FABULOUS DISASTER

FABULOUS DISASTER sind Laura Litter, Vocals, Lynda Mandolyn, Gitarre und Gesang, Mr. Nancy, Bass und Sally Gees, Drums. FABULOUS DISASTER sind eine rundum großartige All Girl-Formation aus San Francisco, deren neues Album auf Fat Wreck erschienen ist, und FABULOUS DISASTER sind genau das Richtige für alle, die BAMBIX, MUFFS, TILT, DOVER und Co. lieben. Ich sprach nach dem Konzert im Oberhausener "Altenberg" mit Lydia und Nancy.

Ihr seid das zweite Mal in Europa, nach der Tour letztes Jahr mit TEXAS TERRI & THE STIFF ONES.


Lydia: Ich schon, Nancy nicht. Die hatte damals ein Problem mit ihrem Rücken und musste zuhause bleiben. Damals war Mia mit auf Tour, die auch eine Weile bei uns Gitarre gespielt hat.
Nancy: Aber ich bin von Anfang dabei, also die ganzen drei Jahre.

Länger gibt´s euch noch nicht?

Lydia: Nein, wir sind erst seit Januar ´98 zusammen.

Und davor?

Nancy: Ich spielte bei einer Band namens ANGEL CORPUS CHRISTI, die aber nur lokal bekannt vor.
Lydia: Ich war davor in Detroit acht Jahre bei INSIDE OUT, und mit denen war ich Anfang der Neunziger zweimal in Deutschland.

Ah, die Band, die immer mit der gleichnamigen New Yorker Straight Edge-Band verwechselt wurde.

Lydia: Genau die - die, die später ihren Namen ändern mussten, weil wir vorher da waren. Danach spielte ich dann mit Laura und Sally in einer Band namens PISTON, und eines Abends, als wir ziemlich besoffen waren, kamen wir auf die Idee, ein rein weibliches Nebenprojekt zu machen, nur für ein Konzert. Naja, und irgendwie wurde daraus dann unsere Hauptband.

Ist es ein Zufall, dass ihr eine reine Frauenband seid, oder Absicht?

Lydia: Nein, das ist schon so gewollt.
Nancy: Es funktioniert einfach musikalisch sehr gut mit uns, aber sehen das mit uns als Frauenband nicht übermäßig politisch.
Lydia: Nein, es bedeutet nicht viel.

Gibt es bei euch einen Lesben-Background?

Lydia: Zum Teil. Aber wir sind nicht alle lesbisch. Für uns als Band ist das auch kein Thema, denn unsere sexuellen Präferenzen haben ja nichts mit Musik zu tun. Aber es gibt natürlich Bands, die als Lesben- oder Schwulenband wahrgenommen werden wollen.
Nancy: Queercore ist nicht unser Ding, ganz klar.
Lydia: Ich bin verheiratet! Mit einem Mann
Nancy: Ich finde es auch albern, wenn die sexuellen Präferenzen als wichtiger eingeschätzt werden als die Musik.

Würde es euch eigentlich reizen, mal eine reine Frauenband-Tour zu spielen?

Lydia: Schon, aber die Frage ist, mit welchen Bands? Ausser den DONNAS und L7 fällt mir derzeit niemand ein.
Nancy: Rock´n´Roll ist halt immer noch ein Männerding. Trotzdem weigere ich mich, mich als etwas Besonderes zu sehen: Ich bin eine Frau, ich bin Lesbe, ich spiele Punkrock - na und?! Ich gehe in Clubs, seit ich zwölf bin, und abgesehen davon habe ich vor dieser Band fast nur in gemischten Bands gespielt.

Wird man aber als reine Frauenband nicht schnell vereinnahmt für die "Frauensache"?

Nancy: Klar, du wirst schnell für reine Frauenband-Festivals gebucht - und andererseits wollten wir auch ein paar Frauenfestivals spielen und wurden nicht zugelassen, weil wir "zu hart" seien... Aber ehrlich gesagt macht es auch mehr Spaß, mit Männerbands auf Tour zu gehen.

Das mit dem "zu hart" kann ich nachvollziehen - Sally, eure Schlagzeugerin haut ja unglaublich drauf.

Lydia: Oh ja! Du solltest mal ihre Snaredrum sehen, da steht "You hit like a girl, fuck you!" drauf.
Nancy: Als ich sie das erste Mal spielen sah, wusste ich, dass ich mit ihr in einer Band spielen will. Die blickt beim Spielen gar nicht auf, die haut nur drauf, das ist echt unglaublich. Die arbeitet verdammt da hinten an ihrem Schlagzeug.

Apropos Arbeiten: habt ihr noch ´nen Job oder ist das mittlerweile die Band?

Lydia: Wir haben alle in letzter Zeit unsere Jobs hingeschmissen, um uns auf die Band zu konzentrieren. Wir haben letztes Jahr beim Fat Wreck-Sublabel Pink & Black unterschrieben, im November nahmen wir dann innerhalb von zwölf Tagen unser zweites Album auf, und letzten Monat waren wir dann einen Monat auf dieser großartigen Tour mit AVAIL, PROPAGANDHI und J CHURCH und es war großartig. Wir hatten dann einen Tag frei, bevor es mit den MAD CADDIES Richtung Europa ging.

Ihr habt euch vorhin beim Publikum bedankt mit den Worten, es sei das bisher beste Publikum für euch gewesen.

Nancy: Das war ernst gemeint! Ehrlich, und ich weiss, dass andere Bands das jeden Abend sagen. Gestern in Aachen war es aber auch sehr gut. Das Schöne ist, dass uns die meisten Leute noch gar nicht kennen, aber trotzdem total auf uns abfahren.
Lydia: Die aktuelle Fat Wreck-Compilation hat uns auf jeden Fall schon eine ganze Menge gebracht, daher kennen uns doch ein paar.

