Erst seit 2012 gibt es MANTAR und doch haben Hanno Klänhardt und Erinç Sakarya es innerhalb kürzester Zeit geschafft, sowohl die Metal- als auch die Punk-Szene gehörig durcheinander zu wirbeln. Kaum einer, der die beiden live gesehen hat, konnte sich der Energie entziehen, die sie trotz ihrer Minimalbesetzung mit Drums und Gitarre zu erzeugen vermögen. Der Mix aus Metal, Punk, Doom und Hardcore zieht dich unweigerlich in seinen Bann und insbesondere die Drumarbeit von Erinç ist derartig energiegeladen, dass es unumgänglich war, sich mit dem sympathischen Hanseaten im Rahmen des Rockharz Festivals in Ballenstedt zum Gespräch zu treffen.
Erinç, gibt es in deiner Familie irgendwelche Geschichten, in denen du als kleiner Junge schon die Töpfe und Pfannen deiner Mutter zerstören wolltest?
Das mit dem Trommeln fing bei mir wohl erst etwas später an, so mit sechs oder sieben Jahren, aber ich kann mich erinnern, dass wir mit der Familie immer Urlaub in der Türkei gemacht haben und da kam jeden Freitag ein Spielmannszug vorbei, der dazu spielte, wenn im Dorf die türkische Flagge gehisst wurde. So ein Spielmannszug hat natürlich auch viele Snaredrums dabei und die haben mich – nach Aussagen meiner Eltern – schon als dreijährigen Knirps begeistert. So eine Snaredrum hatte es mir wirklich angetan und ich wollte so ein Ding immer haben. Irgendwann habe ich mir dann aus so einer Dänische-Butterkekse-Dose meine erste eigene Snare gebastelt. Um den typischen Snaresound zu erzielen, habe ich meine Matchboxautos hineingetan, damit es schön rasselt, und aus einer dieser alten, runden Waschmitteltrommeln habe ich mir dann noch ein Floor Tom gebastelt. Leider haben wir aber in Bremen in einer Mietwohnung gewohnt, wo wir links, rechts, oben und unten Nachbarn hatten, so dass ich nicht wirklich laut spielen konnte. Irgendwann habe ich dann eben doch nur noch auf Kissen herumgeklopft.
Was für Musik lief damals bei euch zu Hause und wie wurde dein Interesse für Musik geweckt?
Die erste Platte, mit der ich angefangen habe, Interesse für Musik zu entwickeln, war ein Album von diesem Elektro-Schlager-Gitarristen Ricky King und jeden Tag, wenn ich aus der Schule kam, habe ich dieses Album aufgelegt. Da wir keine Kopfhörer hatten, habe ich die Anlage richtig schön laut gedreht und meine Ohren direkt an die Lautsprecher gedrückt. Ganz klar, dass ich damals noch Gitarrist werden wollte. Das war dann wohl auch meine musikalische Sozialisation, denn ich hatte damals begriffen, dass Musik so geil ist, dass ich selbst Musik machen wollte.
Wie bist du später zu deinem ersten richtigen Schlagzeug gekommen?
Ich war immer ziemlich fasziniert von dem Instrument High-Hat und hatte als Jugendlicher viel Geld gespart, um mir meine eigene High-Hat kaufen zu können. Ich packte diese High-Hat einfach in meinem Zimmer aus und war ziemlich überrascht, als ich feststellte, wie laut das Teil wirklich ist. Ich hatte ja gehofft, man könnte darauf auch zu Hause spielen, aber das war keineswegs der Fall und es gab reichlich Ärger deswegen.
Haben deine Eltern irgendwann gemerkt, dass du es mit dem Trommeln ernst meinst und dich zum Schlagzeugunterricht geschickt?
Nein, Unterricht im eigentlichen Sinne hatte ich nie. Ich habe höchstens mal mit anderen Drummern zusammengesessen, die mir ein paar Sachen gezeigt haben, aber Stunden hatte ich nicht. Meine Eltern haben das Ganze immer als Spielerei abgetan und sich wohl gesagt, dass jeder Junge Krach machen will und dass diese Phase auch wieder vorübergehen würde. Ich habe ja auch sehr spät mit dem Schlagzeugspielen angefangen, habe viel gearbeitet und das Geld gespart. Mit 17 konnte ich mir dann mein erstes Schlagzeug leisten und habe direkt angefangen, in meiner ersten Band zu spielen. Viel gelernt habe ich erst später von unserem Produzenten Timo, mit dem wir unsere beiden Alben aufgenommen haben und der einer der besten Drummer ist, die ich kenne. Der hat mir ein paar Sachen gezeigt, weil ich dachte, jetzt wäre es an der Zeit, vielleicht doch mal etwas besser spielen zu können, als es bisher der Fall war.
