ENTERPRISE EARTH

Foto© by Nick Chance

Spiel mir das Lied vom Tod

Neue Mitglieder, neue Methoden, neue Platte: Die Extreme-Metal-Visionäre aus dem US-Bundesstaat Washington kehren mit ihrem ihr fünften Studiowerk zurück. Nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich stellt sich die Scheibe als durchaus komplexe Angelegenheit dar. Gitarrist Gabe Mangold klärt uns auf.

Auf „Death: An Anthology“ beschäftigt ihr euch mit dem Tod in all seinen Facetten. Wie habt ihr euch dem Thema genähert?

Das übergreifende Thema und alle Texte, bis auf einige wenige, wurden von unserem Sänger Travis entwickelt. Im Grunde berührt jeder Song einen anderen Aspekt des Todes. Manche sind dabei eher eine skurrile Fantasie. Andere wiederum sind Erfahrungen aus dem wirklichen Leben, die Travis beispielsweise mit dem Sterben einer Beziehung gemacht hat. Dann geht es auch um rein physische Todeserfahrungen, wie beispielsweise die Angst, im Meer zu ertrinken. Am Ende sind es elf Songs und elf verschiedene Blickwinkel auf das Thema. Es ist ein wirklich interessantes und cooles Konzept. Und ich finde, die Lyrics passen am Ende auch hervorragend zur Musik.

Die meisten Menschen sind schon einmal mit dem Tod in Berührung gekommen. Gab es innerhalb der Band oder mit dir als Produzent der Platte noch einmal inhaltliche Diskussionen, bevor ihr ins Studio gegangen seid?
Diskussionen waren nicht nötig, weil Travis den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen hatte. An den Texten haben wir vor den Recordings daher auch kaum etwas verändert. Wenn, dann ging es meistens auch gar nicht um die Lyrics selbst, sondern eher um Phrasierungen und gesangstechnische Details. Deswegen arbeite ich auch so gerne mit Travis zusammen: Er kam perfekt vorbereitet zu den Aufnahmen, hat dann auch alles super tight eingesungen. Wir haben im Schnitt zwei Songs am Tag geschafft, was für uns sehr viel ist. Es lief großartig. Und ich musste ehrlich gesagt auch nicht viel tun währenddessen.

Ihr habt euch während des Songwritings und der Aufnahmen nun lange intensiv mit dem Thema Tod beschäftigt. Hat sich deine persönliche Sichtweise dadurch verändert?
Auf jeden Fall. Wobei es für Travis sicherlich noch deutlich intensiver war. Ich selbst hatte vor allem den Blickwinkel aus musikalischer, kompositorischer und produktionstechnischer Perspektive. Aber bei jedem Projekt, das ich mache, will ich auch etwas lernen. Von daher sauge ich natürlich alles auf. Die Musik. Die Texte. Und ich versuche auch, diese Erkenntnisse in der Zukunft für das nächste Projekt anzuwenden, aber auch auf das Leben und meine Gedanken allgemein. Ich will immer weiter lernen und wachsen.

Gibt es eine Kernbotschaft, die ihr mit dem Album transportieren wollt?
Der Tod ist unvermeidlich. Er kommt für uns alle, und er kommt auf viele Arten, viele Male im Laufe unseres Lebens. Darum geht es. Aber auch darum, keine Angst vor dem Tod zu haben, keine Angst vor dem Tod des eigenen Ichs, vor dem Tod des eigenen Egos, vor dem Tod des sich verändernden Lebenskapitels, keine Angst vor Veränderungen und Übergängen im Leben. Im Grunde genommen könnte man die Message so verstehen: Fürchte dich nicht vor dem Sensenmann! Und habe keine Angst vor Veränderungen.

Ihr habt euch für die Songwriting-Sessions neun Tage lang in eine Hütte zurückgezogen. Was steckte hinter dieser Idee?
Ich hatte die Idee schon lange. In der Vergangenheit haben wir es nur nie geschafft, sie auch wirklich umzusetzen. Wir haben etwa neun Tage in einer Hütte am Lake Tahoe verbracht, im Norden Kaliforniens. Er liegt oben in den Wäldern in den Bergen, es ist fantastisch. Ein wunderschöner Ort. Das Ziel dabei war, all unsere Energien in einem Raum zu bündeln. Natürlich kannst du heute auch alles digital und über große Distanzen machen. Und es ist auch toll, dass das technisch möglich ist. Aber ich wollte einfach diese Energie im Raum. Weil ich das Gefühl hatte, dass das mir und uns allen helfen würde, produktiver und kreativer zu sein. Ich kam also mit ein paar halbfertigen Demos an. Und dann haben wir neun Tage lang so ziemlich jeden Tag einen Song gemacht. Am Ende haben wir in diesen neun Tagen mehr als achtzig Prozent der Platte geschrieben. Es war unglaublich. Eine der produktivsten und kreativsten Zeiten, die ich je erlebt habe. Und diese Songs wären definitiv nicht so geworden, wenn wir nicht alle zusammen gewesen wären. „Death: An Anthology“ ist das erste Album mit Travis als Sänger und Dakota am Bass. Das Coole ist, dass beide auch Songwriter sind. Das war sehr hilfreich, zumal sie beide auch Gitarre spielen. Wenn ich also nicht weitergekommen bin, konnte ich Travis oder Dakota die Gitarre in die Hand drücken, und sie haben ihrerseits Ideen geliefert. Ebenso wie unser Drummer Brandon. Wir wollen die Sache mit der Hütte wieder machen, womöglich mehrmals im Jahr. Nicht zuletzt, um wieder Spaß zu haben. Noch dazu können wir gemeinsam abhängen und ein paar Bierchen trinken. Das ist doch überragend. Und deswegen haben wir doch alle mal angefangen, in einer Band zu spielen.

Zumal sich nach unzähligen Line-up-Wechseln in der Vergangenheit bei euch ja mittlerweile eine stabile Konstellation herausgebildet zu haben scheint.
Es ist das erste Mal, dass ich das Gefühl habe, dass jeder von uns seinen Beitrag leisten und auf das hinarbeiten will, wofür diese Band ursprünglich gedacht war. Okay, wenn man sich unsere Wikipedia-Seite anschaut, gibt es da so viele ehemalige Mitglieder. Wobei ich die wenigsten davon wirklich als solche bezeichnen würde. Bei allem Respekt: Die meisten haben nie wirklich etwas zur Band beigetragen. Tatsächlich haben sie der Band am Ende des Tages eher etwas genommen. Und ich kann Geschichten über sie alle erzählen, aber das führt zu nichts. Ich bin zwar kein Gründungsmitglied, sondern erst 2017 dazugekommen. Aber ich habe so ziemlich alle Veränderungen miterlebt, die diese Band durchgemacht hat. Und ich habe die ganze Scheiße gesehen. Und als jemand, der all das mit dieser Band durchgemacht hat, fühlt sich das hier wie die beste Besetzung an, die wir je hatten.

Welchen Herausforderungen wollt ihr euch im neuen Jahr stellen?
Im Moment bin ich damit beschäftigt, meine Gitarrenparts zu lernen. Das ist immer eine Herausforderung. Denn ich neige dazu, Riffs zu schreiben, die ich nicht sofort spielen kann, haha. Also muss ich viel üben. Das mache ich gerade für unsere kommende Tour in Europa, wo wir eine Handvoll neuer Songs spielen wollen und ich mir den Arsch aufreißen muss, um mich auf der Bühne nicht zu blamieren.