Seit 2008 gibt es diese siebenköpfige Band aus dem fränkischen Nürnberg nun, doch von der Originalbesetzung sind nur noch Gitarrist Frank Schmidpeter und Schlagzeuger David Hutzler übrig geblieben. Dieser Tage liegt mit „Hunger“ nun Release Nummer 6 der in schwarz-gelbem Outfit performenden Gruppe vor. Franky und David erläutern uns alles Wesentliche rund um ihre Truppe.
Ihr beiden seid die Konstanten in eurer Band, könnt ihr uns aufklären, aus welchen Motiven sich eure Band zusammenfand und warum es derart viele Besetzungswechsel gab?
David: Wir haben ESKALATION ganz klassisch als Schülerband gegründet. Franky und ich hatten vorher in Punkbands gespielt und wir wollten das Ganze etwas ausbauen, eben mit Bläsern und Keyboard und solchen Geschichten. Ausschlaggebender Punkt für unsere Gründung war wohl ein Konzert von NO RESPECT – die gibt es, glaube ich, heute nicht mehr – im Nürnberger Z-Bau 2006. Wir waren da so 14 oder 15, waren von der Energie super begeistert und wollten das auch! Aber da wir die ganze Band eben seit der Schulzeit betreiben, gab es natürlich immer wieder Umbrüche. Leute gingen fürs Studium oder die Arbeit in andere Städte oder hatten keine Zeit mehr, das Projekt zu 100% durchzuziehen. Es war aber immer allen Beteiligten klar, dass das nur ein 100%-Projekt sein kann.
Franky, seit 2016 singst du auch bei ESKALATION. Das muss ja für dich auch nicht so leicht gewesen sein, plötzlich auch noch als Sänger im Rampenlicht zu stehen?
Franky: Genau, ich bin seit 2016 jetzt am Mikro und es ist natürlich eine Umstellung, plötzlich nicht mehr nur Gitarre spielen zu müssen, sondern das auch noch mit Gesang und Publikum zu koordinieren. Ich habe dann auch angefangen, Gesangsunterricht zu nehmen, ich denke aber, dass es ganz gut geklappt hat.
Auf dem Portal Discogs findet man euch nicht so leicht, erst als „ESKALATION (4)“ und zudem ist der Eintrag absolut nicht mehr up to date. Hängt das auch damit zusammen, dass eine merkwürdige Oi!-Band auch euren Namen trägt?
Franky: Haha, mit dem Portal haben wir uns noch nie beschäftigt, aber man findet uns schon auf den Portalen, die für uns und unsere Leute wichtig sind. Aber ja, als wir damals diesen Namen ausgesucht haben, hatten wir solche Fragen wie „Findet man das auf Google?“ und: „Gibt’s andere Bands, die so heißen?“ nicht auf dem Schirm. Ziemlich übel ist, dass es auch eine Fascho-Band mit demselben Namen gibt. Aber hier zu unterscheiden, das traue ich unseren Hörern durchaus zu.
Nun habt ihr auf eurem neuen Album „Hunger“ enorm viele unterschiedliche Stile und Effekte verpackt. Weit mehr als auf dem letzten Album „360°“. Wie kam es dazu?
David: Wir wollten unbedingt ein Album schreiben, bei dem man nicht nach drei Songs das Gefühl hat, jetzt alles gehört zu haben. Sondern wir wollten immer wieder kleine Überraschungseffekte und Goodies einbauen, hier mal ein Vibraphon-Solo, da ein elektronischer Beat oder ein neuer Einfluss. Wir lieben es, mit Stilen zu experimentieren, und haben das bei „360°“ schon angefangen, jetzt gibt’s das Ganze eben noch etwas mehr ausgebaut.
Wenn ich es richtig sehe, wart ihr noch gar nicht geboren, als Skapunk-Größen wie OPERATION IVY oder auch die Jungs der dritten Ska-Welle wie THE TOASTERS loslegten. Was waren eure Inspiratoren aus dem Ska-Bereich?
Franky: Wir haben zu Beginn schon sehr viel von dieser Skapunk-Schiene abgefeiert, MAD CADDIES, LESS THAN JAKE, SKA-P und so weiter. Einfach weil das in unserem Dorf-Punk-Horizont anfangs gar nicht vorkam und bei dem erwähnten Live-Konzert wie eine Offenbarung für uns war. Und wir haben uns natürlich auch die Klassiker angehört, BAD MANNERS, MADNESS, SKATALITES und wie sie alle hießen. Eine Zeit lang fanden wir den Style da drumherum auch ganz geil. Aber irgendwann haben wir dann für uns gemerkt: Wir sind weder die lustigen Fun-Punker noch richtige Rude Boys. Und gleichzeitig haben sich auch unsere Musikgeschmäcker verschoben, ich selbst höre mir zum Beispiel gar keine Ska-Bands mehr zu Hause an.
Nun verwendet ihr ja Etliches aus dem Elektro-, HipHop- und Funk-Bereich, wo ich mich leider gar nicht auskenne. Wer sind da für euch relevante Bands, an denen ihr euch schon irgendwie orientiert?