Was war dein musikalischer Horizont, als du dein erstes Schlagzeug gekauft hattest?
Ich habe viel Punk und HipHop gehört und war eigentlich ein wirklich großer Grunge-Fan. Ich fand immer SISTERS OF MERCY toll und dann kam die Grunge-Phase und da bin ich voll drauf abgegangen. Punkrock lief auch immer, aber richtiger Hardcore kam erst später dazu. An dem Tag, als ich mein Schlagzeug kaufte, haben wir auch gleich die Band gegründet und Aufnahmen für ein Demo gemacht, weil wir uns für ein Schulrockfestival bewerben wollten. Mit dem Festival hat es zwar nicht geklappt, aber die Band war gegründet. Wir waren eben Freunde, und da ich mich schon immer für Drums interessiert hatte, war wohl allen klar, dass ich das schon irgendwie hinbekommen würde. Es hieß also so ungefähr, wenn er ein Schlagzeug am Start hat, dann geht es los mit der Band. Irgendwie hat alles zusammengepasst. Wir hatten einen Übungsraum, der Freund einer Freundin wollte sein Schlagzeug verkaufen, und innerhalb von zwei Wochen ging es dann los.
Hattest du damals irgendwelche Vorbilder, denen du unbedingt nacheifern wolltest?
Ein Schulfreund von mir, der auch Schlagzeug spielte, hatte mir immer von Dave Weckl vorgeschwärmt, der ja eher ein Jazzdrummer war, und da habe ich gedacht, der muss wohl gut sein und schaute mir mal an, was der so machte. Daher höre ich häufiger, dass der mein Vorbild wäre, und was der draufhat, ist schon großartig. Später kam ich dann auf Dave Grohl und fand ihn ziemlich cool, weil ich dachte, was der macht, ist ja total simpel. Dann stellte ich aber fest, dass der Stil von Dave Grohl in dieser Präzision und Härte, mit der er spielt, schon ziemlich einzigartig ist. Ich bin im Grunde ein Fan von allen Drummern, die einfach arbeiten. Laut, hart und mit viel Energie spielen ist mein Motto. Seit wir mit MANTAR unterwegs sind, habe ich ja oft die Gelegenheit, anderen Schlagzeugern auf die Finger zu schauen und ich muss wirklich feststellen, dass Metal-Drummer nicht die härtesten sind. Metal hat nicht wirklich harte Drummer. Das ist es nicht, worauf es da ankommt, und wir versuchen eher die Härte von Hardcore in den Metal einzubringen.
Wie würdest du deinen eigenen Stil heute beschreiben?
Stumpfe Energie. Ganz einfach. Gib mir noch mal zwei Jahre und dann könnte ich vielleicht ein ganz guter Schlagzeuger werden. Im Moment ist es noch ein bisschen stumpf, aber ich arbeite daran. Manchmal habe ich auch Gefühl, dass wir ziemlich hart spielen, und wenn ich mir hinterher mal einen Auftritt anschaue, finde ich, dass es vielleicht doch gar nicht so hart war.
Wann hast du Hanno kennen gelernt und wie habt ihr euch zu MANTAR zusammengefunden?
