Am 15. Februar 2020 wird Eugen Balanskat, der Sänger der 1986 in Ost-Berlin gegründeten Kultband DIE SKEPTIKER, 61 Jahre alt. Wir gratulieren herzlich und stellten ihm einige Fragen, auch zu seinem Gedichtband „Innenfrost“.
Eugen, was war dein schönster Moment als Musiker in der DDR?
Als wir 1988 auf der Insel der Jugend zum Berliner Rocksommer vor 5.000 Leuten spielten, und dann der Moment, als die Besucher anfingen zu gehen, als wir fertig waren, und das obwohl noch eine englische Band nach uns spielte. Da war ich komplett verdattert und begriff nochmals, wie sehr die Fans uns mochten.
Und die beste erlebte Szene in der „BRD“?
Mein tollstes Konzerterlebnis war, als ich vor zwei oder drei Jahren BLACK SABBATH auf ihrer Tour zur neuen Platte sehen konnte, sowohl in der Wuhlheide als auch in der Waldbühne. Dass eine Band nach so lange unterbrochener Zusammenarbeit noch mal eine neue Scheibe rausbringt und gemeinsam auf Tour geht, war sensationell und ich habe es sehr genossen.
Was ist deine beste LP und warum?
Das kann ich so gar nicht beantworten, das jüngste Baby ist einem irgendwie immer am nächsten, bevor es sich dann einsortiert. So verhält es sich auch dieses Mal. Ich finde wir haben mit der letzten Produktion „Kein Weg zu weit“ ein starkes Album abgeliefert.
Was erwartet deine Anhänger in deinem Gedichtband „Innenfrost“?
Es sind Themen wie Liebe, Triebe, Glück, Einsamkeit und Allgemeineres vertreten. Auf jeden Fall ein anderes Spektrum als bei den SKEPTIKER-Texten. Ich möchte eine weitere oder andere Seite meines Schaffens zeigen, eine neue Facette abseits des „Politbrüllers“. Mit den Begriffen privater und intimer liegst du völlig richtig, denn noch offener oder verletzlicher als in Gedichten zeigt sich wohl niemand. Wichtig war mir dabei die Andersartigkeit im Vergleich zu meinen Songtexten, die in diesem Bändchen nicht vertreten sind. Wie gesagt, es soll eine andere Seite von mir aufgezeigt werden.
Hast du unterschwellig Angst vor direktem Feedback der Leser*innen?
Ich habe keine Angst vor Leserreaktionen, deshalb gab ich ja im Impressum eine Mail-Adresse an, unter der man mich gerne kritisieren oder belobhudeln kann. Ich versuche, da nicht empfindlich zu sein, denn dass nicht alles allen gefallen wird, setze ich voraus. Da keine Lesereisen geplant sind, obwohl ich auch schon dafür angefragt wurde, ist es immer interessant, wenn sich die geneigte Leserschaft zu dem vorliegenden Büchlein äußert, egal wie. Ich habe mir vor der Veröffentlichung gesagt, dass ich mir den Gedichtband, falls er keinen interessiert, selber zum sechzigsten Geburtstag schenke – der Untertitel lautete auch „60 Gedichte zu 60 Jahren Balanskat“. Deshalb ist es ja auch keine Billigproduktion, sondern alles vom Feinsten: Leineneinband, Fadenheftung, fortlaufende Nummerierung der Exemplare. Der Plan war, wenn die Gedichte auf Interesse stoßen, weitere Sachen zu veröffentlichen und eventuell auch in die Prosa zu gehen. Die Verkäufe während unserer Geburtstagstour mit DIE SKEPTIKER waren so ermutigend, dass ich weiteres Material herausbringen werde, allerdings ohne Hast und nicht sofort. Ich hätte nie gedacht, das die redaktionelle Nachbearbeitung so ungeheure Arbeit macht.
Die noch zu DDR-Zeiten verfassten Gedichte scheinen mir resignativer zu sein als die neueren. Hat das konkret mit der Mauer und den Systemen zu tun, oder ist das vielleicht einfach altersbedingt?
Resignativer trifft es vielleicht nicht ganz, denn der Anspruch, sich nicht unterkriegen zu lassen, ist ja in dieser Zeit schon enthalten. Es stimmt aber auf jeden Fall, dass die teilweise düsterere Stimmung mit der Mauer und der Situation, in einem Land eingesperrt zu sein, zu tun hatte. Außerdem war ich während des Schreibens der neueren Gedichte zweimal verliebt, was natürlicherweise eine andere Grundstimmung hervorbringt.
Oft lese ich eine sehr kurze Kette der Begriffe Sehnsucht, Liebe, Sex heraus.
Das finde ich jetzt sehr verkürzt, denn so plump beschreibe ich den starken Wunsch nach Nähe und Intimität ja nicht. Als Beispiel seien hier stellvertretend zwei Zeilen aus „Träumerei im Wasserstrahl“ zitiert: „Ganz sanft umkost vom warmen Wasserstrahle, träume ich es könnten deine Hände sein ...“ Das finde ich persönlich nicht plump, aber nachvollziehbar in seiner geschriebenen Form. Da steht eben nicht „Ich könnt jetzt ficken“, sondern es ist sozusagen zartfühlender formuliert. Natürlich ist die Konsequenz aus Sehnsucht und Liebe auch Sex, aber ich bilde mir ein, mich dem Thema sensibel zu nähern, ohne Grobheiten, meistens jedenfalls. Liebe und Sex sind nicht zwangsläufig verschieden, Sex gehört zur Liebe dazu, aber Liebe nicht zwingend zum Sex, was ja allgemein bekannt ist. Trotzdem ist es doch schöner, vom Ideal auszugehen, dass beides zusammentrifft.
Die Möwe hat ein Extrakapitel bekommen. Ist die Vorstellung, einmal eine solche zu sein, für dich faszinierend?
Die Möwenlieder waren an eine Person gerichtet, die ich im realen Leben bis dato noch nicht getroffen hatte, mit der ich aber einen so genannten Schriftverkehr pflegte. Im ersten Gedicht dieser Reihe versuchte ich mir vorzustellen, wie man ohne Scheu oder Scham der Angehimmelten im ihrerseits nackten Zustand nahe sein könnte, ohne sie sofort zu verschrecken, im Moment der ersten Begegnung, denn nicht jeder ist ja exhibitionistisch veranlagt. Kann man vielleicht auch vergleichen mit „Leda und der Schwan“, ein Gleichnis also. Als dieses Bild gefunden war, fand ich es so passend, dass gleich mehrere Gedichte in diesem Bilde bleibend entstanden sind. Das passierte alles innerhalb weniger Wochen, weshalb ich es als wie aus einem Guss empfand und empfinde, und deswegen ist es ein eigenes Kapitel geworden. Ich wollte den zeitlichen Ablauf nicht zerreißen, sondern die Schreibhistorie erhalten.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #148 Februar/März 2020 und Markus Franz