Kennt ihr das? Big Love und so? Und dann, über Nacht, seid ihr wieder allein? Wenn’s es einfach alles viel zu schnell zu Ende geht? Wenn man was mag, in sein Herz schließt und – zack! – ist es weg. So geht es sicherlich nicht nur mir, wenn ich an EMPTY VISION denke. Ich kannte sie vom altbekannten Hören/Sagen. Dann sah ich sie bei einer Proberaumshow in Ludwigshafen. Konnte weder Augen noch Ohren trauen. Menschenknäuel auf gefühlten zwei Quadratmetern. Und dazu noch eine astreine CHOKEHOLD-Coverversion. Ich hatte mich verliebt. Verliebt in EMPTY VISION! Denn EMPTY VISION trotzten den Trends. Hier gab es keine Goldkettchen, Kickmoves und viel zu viel Blabla. Das waren einfach fünf wahnsinnig tolle Menschen, die Musik mit viel Herz machten und lebten. Bestes Beispiel dafür, dass Hardcore-Musik auch völlig ohne Klischees auskommen kann. Anstelle eines „Go crazy, motherfuckers!“, gab es hier ein Lächeln und der Mob stand trotzdem bei der nächsten Hook fingerzeigend in der ersten Reihe. Anlässlich der Tatsache, dass diese Band einfach Gold war, hier von Gitarrist Alan so etwas wie die letzten Worte einer Verflossenen. EMPTY VISION waren außerdem: Michael, Chris, Hajo, und Tilmann.
Alan, bitte roll mal kurz die Band-History auf.
Gegründet haben wir uns im Sommer 2003 und haben erst einmal knapp anderthalb Jahre mit dem Erlernen unserer Instrumente und dem Spielen von kleinen, nicht weiter nennenswerten Konzerten verbracht. Ende 2004 hatten wir dann unser erstes richtiges Demotape draußen, worauf ein halbes Jahr später die Split-CD mit COUNT THE HOURS und an die hundert Konzerte folgten. Ende 2006 wurde dann unser Album „The Rise“ veröffentlicht und wir spielten mehr Konzerte denn je. Im Frühjahr 2008 kam unsere letzte Veröffentlichung in Form einer selbstbetitelten EP. Offiziell verabschiedet wurde die Band am 17. Januar 2009 auf unserem Abschiedskonzert in der Wunstorfer Wohnwelt ...
Kannst du konkret sagen, warum ihr euch aufgelöst habt?
Aufgrund unserer weit auseinander liegenden Wohnorte fiel es immer schwerer zusammenzukommen. In voller Besetzung wurde so gut wie nie geprobt und auf den Konzerten hat man versäumt, miteinander zu reden, worunter das Zwischenmenschliche arg litt, so dass nach dem angekündigten Ausstieg einer Person in der Band kein für uns angemessener Weg an der Auflösung vorbeiführte.
Ich weiß ja, dass das bei euch nie so leicht war mit dem Proben, aber hattet ihr bereits Material für ein weiteres Album oder war nach der EP erst mal Leerlauf?
Ein Album war in Arbeit und wir hatten so fünf bis sechs neue Songs fertig.
Eure EP war unglaublich ausgereift, intensiv und sehr eigenständig. Mittlerweile ist etwas Zeit vergangen. Wie stehst du zu der EP und wie war das Feedback?
Mit der EP bin ich, und ich denke auch der Rest der Band, sehr zufrieden. Die Zeit im Studio hat viel Spaß gemacht und war auch unsere erste gemeinsame Studioerfahrung, da wir unser Album zuvor ja nur zu dritt eingespielt hatten. Das Feedback war soweit ganz gut, aber alleine im Internet kam nicht mal annähernd halb soviel Resonanz wie bei unserem Album, was wohl auch an unserer abnehmenden Präsenz, dem abnehmendem Hype von Modern-Oldschool-Bands als auch an dem nicht so beliebten MCD-Format gelegen haben dürfte. Die Rezensionen, die wir hatten, waren aber alle durchweg positiv.
Wie geht es bei euch im Einzelnen weiter? Gibt es schon neue Projekte?
Im Einzelnen wird halt jeder von uns sein bisheriges Leben fortsetzen, das heißt studieren, arbeiten gehen und sich ab und zu auf Konzerten blicken lassen. Abgesehen davon, haben Tilmann und ich ein neues Projekt am Start. Wir proben weiterhin bei Tilmann im Keller und die anderen beiden Mitglieder kommen aus Hannover, was erstmals auch eine gemeinsame Probe ermöglicht. Weitere Infos werden demnächst folgen und im Sommer dürften dann die ersten Höreindrücke bei MySpace online sein.