Hanno kenne ich schon seit zwanzig Jahren. Er ist ja ein paar Jahre jünger und war damals gerade 15 Jahre alt. Wir hingen viel zusammen herum und jeder hatte seine eigene Band, so dass wir bis auf gelegentliches Jammen nur mit unseren eigenen Bands Musik gemacht haben. Wir gingen oft gemeinsam auf Konzerte und ich zeigte ihm die Bands, die ich cool fand. Während er weiter in Bands spielte, habe ich irgendwann aufgehört, Musik zu machen, und mich mehr für meinen Job, meine Freundin und die gemeinsame Wohnung interessiert. Das war auch angenehm und entspannend, aber irgendwann kam Hanno dann zu mir und wollte neben der Band, die er damals am Laufen hatte, noch etwas richtig Hartes machen. Er fragte mich, ob ich Bock hätte, da mitzumachen, weil er mich gern als Drummer dabeihätte. Und weil wir uns ja gut kannten, hatte ich Lust. Wir haben dann sofort angefangen zu proben und hatten uns eigentlich nur ein Ziel gesetzt: Wenn es mit uns funktionieren sollte, wollten wir innerhalb eines Jahres eine Platte aufnehmen. Nur so für uns, damit wir irgendwann mal sagen können: Kuck mal, das haben wir mal gemacht und das haben wir gut hinbekommen. Auf dieses Ziel haben wir konsequent hingearbeitet und auch gleich ein paar Labels angeschrieben, von denen Svart Records uns gleich richtig gut fanden und schließlich das „Death By Burning“-Album veröffentlichten.
War euch von Anfang an klar, dass MANTAR nur als Duo funktionieren würden?
Nein, am Anfang lag es nahe, dass wir noch unbedingt einen Bassisten bräuchten, und so haben Hanno und ich immer abwechselnd Leute in den Proberaum geschleppt, um Bass zu spielen. Aber keiner hatte Lust, in noch einer weiteren Band zu spielen, und so blieben wir zu zweit. Ich muss dazu sagen, dass zu meiner Schulzeit – an einer Schule mit 600 bis 700 Schülern – ungefähr ein oder zwei Bands aktiv waren. Heute spielt gefühlt jeder in irgendeiner Band und der Stellenwert einer Band ist nicht mehr so begeisternd wie früher. Heute ist das völlig normal und obwohl die meisten Musiker nichts drauf haben, stellen sie sich trotzdem auf die Bühne und lassen sich feiern. Wir hatten also niemanden gefunden und dann hatte Hanno die Idee, sein Effektboard weiter auszubauen und über technische Tricks drei Verstärker gleichzeitig zu betreiben. Das hat dann so gut geklappt, dass wir bis zu unserem ersten Auftritt nichts mehr daran geändert und es dann so beibehalten haben. Letzten Endes ist es natürlich auch viel unkomplizierter, wenn wir nur zu zweit üben müssen.
Dein Drumset wirkt relativ überschaubar und eher nicht überdimensioniert. Mehr Trommeln benötigst du also offensichtlich nicht.
Ja, dieses Set spiele ich schon seit Jahren. Ich habe immer das Gefühl, dass ich alles, was ich aufgebaut habe, auch gleich viel benutzen muss. Das steckt irgendwie in mir drin und ist ungefähr so, wie ich dazu erzogen wurde, meinen Teller leer zu essen. Ich habe jetzt eine Kuhglocke, die ich nur bei zwei Songs benutze, und das kommt mir schon komisch vor. Wenn ich noch mehr Toms oder noch mehr Becken hätte, könnte ich die gar nicht alle angemessen benutzen, und außerdem glaube ich auch gar nicht, dass mehr Trommeln und mehr Crashbecken der Musik viel mehr geben würden. Unsere Musik funktioniert eben mit der Ausstattung, die wir haben, und mit mehr Zeug würde es sicher nicht besser werden. Für mich ist es auch übersichtlicher und angenehmer. Ich mag es, wenige Sachen zu haben, die aber mit großer Aufschlagfläche.
Du bist einer der wenigen Schlagzeuger, die manchmal mit und manchmal ohne Handschuhe spielen.
Gut beobachtet und tatsächlich ist genau heute erst der vierte Auftritt ohne Handschuhe. Bisher habe ich immer mit Handschuhen gespielt, bis auf unseren ersten Auftritt, bei dem ich gleich meine Handschuhe vergessen hatte. Bei stark schwitzenden Händen sind Handschuhe von großem Vorteil, wenn die Sticks nicht rutschen sollen. Ich habe dann aber kürzlich wieder angefangen, ohne Handschuhe zu proben, und festgestellt, dass das doch besser ist. Das Gefühl für den Stick ist besser und es macht auch mehr Spaß. Ich bin dann etwas blind in den ersten Auftritt gegangen und habe mir natürlich überall Blasen geholt und beide Hände komplett aufgerissen. Zwei drei Wochen später waren die Blasen zwar verheilt, sind aber beim nächsten Gig wieder aufgeplatzt. Heute weiß ich zum Glück, an welchen Stellen ich mich tapen muss, damit ich einen Gig gut überstehe. Mittlerweile ist es auch so, dass ich auch am nächsten Tag auf jedem Fall einen Auftritt spielen kann, auch wenn ich mir die Hände am Tag vorher kaputtgespielt habe. Frag mich nicht wie, aber irgendwie klappt das immer. Jedenfalls werde ich jetzt erst mal für einige Zeit ohne Handschuhe spielen, weil ich finde, dass das dichter an der Materie dran ist.
