EYES OF TOMORROW

Foto

Ruhrpott = Moshpit

Geht es nach so mancher Bühnenansage von KREATOR-Frontmann Mille, dann ist das Ruhrgebiet ein einziger, gigantischer Moshpit – zumindest scheint er sich das zu wünschen. Und in der Tat gibt es insbesondere im Ruhrgebiet eine Vielzahl an Bands, die genau diesen Wunsch unterstützen. Eine davon sind EYES OF TOMORROW, die dieser Tage mit ihrer ersten EP „Gone For Good“ den Hardcore-Underground aufmischen. Zeit für ein Gespräch mit Shouter Nico und Drummer Adam.

Zunächst mal: Wer, wann und wie?

Nico:
Wir kannten uns irgendwie schon länger aus der Hardcore-Szene im Pott. Wir haben alle schon vorher in verschiedenen Bands aus dem Hardcore-, Punk- oder auch Metal-Bereich gespielt, SPAWN, CIRCLE OF DEATH, STILL SCREAMING und CITY TO CITY, um mal ein paar zu nennen. Wir haben Anfang 2016 zusammengefunden und im Mai 2016 die erste Show gespielt, im Herbst 2016 ein Demo rausgebracht und im Frühling 2018 die erste EP auf Vinyl.

Was ist aus den anderen Bands geworden?

Nico:
Ich habe bei CITY TO CITY gesungen, aber wir haben im Sommer 2016 aufgehört, live zu spielen, was mit einem Ausstieg zu tun hatte. Vielleicht machen wir irgendwann mal wieder was, vielleicht aber auch nicht. Es sind aber auch gerade fast alle trotzdem noch mit Musik beschäftigt, Hölscher trommelt mittlerweile bei AGGRESSIVE, Andre singt weiterhin bei FALLBRAWL und Chris singt jetzt bei seiner neuen Band THRONETORCHER.

Woran könnte es eurer Meinung nach liegen, dass der Ruhrpott offenbar der ideale Nährboden für Hardcore ist?

Nico:
Im Ruhrgebiet gibt es mittlerweile schon einige Jahrzehnte eine sehr kreative Musikszene, gerade auch was härtere Richtungen wie Hardcore, Punk oder Metal angeht. Ich denke, das hat natürlich etwas mit dem Ballungsraum zu tun, da hier circa 5,3 Millionen auf engem Raum zusammen leben. Die Städte liegen einfach so dicht zusammen, dass man schnell mal von Bochum nach Duisburg auf ein Konzert fahren kann zum Beispiel. Dazu ist es hier auch nicht immer ganz so leicht zu leben, es passieren immer irgendwelche seltsamen Dinge, also die besten Voraussetzungen, um eine Band zu gründen, Texte zu schreiben und auf Konzerten den Frust der Woche rauszulassen.

Adam: Speziell wenn es um Stile wie New York Hardcore geht, glaube ich, dass im Ruhrpott eine besondere Art der Identifikation möglich ist. Man schaue nur auf die gemeinen „Malocher“, die ja der typische Menschenschlag im Ruhrpott sind. Definition Malocher: körperlich hart arbeitender Mensch, der ein herzliches, aber rustikales soziales Miteinander pflegt. Man kann sich als Ruhrpottler dementsprechend leicht mit einer gewissen sympathischen, rustikalen, aber herzlichen und ehrlichen Härte identifizieren –wir sind selbst ja auch davon geprägt.

Was bedeutet Hardcore für euch? Und wie genau hat er Einfluss auf euer Leben genommen?

Nico:
Ich denke, für uns alle bedeutet Hardcore schon einen gewissen „state of mind“, also kritisch zu denken, Sachen zu hinterfragen, sein eigenes Ding zu machen, auch mal eine große Schnauze zu haben und sich klar gegen Ungerechtigkeiten zu positionieren oder auch sein Leben freiheitlich zu leben. Menschlich zu bleiben in einer Welt, die immer unmenschlicher wird. Wir sind alle schon ziemlich früh mit Hardcore in Berührung gekommen und sind immer noch dabei. In einer Band zu spielen, wo es eigentlich immer irgendwas zu besprechen oder zu organisieren gibt, begleitet uns somit schon fast die ganze Zeit auch im Alltag. Zudem sind viele langjährige Freundschaften entstanden, die es ohne Hardcore so wohl nicht geben würde.

Adam: Definitiv ist Hardcore ein wichtiges Ventil für all die Sachen, die man persönlich im Alltag erlebt, die einen regelmäßig bis an die Geduldsgrenze bringen. Natürlich aber auch ein Ventil für all die Sachen in der Welt, die man mitkriegt, die kaum zu ertragen sind. Die Probleme, ob klein oder groß, sind meist ähnlich: menschliche Dummheit, Ignoranz, Arroganz und Engstirnigkeit.

