Was für eine Band! Die EXCESSORIES, nicht nur eine Pop-Punk-Power-Pop-Band aus Los Angeles, nein, auch gute Freunde, will sagen, die vielleicht nettesten Menschen der Welt neben meiner Mutter?
Mit zwei Mitgliedern der Band (Rich & Melanie Coffee) verbindet mich schon seit Jahren eine intensive Freundschaft, die immer noch Bestand hat, angefangen mit den Europatourneen von Richs ehemaliger Band, den TOMMYKNOCKERS (die ich mit meiner damaligen Band, den EMBRYONICS, begleiten durfte), bis hin zu gegenseitigen privaten Besuchen. Rich war mit seinen vorherigen Bands, den TOMMYKNOCKERS und THEE FOURGIVEN schon mehrmals in Europa, für den Rest der Band war hier Neuland.
Dennoch, oder gerade deswegen, fühlten sie sich hier pudelwohl, und obwohl im LaLaufe der Woche ihrer Anwesenheit eigentlich jeder mal krank wurde, war es eine Nonstop-Party, mit einer Menge toller Konzerte und sogar etwas Sightseeing!
Hier nun ein Interview, das am letzten Abend, direkt nach ihrem Gig in Düsseldorf-Bilk entstand.
Dann mal bitte alle schön vorstellen.
Melanie: Ich bin Melanie, meine Stimme ist im Arsch, ich bin die Sängerin und spiele Rhythmusgitarre.
Dino: Ich bin Dino und spiele Bass.
Roy: Ich bin Roy, der Drummer, und ich bin Gott.
Rich: Moment, ich bin Rich, ICH bin Gott!
Roy: Nein, heute bin ich Gott, du warst es gestern.
Rich: Ach Mann...
Wer in der Band hat denn das größte Ego?
Alle: Rich!
Rich: Natürlich ich, was für eine Frage. Ich liebe euch auch. Ich bin aber auch der Einzige, der eine Website nur für sich selbst hat. Dedicated to me and my music. Fuck everybody else. Ich mache die sogar selbst, während Melanie die EXCESSORIES-Website macht.
Und, wie war Deutschland?
Rich: Wir müssen das mit L.A. vergleichen, und es war großartig: die Leute nett, die Konzerte klasse, jeder hatte Spaß.
Dino: Die Leute in den USA, nicht nur in L.A., sind total angenervt, das ist der Unterschied.
Warum ist das so?
Roy: Hier gibt’s einfach mehr richtige Musikfans, das ist der Grund.
Dino: Bei uns in L.A. gibt’s nur Musiker, keine Fans, das ist das Problem.
Rich: Und alle denken, ihre Band sei die Beste, während hier bei euch die Bands untereinander klar kommen. Ich habe hier die DIRTSHAKES, THE CAVE 4, THE LULLABELLES, THE BOONARAAAS mitbekommen, und das war ein ganz anderes Verhältnis, als ich es aus L.A. kenne.
Melanie: Ich fand es klasse, dass die Leute hier unsere Songs mitgesungen haben, obwohl sie nicht mal die Texte kannten! Das war überwältigend! So was kennen wir aus den USA nicht, da stehen die Leute mit verschränkten Armen hinten im Club und schauen misstrauisch Richtung Bühne, so à la „Los, unterhaltet mich!“.
Dino: In L.A. gibt’s einen Club, der typisch ist für so was, The Coconut Teaser. Da spielt eine Band, es sind sogar ordentlich Leute da, und dann wird die nächste Band angekündigt und das Publikum geht geschlossen und die Fans der nächsten Band kommen rein. Die wollen alle nur “ihre“ Band sehen.
Roy: L.A. ist voll von Bands, es gibt Unmengen, aber die meisten sind scheiße.
Melanie: Und es gibt nur fünf Veranstalter, die Punkrock buchen. Wenn du mit einem nicht klarkommst, hast du keine Chance. Es ist alles total inzestuös.
Ist euer Publikum auch so alt wie das heute Abend?
Rich: Ha, das fiel mir auch schon auf.
Melanie: Na ja, ich finde das nicht schlecht, da fühle ich mich nicht so alt, hahahaha.