Live oder Studio?
Immer live! Ich bin kein wirklicher Studiofreund. Studio bedeutet für mich immer Arbeit, nervige Arbeit, während live immer Spaß macht. Wenn wir im Studio Aufnahmen machen, versuchen wir immer, den Schlagzeugpart so schnell wie möglich einzukloppen. Die Gitarren können gern drei Wochen dauern, aber das Schlagzeug sollte in in bis zwei Tagen fertig sein. Die Songs sind zwar erst so halb fertig, aber das ist egal, weil wir uns den Raum, den wir extra für das Schlagzeug mieten müssen, nur für zwei Tage leisten können. Studioarbeit kann nerven, wenn man ein und denselben Song wieder und wieder spielen muss, weil man sich verspielt hat. Meistens ist der erste Take eines Songs immer der beste, wenn man sich nicht verspielt hat, aber es kann eben auch vorkommen, dass in einem Song der Wurm drin ist und man schon weiß, dass man an derselben Stelle immer und immer wieder hängenbleiben wird. Dann kann es anstrengend werden, weil die Pausen zwischen den Takes länger werden, damit man bei den Wiederholungen immer noch mit der gleichen Härte spielen kann. Auf Live-Shows freue ich mich immer. Am liebsten sind mir ganz kleine Läden, wo es gar keine Bühne gibt und die Leute direkt um einen herum stehen. Da bin ich total Hardcore-mäßig drauf. Das macht mir persönlich am meisten Spaß. So ein Festival wie hier hat natürlich einen ganz anderen Stellenwert, weil einen da ganz viele Leute zum ersten Mal sehen können.
War es deine bewusste Entscheidung, das Schlagzeug vorne am Bühnenrand zu platzieren?
Wir haben immer so geprobt, dass wir uns gegenüberstanden, und dann haben wir vor dem ersten Auftritt überlegt, wie wir uns aufstellen sollen. Wir haben uns dann gefragt, warum wir die Aufstellung ändern sollten, und da wir uns bei einigen Songs immer noch angucken müssen, ist es schließlich so geblieben. Natürlich gibt es auch viele Duos, bei denen der Sänger vorne steht und der Drummer versetzt weiter hinten, aber wir fanden es eben cool, das Schlagzeug um neunzig Grad zu drehen, in unsere eigene Welt einzutauchen und das Publikum daran teilhaben zu lassen. Mit dieser Aufstellung erreichen wir die größtmögliche Energie und können uns gegenseitig am besten aufstacheln. Und das meinen wir wirklich ernst, denn wir wissen vorher nicht genau, ob wir einen Gig zu Ende spielen können oder ob einer von uns unterm Sauerstoffzelt landen wird. Ich bin übrigens ein großer NOMEANSNO-Fan und John Wright hatte eine zeitlang denselben Aufbau wie ich. Da war es für mich natürlich immer sehr spannend, ihm beim Spielen von der Seite auf die Füße zu schauen, die man ja sonst nie sieht.
Gibt es irgendwelche musikalischen Projekte neben MANTAR, die du gern noch mal realisieren würdest?
Ich bin zwar kein großer HipHop Fan, aber ich stehe unheimlich auf HipHop-Schlagzeuger und würde gern mal groovige HipHop-Sachen spielen. Ich weiß aber nicht, ob ich das jemals verwirklichen werde, denn ich glaube, man kann sich nur auf eine Sache wirklich voll konzentrieren. Wenn man neben der Band noch ein privates Leben hat, ist wenig Platz für ein zweites musikalisches Projekt, und das mit MANTAR hätte nie funktioniert, wenn wir nicht 100% unserer Energie in die Band gesteckt hätten. Wir haben für die Band alles andere aufgegeben, um MANTAR oberste Priorität einzuräumen und auf Tour gehen zu können, wann immer wir wollen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #134 Oktober/November 2017 und Christoph Lampert