, so liest man, bei einem Bandwettbewerb in La Laguna auf und konntet erstaunlicherweise eine Studioaufnahme gewinnen. Die Legende erzählt, dass Silver, der Sänger, während des Gigs selber sieben Punkte gab.
Silver: Wir haben unsere Single „Destruye/Depresión“ im Dezember 1982 im Studio Aries aufgenommen, für das Canary-Label, das sonst die typischen Pachanga/Merengue- und Salsa-Bands veröffentlicht. Der Inhaber hatte noch diese riesigen, alten Bandmaschinen. Wir waren natürlich die einzige Rockband auf dem Label. Bis heute sind wir noch mit ihm in Kontakt, die Single kam ja auch wieder raus!
Die Single hat Kultstatus und wird heute hoch gehandelt. Ein Rerelease, auch längst vergriffen, gab es zuerst 2002 auf dem Madrider Label Munster und dann 2008 noch mal auf Los ’80 Pasan Factura Records. Aber wie war die Clubszene in den Achtzigern in Santa Cruz, gab es da überhaupt eine Punk-Szene?
Silver: Ja, damals mischte sich das mit den New Romantics und Wave-Leuten, es gibt ja auch ein paar Videos aus der Zeit, die wir dort gemacht haben. Die Szene in Santa Cruz war schon immer stärker von London beeinflusst als von Madrid.
FAMLIA REAL lösten sich, wie es sich für eine richtige Punkband gehört, schnell wieder auf. Silver und Pistol gründeten die Nachfolgeband ATAÚD VACANTE, ebenfalls melodiös, etwas mehr CLASH-beeinflusst und spielerisch reifer, auch sie spielen ab und an noch. 2007 starb urplötzlich und viel zu jung der FAMILA REAL-Gitarrist Domi Delgado und man entschied sich für ein Reunion-Konzert als Hommage an ihn. Wieso habt ihr dann nach diesem speziellem Gig weitergemacht? Wer ist noch dabei?
Silver: Warum? Weil Spielen und Auftreten einfach geil ist! Nach dem Tod von unserem Gitarristen kam Juanjo Jorganes dazu, ebenfalls bekannt aus den Achtzigern als Gründer von MORAL FEMENINA. Außerdem Endika Zulueta am Bass, der schon bei der ersten Single dabei war. Ansonsten spielen Pistol und ich in der Post-Punk/Noiserock-Band 13 MOTOS.
Wie seht ihr Punk heute?
Silver: Punks heute sind zwar gegen alles, leben aber in einer viel freieren Gesellschaft als damals und sind oft halbe Hippies. Viele sind von dem altem Sound beeinflusst, auch von deutschen Bands. Zu unseren Konzerten kommen oft zur Hälfte sehr junge Leute, das befruchtet sich gegenseitig.
Wo spielt ihr, wie sieht es mit Konzerten auf den Inseln aus?
Silver: Es gibt einige Clubs hier, vor allem auf Teneriffa und Las Palmas, aber auch auf Lanzarote, die Szene ist klein, aber es gibt genug Publikum. Man kennt sich, die Bands sind oft befreundet. Wir sind auch auf dem Festland aufgetreten, in Zaragoza kamen eine Menge Leute zu der Show. Endika wohnt ja in Madrid, deswegen spielen wir auch schon mal mit einem anderem Bassisten, je nachdem wer Zeit hat.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #116 Oktober/November 2014 und Frank Castro