David: Oha, sehr weites Feld. Mit sieben Leuten hast du ja auch sieben grundunterschiedliche Musikgeschmäcker und die wildesten Einflüsse. Grundsätzlich einigen können wir uns aber oft auf Bands, die aktuell spannende Sachen machen und ihre Genres ein Stück weit neu definieren. Da fallen Indie-Geschichten drunter wie beispielsweise BILDERBUCH, KRAFTKLUB oder LEONIDEN, oder wenn wir an Bläser denken, dann gerne an Bands wie CAT EMPIRE. Und auch wenn man es vielleicht nicht so durchhört und es in einem Punkrock-Magazin eine etwas unpopuläre Aussage ist, aber textlich haben uns viele HipHop-Künstler inspiriert. Leute wie ZUGEZOGEN MASKULIN, Casper, Fatoni, Marteria und so weiter machen einfach wahnsinnig gute Sachen mit der deutschen Sprache, ohne dabei kartoffelig zu klingen.
Ich verfrachtete euch in den Skapunk-Bereich, aber Electro mit Punk, Indie und Bläser passt wohl als „File under“ besser. Aber Skapunk klingt wohl griffiger?
Franky: Es ist spannend, dass man als Band sofort in diese Kiste gesteckt wird, sobald nur ein Blasinstrument das Studio gestreift hat. Und das ist ja auch verständlich, man muss ja auch irgendwie Kategorien bilden können und keiner will die nächste Band hören, die sagt „Unsere Musik passt in keine Schublade“ und doch klingt wie der nächste DIE ÄRZTE-Abklatsch. Aber wenn du uns nach „File under“ fragst, dann würde ich sagen: Indiepunk.
Ein fettes Lob für eure vielschichtigen Texte sei hiermit ausgesprochen. Habt ihr gedacht, wir verpacken unsere Wut mal in freundlich klingende Songs?Beziehungsweise hofft ihr, so mehr Leute erreichen zu können?
David: Wir setzen uns natürlich mit aktuellen Entwicklungen auseinander. Faschisten im Bundestag, neue rechte Bewegungen, die soziale Schere geht immer weiter auf und wir fahren kollektiv unser Ökosystem an die Wand. Wer sich da noch ernsthaft als unpolitisch begreifen kann, hat echt den Schuss nicht gehört. Und darum verarbeiten wir diese Themen auch in unseren Texten, positionieren uns ganz klar auf unseren Konzerten und in den sozialen Netzwerken und engagieren uns für die humanitäre Seenotrettung. Uns ist aber wichtig, nicht das „Nazis raus“ auf dem Silbertablett zu servieren, sondern es subtiler zu verpacken. Wo wir stehen, ist jedem klar, der sich mit uns auseinandersetzt. Aber wenn wir durch Texte, die eben nicht beim ersten Hören den Politpunk-Stempel bekommen, mal vor größerem Publikum stehen oder auch mal bei einem Stadtfest, wo nicht nur Leute mit ähnlicher Weltanschauung hinkommen, dann ist das unserer Meinung nach viel mehr wert, als sich im immer gleichen Kreis mit den immer gleichen Parolen gegenseitig in seiner Meinung zu bestätigen.
Der Ärger über gesellschaftliche Ungleichheit scheint immer wieder durch. Liefert ihr nun das Rezept zur Verbesserung frei Haus? Und wie sähe das dann konkret aus?
David: Wie so viele andere haben wir kein Patentrezept. Aber es wäre schon viel getan, wenn wir uns alle an die ganz grundlegenden Dinge des Zusammenlebens erinnern würden. Dazu gehört, Profit nicht über das Wohlergehen von Menschen zu stellen, wie wir es gerade im Wohnungsmarkt mitbekommen. Dazu gehört, nicht nur sein eigenes Wohlergehen in den Mittelpunkt zu stehen, sondern bei seinem Verhalten auch an den Rest der Welt zu denken. Und dazu gehört, ein für allemal anzuerkennen, dass es für keine zivilisierte Gesellschaft der Welt und unter keinen Umständen akzeptabel ist, wenn Menschen bei dem Versuch, eine Grenze zu übertreten, ertrinken müssen.
Im Song „Kinder vom Zaun“ gibt es diese klare Ansage: „Ihr habt ‚Atemlos‘, wir haben ‚Scheiß in die Disco‘“. Einen erweiterten Kommentar dazu bitte.
Franky: Wir kommen vom bayerischen Dorf und da hat man es als junger Typ mit gefärbten Haaren und Nietengürtel nicht immer wahnsinnig leicht. Beim Volksfest bist du mindestens ein Fremdkörper und in den meisten Fällen musst du dann immer noch höllisch aufpassen, nicht von den Dorfnazis verkloppt zu werden, während nebenbei dudelige Schlagermusik läuft. Diese Existenz am Rand von etwas, dessen man sich eigentlich gar nicht zugehörig fühlen will, wo man aber trotzdem irgendwie dabei sein muss, weil man sonst komplett sozial isoliert ist, greift der Song auf.
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