Ich schätze mal, dass diese Tour doch was anderes ist als die Tour mit TEXAS TERRI & THE STIFF ONES letztes Jahr.

Lydia: Oh ja... Diese Tour ist richtig organisiert, die davor hatten wir selbst organisiert, mit Hilfe einer kleinen Bookingagentur, deren Name ich jetzt mal besser nicht nenne. Viele Shows wurden gecancelt oder kamen nicht zustande, und es war echt anstrengend, denn wir hatten für zwei Bands auch nur einen Tourbus. Aber es gab auch ein paar gute Aspekte. Diesmal läuft´s viel besser, es hilft einfach sehr viel, auf einem großen Label zu sein.

Damals hattet ihr auch gerade auch euer selbstveröffentlichtes Debüt-Album raus.

Lydia: Ja, "Pretty Killers" hatten wir damals selbst rausgebracht. Ein paar der Songs haben wir für "Put Out Or Get Out" nochmal neu eingespielt, gerade auch, weil sie Fat Mike gut gefallen haben und er uns darum gebeten hat.
Nancy: Wir haben "Pretty Killers" auch an einem Nachmittag innerhalb von sechs Stunden eingespielt, ohne Overdubs. Das war gar nicht für eine CD gedacht, sondern nur als Demo, weil wir in dem Club. in dem ich damals arbeitete - er heisst "Bottom Of The Hill" -, ein A-DAT haben und wir da umsonst aufnehmen konnten. Das Ergebnis klang besser, als wir dachten, und so haben wir halt tausend CDs gepresst.

Wie seid ihr dann auf Fat Wreck gekommen?

Lydia: Das kam über Erin, die Frau von Fat Mike zustande. Die kam eines Abends zu einer Fat Wreck-Show in den Club, ich habe sie reingelassen und ergriff die Gelegenheit, ihr unsere CD in die Hand zu drücken. Die haben sich uns dann mal live angeschaut und meinten danach, wir sollten doch mal bei ihnen im Büro vorbeikommen.

Wie ist es denn, wenn man von so einem Label angesprochen wird? Ich denke mal, die haben eine Menge Erwartungen an eine Band, etwa was die Bereitschaft anbelangt ausgiebig auf Tour zu gehen und so.

Lydia: Klar, und ausserdem sind wir die erste reine Frauenband auf Fat Wreck, wobei das Sublabel Pink & Black mit den DANCE HALL CRASHERS wohl so einen gewissen Frauen-Schwerpunkt bekommen soll. Wir wissen natürlich, dass so eine Band viel Arbeit bedeutet, aber wir sind dazu bereit.

Lydia, du hast ein TILT-T-Shirt an: die sind auch auf Fat Wreck, aber man hört in letzter Zeit nicht viel von ihnen.


Lydia: Wir haben mit denen im Februar zusammen gespielt, aber die touren nicht mehr so viel.
Nancy: Die haben viel zu tun, die haben ja eine Firma für T-Shirt-Druck und das läuft wohl sehr gut.

Ihr habt dieses schöne Lied "Rich Bitches in Volvos" - was hat´s denn damit auf sich?

Nancy: In San Francisco ist ein Volvo ein absolutes Yuppie-Statussymbol. Laura hat den Text geschrieben, und es ist eine Geschichte, die ihr genau so passiert ist: sie läuft über die Straße und diese Bonzentusse fährt sie beinahe über den Haufen, weil sie ja am Steuer telefonieren musste. San Francisco hat sich ja leider sehr stark verändert in den letzten Jahren: alles ist voller Yuppies, die ihr Geld mit Internet-Firmen verdienen, und die Musikszene geht immer mehr den Bach runter. Ich wohne seit sechzehn Jahren in San Francisco, und damals gab es eine großartige Livemusikszene, während heute eine Band weder einen Proberaum finden kann und auch kaum noch Liveclubs übrig geblieben ist.
Lydia: Ich hoffe, wir haben noch einen Proberaum, wenn wir zurückkommen: wir teilen uns mit drei anderen Bands einen fensterlosen Raum ohne Klo für insgesamt $900... Schrecklich!

Ihr habt ein schönes T-Shirt-Motiv: ein weiblicher Teufel tritt einen auf dem Boden liegenden Mann zusammen...

Lydia: Hehe, das hat eine Freundin von mir entworfen. Die Shirts sind noch von unserer Tour letztes Jahr übrig.

Ich finde das Motiv ja sexistisch, so von wegen Gewalt gegen Männer.

Lydia: Ach was, das ist doch nur ein Bild, harhar.

Wie sieht´s mit musikalischen Einflüssen aus?

Lydia: WIRE, die BEATLES, THE DAMNED, GUIDED BY VOICES in meinem Fall, Laura und Sally stehen auf die GO-GO´S, Joan Jett, DESCENDENTS, RAMONES...
Nancy: ...und niemand mag die Bands, die ich mag: Patty Smith, Chrissie Hynde, X, BUZZCOCKS. Naja, ich bin halt ein bisschen älter als die anderen. Gerade Patty Smith: ich habe sie auf beinahe jeder Tour gesehen. Und Chrissie Hynde ist auch unglaublich, ich liebe die PRETENDERS. Und David Bowie, NEW YORK DOLLS und so weiter.

Wie wichtig ist Alkohol für euch auf Tour?

Lydia: Verdammt wichtig! Prost! Das heisst, Laura trinkt seit einer Weile nichts mehr, Sally nur ein bisschen, aber Nancy und ich brauchen schon unser Bier.

Danke für das Interview.