Was kommt dir in den Sinn, wenn du an eure Abschiedsshow denkst?
Wir hatten auf jeden Fall unseren Spaß und ich denke, dem Publikum wurde von allen Bands ein schöner Abend geboten. Es war schön für mich, einige Leute anzutreffen, die man jetzt erst mal eine Weile lang nicht mehr sehen wird. Ein komisches Gefühl hingegen war, dass unsere Auflösung total im Mittelpunkt der ganzen Veranstaltung stand und dieses Gesprächsthema dementsprechend oft angerissen wurde. Irgendwann hat es fast schon genervt, dass die Gespräche immer wieder auf dieses Thema hinausliefen, zumal man selbst mit der Sache ja auch schon abgeschlossen hatte, da der Entschluss, uns aufzulösen, ja schon Monate vorher gefasst wurde. Generell bleibt aber zu sagen, dass es ein würdiger Abschluss war und wir uns echt gefreut haben, dass das Interesse so groß war und die Leute so zahlreich erschienen sind.
Auch nach EMPTY VISION: Was bedeutet die Hardcore-Szene für dich und inwiefern fühlst du dich involviert?
Ich muss zugeben, dass wir zu Bandzeiten wesentlich mehr in das Ganze involviert waren. Durch die zahlreichen Shows, die wir in ganz Deutschland gespielt haben, waren wir immer direkt vor Ort und haben die lokalen Szeneentwicklungen, neuen Bands und Labels mitbekommen. Diese ganzen Informationen bezieht man jetzt fast nur noch über das Internet und über die paar Konzerte, die man – meist in der Nähe – besucht. Es ist schön, dass man aufgrund seiner Bandpräsenz viele bekannte Gesichter auf Konzerten trifft und wen zum Plaudern hat, aber am liebsten würde man natürlich selbst wieder auf der Bühne stehen. Ich für meinen Teil fühle mich der Szene immer noch zugehörig und bin immer wieder gerne auf Konzerten. Das Ganze, was man dort so mitgenommen hat, wie Bekanntschaften, Erfahrungen, Vegetarismus/Veganismus, lebt man auch weiterhin aus, aber ich würde mir wünschen, dass wir mit unserer neuen Band wieder mehr in direkten Kontakt mit anderen Bands, alten Freunden und Bekannten kommen und auf gemeinsamen Konzerten wieder richtig Spaß haben können.
Was denkst du über die deutsche Szene im Moment? Hast du das Gefühl, dass ihr eine Art Vorreiter gewesen seid?
Ja, ich denke, dass in der deutschen Szene einiges an Potenzial steckt. Es gibt zahlreiche Konzertveranstalter und viele aufstrebende Booking-Agenturen, die es auch klein(er)en Bands ermöglichen, sich einen Namen zu erspielen und Europa zu bereisen. Ich finde es außerdem gut, dass es auch vermehrt deutsche wie europäische Tourpakete gibt und dort auch eine Nachfrage seitens des Publikums besteht. Meiner Meinung nach muss man nicht jede x-beliebige Ami-Band hier rüberholen, wenn man vergleichbare Bands vor der Tür hat. Dies gilt vor allem für die Bands, die selbst kaum mehr Erfahrung als manch hiesige Band mitbringen. Zum Thema „Vorreiter“ kann ich nur sagen, dass wir schon meines Wissens nach eine der ersten deutschen Modern-Oldschool-Bands waren, die viel unterwegs waren und vor allem auch ein Album veröffentlicht haben. Die meisten Bands belassen es ja doch meist bei einer MCD/7“ und lösen sich nach ein paar Shows auf, wir haben hingegen auch nach unserer Albumveröffentlichung noch stete Präsenz gezeigt. Ich selber würde mir diesen Vorreiter-Titel aber nicht anmaßen, sehr wahrscheinlich waren wir einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort.
Was, denkst du, habt ihr hinterlassen, was ist euer „Vermächtnis“?
Zunächst einmal natürlich unsere Tonträger und Textilien, die jetzt zahlreich bei eBay ihren Besitzer wechseln. Ansonsten wäre ich einfach froh, wenn wir nicht allzu schnell aus dem Gedächtnis der Leute verschwinden.
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