Ein Song wie „Hate, lies and violence“ ist eine klare Ansage in Richtung des ganzen Nazi-Drecks und heute leider sehr aktuell. Wie wichtig findet ihr es, dass insbesondere Hardcore-Bands eine solche Message rüberbringen?

Nico:
Einige Standpunkte deutlich zu machen, ist uns schon wichtig. Ich finde auch gerade die Entwicklung, dass jede kritische Frage oder kritischer Ansatz über politische Entwicklungen oft direkt mit irgendwelchen negativen Begriffen aus dem Mainstream betitelt wird, gilt es zu kritisieren und infrage zu stellen. Da wird die Berichterstattung der großen Massenmedien auf einmal wieder als „die große Wahrheit“ geehrt. Ganz ehrlich, da war der überwiegende Teil der Hardcore-Leute in den Neunziger Jahren schon viel weiter. Da wurden einfach sämtliche Dinge komplett hinterfragt und auch zur Diskussion gestellt. Es gab Auseinandersetzungen und Gespräche über alternative Lebensweisen, um irgendwie etwas anders zu machen, oder auch stückweise aus dem System auszubrechen. Was bleibt noch von der Musik und der Message übrig, wenn solche Werte verloren gehen? Wie kann es sein, dass wieder mit dem Strom schwimmen angesagt ist?

Dementsprechend gestaltet ist auch die Aufmachung von „Gone For Good“, oder?

Nico:
Ja, das Artwork ist schon auf eine eigene Art und Weise eine Abrechnung mit der großen, dreckigen Politik. Ich glaube diesen Leuten kein Wort mehr. Es gibt einfach zu viele Hinweise, dass wir permanent die Geschichten anders erzählt bekommen. Ein Beispiel wäre, wie der Westen seine Kriege in aller Welt erklärt und rechtfertigt. Es stirbt immer zuerst die Wahrheit. Wir werden über diese Kriege und die angeblichen Gründe belogen, daran gibt es leider keinen Zweifel. Auf dem Cover von „Gone For Good“ sind einige Schlagzeilen und Fotos von politischen Morden zu sehen. Einige dieser Menschen wollten Veränderungen bewirken, die Welt für sich und die Menschen zu einem besseren Ort machen. Allerdings muss man mit dem Wissen, das man inzwischen zu einigen der Fälle hat, davon ausgehen, dass Teile einer sehr einflussreichen Elite kein Interesse daran haben, überhaupt etwas an den Verhältnissen zu verändern. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, sie schrecken vor nichts zurück, um ihre Macht zu erhalten. Diese Kreise stehen hinter den Politikern, sie besitzen die ganze Macht, es ist eine dunkle Elite mit noch dunkleren Absichten.

Adam: Wenn man sich ernsthaft damit auseinandersetzt, wie einfach es ist, Menschen medial zu beeinflussen, oder nennen wir es beim Wort, zu manipulieren, muss man einfach eine kritische Position diesem ganzen Mainstream gegenüber einnehmen. Politik, Wirtschaft, Kultur und vieles mehr – alles durchzogen von Machtstrukturen, die auf Selbsterhaltung aus sind. Entwicklung braucht Veränderung, Veränderung war für die Menschen aber schon immer „krass“.

Ist jene Entwicklung vielleicht auch der Grund für einen Song wie „Take my life“?

Nico:
Ja, das Lied ist auch ein Statement über die moderne Welt. Ein Lied darüber, dass man die Schnauze voll hat von diesem tollen System. Wenn man unsere Lebensrealitäten in einer ruhigen Minute nüchtern betrachtet, kann man oft nur noch kotzen. Es ist ein zutiefst unmenschliches System, viele Dinge müssen wir verdrängen, um überhaupt irgendwie klarzukommen. Es gibt keine Gerechtigkeit und die reiche Klasse führt Krieg gegen die arme Bevölkerung. Aber es ist auch ein Text darüber, wieder die Kontrolle über sein Leben zurück zu erlangen.

Ihr habt für die EP Dennis Ryker’s als Gastsänger und -texter gewinnen können.

Nico:
Dennis hat vor mir in der Band gesungen, bis er dann komplett zu den RYKER’S gewechselt hat. Die Band hieß da noch anders und die vier hatten schon einige Lieder komplett fertig, als ich schließlich dazugekommen bin. Wir alle mochten aber die Sachen und ich mochte auch die Texte und die Energie, wie alles zusammenpasst. Also habe ich das Meiste so gelassen, ein paar Zeilen dazu geschrieben und insgesamt nur wenige Änderungen vorgenommen. Wir zehren also immer noch von Dennis’ Kunst und er ist im Prinzip mein Ghostwriter, haha.