Rich: In L.A. ist unser Publikum auch eher älter, schon deshalb, weil wir meist in Bars spielen. Andererseits versteht ein älteres Publikum auch eher, was wir musikalisch machen und wollen.
Melanie: Wir haben mal eine Show in einem Plattenladen gespielt, da waren viele Kids, denen es auch gefallen hat. Doch nach dem Konzert kamen die dann an und meinten, dass wir ihnen zwar gefallen hätten, aber wie alt wir eigentlich seien... Die waren sechzehn, und wir hatten echt Skrupel, die Frage ehrlich zu beantworten.
Gibt es denn in L.A. überhaupt eine Power-Pop-Szene?
Rich: Nächste Frage, bitte!
Melanie: Na ja, es gibt schon so was wie eine Power-Pop-Szene, aber das ist nicht unbedingt die Musik, die ich als Power-Pop bezeichnen würde. Mein Ding sind die 80er-Bands wie 20/20 und so weiter, eher Punk-Pop, während die Bands in L.A. eher Sixties- und Psychedelic-orientiert sind, und das hat nichts mit uns zu tun. Mit dieser Szene verbindet uns deshalb nicht viel. Wir versuchen eher, über die USA verteilt mit befreundeten Bands ein Netzwerk zu knüpfen. Bands wie DARLINGTON, und, äh, DARLINGTON. Na ja, es macht halt kaum jemand so einen Sound wie wir.
Was macht ihr für einen Sound?
Melanie: Äh...
Rich: Also, wir sind einfach großartig, das reicht doch, oder?
Melanie: Unser Ding ist die frühe Punkszene, als alle möglichen Bands ganz unterschiedliche Musik machten, aber trotzdem zusammen spielten. Wir sind New Wave, wir sind Power-Pop, wir sind Punk, und da liegen zumindest meine Wurzeln, auch wenn wir nicht unbedingt 77er-Punkrock spielen.
Rich: Viele der alten Bands hatten ein gutes Gespür für Pop-Songs, doch leider ging das bei den späteren Bands immer mehr verloren.
Dino: Die meisten Pop-Punk-Bands spielen einfach nur wimpige Punk-Songs, während wir Pop mit „Balls“ spielen.
Melanie: Und ich habe die dicksten „Balls“, hahaha!
Dino: Jetzt fängt die auch schon mit dieser Ego-Sache an, das hat sie von Rich...
Melanie, wie ist es denn, mit drei Typen in einer Band zu sein?
Melanie: Ich war schon in vielen Bands, immer als einzige Frau, und ich bevorzuge das. Wenn zwei Frauen in einer Band sind, hast du immer so einen gewissen Konkurrenzkampf. Musikalisch kann ich mit den Jungs locker mithalten, und das ist mir auch wichtig, denn oft verlassen sich Frauen mehr auf ihren Sexappeal, als auf ihre musikalischen Fähigkeiten. So was kann ich überhaupt nicht leiden.
Gebt mir doch mal eben einen kurzen Überblick über die Geschichte eurer Band.
Melanie: Rich und ich spielen seit einer ganzen Weile zusammen in Bands. Irgendwann hatte ich die Nase voll von der Power-Pop-Szene in L.A., wollte eine Band, die dem Power in Power-Pop mehr gerecht wird. Wir schrieben dann ein paar Songs, wir suchten uns einen Drummer und so ging das dann los. Das war vor dreieinhalb Jahren. Dino war damals schon dabei, spielte aber auch bei den STREETWALKIN’ CHEETAHS und hatte dann aber deshalb kaum noch Zeit für uns. Roy war anfangs unser größter Fan, und nachdem wir immer wieder einen neuen Drummer suchen mussten, stieg er schließlich ein.
Rich: Unsere Bassistin war eine Bitch, also haben wir sie abserviert und uns Dino wieder geholt.
Und was kommt als nächstes?
Rich: Also wir müssen endlich mal wieder ins Studio und eine neue Platte machen, Dino hat schließlich noch nie mit uns aufgenommen.
Melanie: Ich würde ja gerne ein paar Singles machen, nicht gleich wieder ein Album.
Rich: Anfragen gibt es genug, Geld will uns keiner geben, so ist das eben.
Hey, danke für das Interview.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #49 Dezember 2002/Januar/Februar 2003 und Joachim Hiller